Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des W G B, vertreten durch Dr. Stefan Hämmerle, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 24. Juni 2025, LVwG 1 863/2024 R12, LVwG 1 864/2024 R12, LVwG 1 865/2024 R12, betreffend u.a. Übertretungen des Baugesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bludenz), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird soweit sie sich gegen das angefochtene Erkenntnis insofern wendet, als damit die Spruchpunkte 4. und 5. des Bescheides der belangten Behörde vom 19. August 2024 betreffend die Verhängung von Geldstrafen gemäß § 55 Abs. 1 lit. a Baugesetz abgeändert werden zurückgewiesen.
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 19. August 2024, mit dessen Spruchpunkten 4. und 5. über den Revisionswerber gemäß § 55 Abs. 1 lit. a Baugesetz (BauG) Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 2.000, (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 23 Stunden) verhängt worden waren, insoweit Folge, als die Geldstrafen jeweils auf € 1.500,(Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 18 Stunden) herabgesetzt wurden (Spruchpunkt II.). Der gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG iVm § 38 VwGVG zu leistende Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens wurde auf € 620, verringert und eine Revision für unzulässig erklärt.
Dies begründete das LVwG zusammengefasst damit, dass der Revisionswerber in einem näher genannten, als Wirtschaftsgebäude zur Unterbringung von Werkzeugen und landwirtschaftlichen Geräten baubehördlich bewilligten Gebäude in der KG. B. eine Selbstbedienungs Jausenstation eingerichtet habe; dies stelle eine wesentliche Verwendungsänderung dar, für welche keine Baubewilligung vorliege (Spruchpunkt 4. des Bescheides der belangten Behörde). Darüber hinaus habe der Revisionswerber näher beschriebene bauliche Maßnahmen ohne eine dafür erforderliche Bauanzeige durchgeführt (Spruchpunkt 5. des Bescheides der belangten Behörde).
Dem Einwand des Revisionswerbers, seiner Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof im Verfahren zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes des auch nun verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens gemäß § 40 BauG [Anmerkung: die Parallelrevision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 15. Juli 2025, Ra 2025/06/0180, zurückgewiesen] sei die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, werde entgegengehalten, dass Gegenstand der gegenständlichen Verwaltungsübertretungen nicht die unterlassene Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes sei, sondern die Ausführung baulicher Maßnahmen ohne die dafür erforderlichen behördlichen Bewilligungen. Das diesbezügliche Vorbringen des Revisionswerbers erweise sich daher als unbeachtlich.
5In der dagegen erhobenen Revision wird zu deren Zulässigkeit vorgebracht, der Verfassungsgerichtshof habe der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 28. August 2023 betreffend die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes (Wiederherstellungsverfahren) aufschiebende Wirkung zuerkannt; der Bescheid sei „aufgrund der eingebrachten außerordentlichen Revision immer noch nicht rechtskräftig.“ Diesem Verfahren liege exakt der gleiche Sachverhalt zugrunde. „Im Verwaltungsstrafverfahren ist § 38 AVG iVm § 24 VStG anwendbar, sodass eine rechtskräftige Entscheidung über eine Vorfrage für das Strafverfahren bindend ist.“ Das LVwG hätte sich „zwingend an die rechtskräftig zuerkannte aufschiebende Wirkung halten müssen.“
Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob eine zuerkannte aufschiebende Wirkung durch den Verfassungsgerichtshof in einem Verwaltungsverfahren, welchem exakt der gleiche Sachverhalt wie in einem später eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren zugrunde liege, (verfahrensübergreifend) bindende Wirkung für eine Behörde habe. Das LVwG habe in seinen Ausführungen dazu „keine entsprechenden Entscheidungen des VwGH“ zitiert.
6Dazu wird zunächst angemerkt, dass die vorläufige Maßnahme der aufschiebenden Wirkung einer beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde bewirkt, dass der „Vollzug“ des angefochtenen Verwaltungsaktes in einem umfassenden Sinn ausgesetzt, also seine Vollstreckbarkeit und die durch ihn bewirkte Gestaltung der Rechtslage, seine Tatbestandswirkungen und seine Bindungswirkungen zum Zweck der Sicherung eines möglichen Erfolges der Beschwerde suspendiert werden. Bis zur Entscheidung über die Beschwerde dürfen aus dem angefochtenen Verwaltungsakt jedenfalls keine für den Beschwerdeführer nachteiligen Rechtsfolgen gezogen werden (vgl. VwGH 17.2.2004, 2002/06/0150, mwN, ergangen zu § 63 Abs. 1 VwGG).
7Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter einer Vorfrage im Sinne des § 38 AVG eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen, über die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden, von den Gerichten oder auch von derselben Behörde, jedoch in einem anderen Verfahren, zu entscheiden ist. [...] Dass es sich bei der Vorfrage um eine Frage handeln muss, über die von der anderen Behörde als Hauptfrage zu entscheiden ist, ergibt sich daraus, dass der besondere prozessökonomische Sinn der Vorschrift des § 38 AVG nur dann erreicht werden kann, wenn die andere Entscheidung, deren Ergehen abgewartet wird, in der Folge die Behörde bindet, wobei eine solche Bindungswirkung jedoch immer nur eine Entscheidung über eine Hauptfrage entfaltet (vgl. VwGH 1.4.2025, Ra 2024/08/0136, Rn. 7, mwN).
In einem Verfahren zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes gemäß § 40 BauG stellt die Frage der Rechtmäßigkeit des Bestandes eine Vorfrage, jedoch keine Hauptfrage dar (vgl. VwGH 27.1.2011, 2010/06/0238, mwN, betreffend eine Baueinstellung und ein Verfahren zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes). Schon aus diesem Grund könnte das Verfahren zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes keine Bindungswirkung im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 55 Abs. 1 lit. a BauG entfalten. Dies gilt umso mehr für die vom Verfassungsgerichtshof im Verfahren zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes zuerkannte aufschiebende Wirkung der Beschwerde.
8 Der Revisionswerber behauptet in der Zulässigkeitsbegründung nicht, dass die bewilligungslos durchgeführte wesentliche Verwendungsänderung und die ohne Anzeige vorgenommenen baulichen Maßnahmen im Einklang mit dem BauG stünden. Er tritt auch den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis, wonach Gegenstand der Verwaltungsübertretungen nicht die unterlassene Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes sei, sondern die Ausführung baulicher Maßnahmen ohne die dafür erforderlichen behördlichen Bewilligungen, nicht entgegen.
9 In der Revision wird somit soweit sie sich gegen die Verhängung von Geldstrafen gemäß § 55 Abs. 1 lit. a Baugesetz wendet keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war in diesem Umfang daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 24. November 2025
Rückverweise
Keine Verweise gefunden