Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache 1. der W R und 2. des J R, beide vertreten durch Mag. Michael Tinzl und Mag. Albert Frank, Rechtsanwälte in Innsbruck gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 12. Mai 2025, LVwG 2019/43/0527 37, betreffend Versagung der Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Grinzens; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerber haben der Gemeinde Grinzens Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Zur Vorgeschichte des Revisionsfalles wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 2024, Ra 2023/06/0006 und 0007, verwiesen.
2 Mit diesem Erkenntnis wurde das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (Verwaltungsgericht) vom 21. November 2022 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil das Verwaltungsgericht in Verkennung des § 2 Abs. 11 Tiroler Bauordnung 2022 (TBO 2022) iVm § 6 Abs. 4 lit. a TBO 2022 zur Ermittlung der mittleren Wandhöhe der dem Nachbargrundstück zugekehrten Wand der sich an der Grundstücksgrenze befindlichen Garage das Geländeniveau des benachbarten Grundstücks und nicht jenes des (Bau)Grundstücks der Revisionswerber heranzog.
3 Mit dem im zweiten Rechtsgang ergangenen, nunmehr angefochtenen Erkenntnis, wurde die Beschwerde der Revisionswerber gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 15. Februar 2019, mit welchem ihr Bauansuchen vom 13. April 2015 bezeichnet als „Bestehende Garage auf Grst. Nr.[...] Nachweis Höhen“ , mit dem die Baubewilligung des bewilligungslos errichteten Bauteils der Garage beantragt worden war, wegen Überschreitung der zulässigen Höhe gemäß § 34 Abs. 4 Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018) abgewiesen worden war, neuerlich abgewiesen.
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe des Verfahrensgangs aus, für das Grundstück der Revisionswerber, welches im Flächenwidmungsplan als landwirtschaftliches Mischgebiet ausgewiesen sei, bestehe kein Bebauungsplan.
5 Die Revisionswerber hätten in den Jahren 1972/73 das mit Bescheid vom 5. Juni 1972 bewilligte Bauvorhaben („Wohnhaus mit Garage“) ausgeführt. Dabei sei auf dem Grundstück der Revisionswerber in Verlängerung der in der nordwestlichen Ecke des Grundstücks situierten Garage eine Mauer entlang der Grundstücksgrenze zum nördlich gelegenen Grundstück errichtet worden. Das Bauvorhaben 1972 samt der Mauer sei in ein seit zumindest 1960 von Süd nach Nord im Wesentlichen gleichförmig leicht abfallendes, im verfahrensgegenständlichen Bereich keine maßgebliche bzw. nur eine minimale Steigung in Ost West Richtung aufweisendes Gelände gesetzt worden. Zur Abstufung des nach Norden abfallenden Geländes sei die Fußbodenoberkante der Garage gegenüber dem natürlichen Gelände deutlich erhöht ausgeführt worden. Entlang der Mauer sei die Zufahrt zur Garage dementsprechend mit einer Steigung in Richtung Westen hergestellt und 2004 mit einer Pflasterung versehen worden, die jedenfalls 2015 noch vorhanden gewesen sei. Im Verlauf der Zufahrt zur Garage habe sich dadurch ein Höhenunterschied von 57 cm vom Einfahrtsbereich B (909,28 müA) bis zur Fußbodenoberkante der Garage (bzw. 55 cm bis zur Pflasterung im Bereich der gegenständlichen baulichen Anlage) ergeben. Später sei die Mauer erhöht und auf (oder anstelle) dieser Mauer ein von der Bewilligung 1972 nicht umfasster Bauteil in östlicher Verlängerung der Garage hergestellt worden. Dieser bestehe in einer Verlängerung der nördlichen Mauer (samt Einbau eines Rundbogenfensters) sowie einer entsprechenden Verlängerung des bewilligten Satteldachs, welches südseitig unmittelbar an das bestehende Wohnhaus anschließe. Der nunmehr zur Bewilligung anstehende Bauteil entspreche bezüglich Situierung und Ausmaß im Wesentlichen diesem konsenslosen Bauteil.
6 Die nördliche Außenwand der bestehenden Garage sei 1972 mit einer Wandlänge von 530 cm bewilligt worden und weise tatsächlich eine Länge von 542 cm auf. Die nördliche Außenwand des konsenslosen Bauteils weise eine Länge von 289 cm auf.
