Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Kronegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des Dr. B V, vertreten durch die Meinhard Novak Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Februar 2025, Zl. W200 2302298 1/5E, betreffend zusätzliche Eintragung in den Behindertenpass (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialministeriumservice), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Der (im ersten Rechtsgang erlassene) Bescheid der belangten Behörde vom 7. November 2023, mit dem der gegenständliche, am 22. August 2023 eingelangte Antrag des Revisionswerbers auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen worden war, wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 2024 gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
2 Mit (Ersatz )Bescheid vom 24. September 2024 wies die belangte Behörde nach Einholung eines Gutachtens einer Fachärztin für Neurologie vom 27. Juni 2024 sowie eines Gutachtens einer Fachärztin für Unfallchirurgie bzw. für Allgemeinmedizin vom 5. August 2024, die auf Basis jeweils einer Untersuchung des Revisionswerbers erstellt worden waren, sowie einer ärztlichen Gesamtbeurteilung vom 21. August 2024, welche allesamt ergaben, dass dem Revisionswerber die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei den Antrag des Revisionswerbers erneut ab.
3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG für unzulässig.
4 Das Bundesverwaltungsgericht traf auf der Grundlage ausführlicher beweiswürdigender Überlegungen konkrete Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen bzw. gesundheitlichen Einschränkungen des Revisionswerbers, insbesondere im Hinblick auf deren Auswirkungen auf dessen Möglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, und kam zum Ergebnis, dass dem Revisionswerber, dem ein Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50% ausgestellt worden sei, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
5 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung u.a. zugrunde, fallbezogen seien das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das sichere Ein- und Aussteigen, sowie die Verwendung von Haltegriffen gewährleistet. Der Revisionswerber könne Strecken von 300 bis 400 m aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe und ohne maßgebende Unterbrechung zurücklegen. Aus den eingeholten Sachverständigengutachten gehe ferner eindeutig hervor, dass hinsichtlich der angegebenen Kopfschmerzen keine Intervallprophylaxe eingenommen werde. Es bestehe aktuell zudem keine fachärztlich neurologische Betreuung. Die Therapiemöglichkeiten seien daher unausgeschöpft. Auch bezüglich der Standfestigkeit bestehe noch eine offene Therapieoption, weil dem Revisionswerber das Tragen von orthopädischen Schuhen zumutbar sei.
6 In rechtlicher Hinsicht begründete das Verwaltungsgericht die Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers zusammengefasst damit, dass von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates des Revisionswerbers auszugehen und der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln gesichert durchführbar sei.
7Das Vorbringen des Revisionswerbers, demzufolge seine konkrete Arbeitswegstrecke mit 500 m bzw. in Kombination mit einer Strecke von weiteren 350 m über die Definition einer kurzen Wegstrecke hinausgehe, führe die Beschwerde nicht zum Erfolg, weil es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf Umstände wie die Entfernung zwischen der Wohnung des Revisionswerbers und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel ankomme (Hinweis auf VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0013).
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. des Fehlens einer solchen geltend macht, bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei unter Berücksichtigung des Erschöpfungszustandes nach einem intensiven Arbeitstag zwischen der Hin- und der Heimreise zu differenzieren. Weiters sei bei lediglich kurzfristig unterbrochenen Wegstrecken infolge einer sehr kurzen „zwischengelagerten“ Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln eine Kumulierung der zurückzulegenden Wegstrecken vorzunehmen, um die konkreten Fähigkeiten des Revisionswerbers sachgerecht beurteilen zu können. Ausgehend davon erwiesen sich die dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegten Sachverständigengutachten als ergänzungsbedürftig.
9 Die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B VG liegen nicht vor:
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (VwGH 1.10.2024, Ra 2024/11/0046).
13Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entscheidend auf die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf Umstände wie die Entfernung zwischen Wohnung und nächstgelegener Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 [dort zu einer Wegstrecke von 8 km und der Fähigkeit, eine Entfernung von 2 km ohne größere Beeinträchtigungen zurückzulegen]; VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0013 [Wegstrecke von 9 km und Feststellungen zur Möglichkeit, eine Entfernung von 300 bis 400 m ohne Fremdhilfe zurückzulegen]; VwGH 19.12.2017, Ra 2017/11/0288 [Fußwege von über 1 km und selbständig bewältigbare Strecken von 300 bis 400 m]; siehe ferner VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0030).
14 Das gilt somit auch für den in der Revision ins Treffen geführten Aspekt, dass sich bei Zusammenrechnung von Hin- und Rückfahrt eine entsprechend längere und unter Berücksichtigung des Erschöpfungszustandes nach einem langen Arbeitstag eine beschwerlichere Wegstrecke ergebe, sowie für das Vorbringen, dass sonstige Wegstrecken „bei bloß wenig minütiger zwischengelagerter Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln“ zu kumulieren seien. Diese Gesichtspunkte durfte das Verwaltungsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als nicht entscheidungsrelevant erachten.
15 Ausgehend davon gelingt es der Revision nicht darzulegen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Beurteilung der konkreten Fähigkeiten des Revisionswerbers, der eine Wegstrecke von 300 bis 400 m ohne Fremdhilfe zurücklegen könne, wobei auch das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln gewährleistet seien, mit dem Ergebnis, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei fallbezogen zumutbar, von der dargestellten Rechtsprechung abgewichen wäre oder dass es aus Anlass des Revisionsfalls weiterer Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bedürfte.
16 Dass die dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegten (fach )ärztlichen Gutachten als ergänzungsbedürftig zu erachten gewesen wären, ist auf Basis des Zulässigkeitsvorbringens sohin nicht ersichtlich.
17 In der Revision werden folglich keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 10. November 2025
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