Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der Autobahnen und Schnellstraßen Finanzierungs AG, vertreten durch die Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 5. Juni 2025, LVwG 2025/49/1323 1, betreffend eine Übertretung nach dem Bundesstraßen Mautgesetz 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Imst; mitbeteiligte Partei: Dr. B K B), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.446,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenbegehren der Bezirkshauptmannschaft Imst wird abgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 16. April 2025 betreffend eine Übertretung des § 20 Abs. 1 iVm §§ 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 BundesstraßenMautgesetz 2002 (BStMG) und die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe von € 350,(Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 15 Stunden) insofern Folge, als gemäß „§ 45 Abs. 1 Z 4 VStG“ von der Verhängung einer Geldstrafe abgesehen und eine Ermahnung erteilt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass statt auf „§ 11 Abs. 1“ auf „§ 11 Abs. 2“ BStMG verwiesen wurde. Eine Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, am Kraftfahrzeug des Mitbeteiligten sei zum Tatzeitpunkt weder eine gültige Klebevignette angebracht noch sei für das Kennzeichen eine gültige digitale Vignette registriert gewesen. Der Mitbeteiligte habe nach dem übersiedlungsbedingten Wechsel des Kennzeichens die Umregistrierung auf das neue Kennzeichen im Mautsystem der ASFINAG vergessen und dies erst nach der Zustellung der Ersatzmautforderung nachgeholt. Die Ersatzmaut sei nicht bezahlt worden.
Im gegenständlichen Fall sei eine Ermahnung gemäß § 45 Abs. 1 zweiter Satz VStG ausreichend, um den unbescholtenen Mitbeteiligten von weiteren derartigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten. Die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und insbesondere das Verschulden seien gering. Der Mitbeteiligte habe für das Fahrzeug eine gültige Digitale Jahresvignette für das Jahr 2024 besessen, im Rahmen des Wohnort und Bezirkswechsels jedoch vergessen, das Fahrzeug im digitalen System der ASFINAG umzumelden. In subjektiver Hinsicht sei ihm daher nur leichte Fahrlässigkeit zur Last zu legen.
2In der dagegen eingebrachten außerordentlichen Revision wird zu deren Zulässigkeit ein Abweichen von näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 45 Abs. 1 Z 4 VStG vorgebracht.
3 Die belangte Behörde beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache sowie die Erstattung der Kosten.
4 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revision ist zulässig.
6§ 45 Abs. 1 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:
„§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
...
4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;
...
Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.“
7Zur Anwendung des § 45 Abs. 1 VStG iVm den Straftatbeständen des § 20 BStMG sprach der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom 10. Juni 2025, Ra 2024/06/0173, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, aus, dass die Voraussetzung der geringen Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG für eine Ermahnung im Fall der Mautprellerei nicht vorliegen. Eine Einstellung des Strafverfahrens oder eine Ermahnung kommt daher bei dieser Verwaltungsübertretung nicht in Frage.
8Fallbezogen ist nicht strittig, dass der Mitbeteiligte die ihm angelastete Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 1 iVm §§ 10 Abs. 1 und 11 Abs. 2 BStMG zu verantworten hat.
9 Mit seiner Beurteilung, wonach im vorliegenden Fall eine Ermahnung ausreichend sei, weicht das LVwG von der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.
10Das angefochtene Erkenntnis war somit schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
11Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Gemäß § 48 Abs. 2 VwGG hat die Bezirkshauptmannschaft Imst als Partei im Sinne des § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG (belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht, wenn nicht von ihr selbst Revision erhoben wird) Anspruch auf Aufwandersatz lediglich im Fall der Abweisung der Revision (vgl. VwGH 10.6.2025, Ra 2024/06/0173, Rn. 11, mwN). Das Kostenbegehren der Bezirkshauptmannschaft Imst war daher abzuweisen.
Wien, am 10. November 2025
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