7 Die Höhe des „unter“ der Außenwand der Garage bzw „unter“ der Mauer vor deren Errichtung bestehenden Geländes sei im Zuge der Bauführung 1972/73 im nördlichen Anschluss an diese baulichen Anlagen wiederhergestellt worden, in dieser Höhe unverändert bestehen geblieben und am 30. November 2006 durch den Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen DI M (Lageplan vom 2. Februar 2007) vermessen worden. Die bei dieser Vermessung im unmittelbaren Anschluss an die genannten baulichen Anlagen ermittelten Höhen würden somit gleichzeitig die Höhen des unterhalb dieser baulichen Anlagen (an deren Nordseite) vor deren Errichtung (und bereits seit 1960) auf dem Bauplatz bestehenden Geländes markieren. Der konsenslose Bauteil weise ausgehend von diesem Geländeniveau eine mittlere Wandhöhe von 3,40 m auf.
8 Die der Grundstücksgrenze zum benachbarten Grundstück zugekehrte Wand des konsenslosen Bauteils sei auf oder anstelle einer bereits 1972/73 errichteten Mauer hergestellt worden. Es sei daher für die Ermittlung der zulässigen Wandhöhe des konsenslosen Bauteils jenes Geländeniveau maßgeblich, welches auf dem Bauplatz zumindest zehn Jahre vor Errichtung der betreffenden Mauer bestanden habe. Dies sei im Wesentlichen eine gleichförmige, leicht Richtung Norden abfallende schräge Ebene. Der ursprüngliche Geländeverlauf im nördlichen Anschluss an die Mauer sei nach Bauführung 1972/1973 wiederhergestellt worden. Daher markiere dieser gleichzeitig die Höhe des „unter“ dieser Mauer (an deren Nordseite befinde sich die der Grundstücksgrenze zugekehrte Wand) vormals und bereits seit 1960 bestandenen Geländes auf dem Bauplatz. Die demgegenüber höher liegende Ebene der 2004 errichteten Pflasterung im Bereich des zur Genehmigung anstehenden Bauteils (vermessen durch Dr. A im Jahr 2014) habe somit für die Ermittlung der zulässigen Wandhöhe keine Relevanz. Unter Berücksichtigung des entsprechend den obigen Ausführungen festgestellten „Urgeländes“ auf dem Grundstück der Revisionswerber betrage die mittlere Wandhöhe des konsenslosen Bauteils dem Gutachten des hochbautechnischen Amtssachverständigen zufolge 3,40 m. Somit werde die gemäß § 6 Abs. 4 lit. a TBO 2022 zulässige mittlere Wandhöhe von 2,80 m um 60 cm überschritten. Bloß der Vollständigkeit halber werde festgehalten, dass auch dann, wenn man die Pflasterung auf dem Grundstück der Revisionswerber als maßgebliches Bezugsgelände ansehen würde, die zulässige Wandhöhe von 2,80 m noch deutlich überschritten wäre.
9 Nach Einleitung des Vorverfahrens erstatteten die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung, in welcher sie die kostenpflichtige Zurück bzw. Abweisung der Revision beantragte.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Die Revisionswerber bringen zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision zunächst vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Rechtsfragen, welche Feststellungen erforderlich seien, um die Höhe eines Bauteiles zu beurteilen und ob ein neu errichteter Bauteil plötzlich eine andere Wandhöhe als der Altbestand aufweisen könne, dies unter der Berücksichtigung des Umstandes, dass diese in Verlängerung aneinander gleich hoch gebaut wurden.
14 Dazu ist auszuführen, dass Fragen, die nur den Einzelfall betreffen, keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung berühren. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung würde in einem solchen Zusammenhang nur dann vorliegen, wenn die im Einzelfall vorgenommene Beurteilung durch das Verwaltungsgericht in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre bzw. eine krasse Fehlbeurteilung vorläge (vgl. etwa zur Frage, ob hinsichtlich eines konkreten Bauvorhabens das Tatbestandsmerkmal der Kleinräumigkeit im Sinne des § 22 Abs. 2 lit. a Raumplanungsgesetz erfüllt ist VwGH 27.4.2023, Ra 2023/06/0063, mwN). Derartiges wird in der Zulässigkeitsbegründung mit der bloßen Behauptung, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, Feststellungen zum Urgelände und zu Geländeveränderungen zu treffen, und der Altbestand habe die Höhe von 2,80 m zu keiner Zeit überragt, nicht aufgezeigt.
15 Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Rechtsfrage, „wann ein missachtungsfähiges obiter dictum des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt“, ist dem zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass eine Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes nur insoweit besteht, als die Rechtsansicht für die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses maßgebend, das heißt „tragende Begründung“ der Aufhebung war. Die erst im Anschluss an die Begründung der Aufhebung des Erkenntnisses erstatteten Ausführungen für das fortzusetzende Verfahren stellen keine die Aufhebung tragende und das Verwaltungsgericht bzw. die Verwaltungsbehörden bindende Beurteilung, sondern bloß ein nicht bindendes „obiter dictum“ dar (vgl. VwGH 22.3.2021, Ra 2019/05/0058, mwN).
16 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiters vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, wann ein Zubau als geringfügig im Sinne des § 6 Abs. 10 TBO 2022 anzusehen sei.
17 Die Frage, ob hinsichtlich eines konkreten Zubaus das Tatbestandsmerkmal der Geringfügigkeit im Sinne des § 6 Abs. 10 TBO 2022 erfüllt ist oder nicht, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn die im Einzelfall erfolgte Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre (vgl. erneut etwa VwGH 27.4.2023, Ra 2023/06/0063, mwN).
18 Eine derartige Unvertretbarkeit zeigt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht auf. Diese legt ihren Ausführungen zugrunde, dass das Verwaltungsgericht die Gesamtumstände würdigen sowie eine umfassende Interessen- und Güterabwägung treffen müsste, ohne auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts, wonach bei einer Verlängerung der nördlichen Außenwand um mehr als die Hälfte nicht mehr von einem geringfügigen Zubau iSd § 6 Abs. 10 TBO 2022 gesprochen werden könne, in substantiierter Weise einzugehen.
19 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit letztlich vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt das Urgelände beurteilt werden müsse.
20 Zunächst ist dazu darauf hinzuweisen, dass nach dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 11 TBO 2022 Geländeveränderungen insoweit zu berücksichtigen sind als diese mit einer Bauführung oder einer beabsichtigten Bauführung im Zusammenhang stehen. In diesem Fall ist vom Geländeniveau vor der Veränderung auszugehen. Andernfalls ist vom bestehenden Geländeniveau auszugehen. Dies gilt auch dann, wenn eine Geländeveränderung mehr als zehn Jahre zurückliegt (vgl. auch zu den zu berücksichtigenden Geländeveränderungen VwGH 29.5.2024, Ra 2023/06/0006 bis 0007, mwN).
21 Welches Geländeniveau im vorliegenden Fall maßgeblich für die Berechnung der mittleren Wandhöhe gemäß § 2 Abs. 11 TBO 2022 herangezogen wurde, hat das Verwaltungsgericht mit eingehender Begründung dargelegt und ist neuerlich eine Frage des Einzelfalls, hinsichtlich derer die Revision keine Unvertretbarkeit aufzuzeigen vermag (vgl. wiederum VwGH 27.7.2022, Ra 2019/06/0137, mwN).
22 Abgesehen davon gelangte das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis zu dem Ergebnis, dass der konsenslose Bauteil auf oder anstelle einer bereits 1972/73 errichteten Mauer hergestellt worden sei und somit für die Ermittlung der Wandhöhe dieses Bauteils jenes Geländeniveau maßgeblich sei, welches auf dem Bauplatz zumindest zehn Jahre vor Errichtung der betreffenden Mauer bestanden habe. Seit der Umsetzung des Bauvorhabens 1972/73 bis zur Vermessung am 30. November 2006 durch DI M sei es zu keiner Veränderung des Geländes gekommen, somit würden die im Rahmen der Vermessung festgestellten Höhen das Urgelände bilden.
23 Soweit die Revision pauschal behauptet, der Altbestand der Garage weise eine Mauerhöhe auf, welche 2,80 m nicht überragt habe, ist darauf hinzuweisen, dass nicht ersichtlich ist, auf welcher Tatsachengrundlage dieses Vorbringen basiert. Vielmehr lässt sich dem im verwaltungsbehördlichen Akt erliegenden Gutachten des hochbautechnischen Amtssachverständigen DI S vom 19. Dezember 2014 entnehmen, dass ein tatsächlich vorhandener Wert der Außenwand der bewilligten Garage von 2,96 m bzw. 2,93 m (unter Berücksichtigung der Abdeckung der „Windläden“) vorhanden sei.
24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
25 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 13. November 2025
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