Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober, den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Dkfm. M D, vertreten durch Dr. Andreas Kolar, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 16. Juli 2025, LVwG 2025/48/0598 15, betreffend Übertretungen des ASchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren gegen ein Straferkenntnis der belangten Behörde vom Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der F. D. GmbH in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer schuldig erachtet, er habe zwei Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) zu verantworten, und zwar konkret:
1. eine Übertretung des § 130 Abs. 1 Z 10 iVm § 8 Abs. 2 ASchG, weil diese Gesellschaft als Arbeitgeberin am Tatort zur Tatzeit nicht dafür gesorgt habe, dass die notwendigen Unterweisungen als verantwortlicher Arbeitgeber gegenüber Dritten hinsichtlich der Gefahren des Durchbruches der Glasdachkuppeln beim Werk 2 durchgeführt worden seien. Ein Nachweis der notwendigen zu koordinierenden Unterweisungen über die bestehenden Gefahren habe nicht erbracht werden können. Dadurch sei § 8 Abs. 2 ASchG übertreten worden, welcher besage, dass, wenn in einer Arbeitsstätte Arbeitnehmer beschäftigt würden, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zu den für diese Arbeitsstätte verantwortlichen Arbeitgebern stünden, (betriebsfremde Arbeitnehmer), die für diese Arbeitsstätte verantwortlichen Arbeitgeber verpflichtet seien, erforderlichenfalls für die Information der betriebsfremden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen über die in der Arbeitsstätte bestehenden Gefahren und für eine entsprechende Unterweisung zu sorgen, deren Arbeitgebern im erforderlichen Ausmaß Zugang zu den Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumenten zu gewähren, die für die betriebsfremden Arbeitnehmer wegen Gefahren in der Arbeitsstätte erforderlichen Schutzmaßnahmen im Einvernehmen mit deren Arbeitgebern festzulegen, für deren Durchführung zu sorgen, ausgenommen die Beaufsichtigung der betriebsfremden Personen.
2. eine Übertretung des § 130 Abs. 1 Z 15 ASchG iVm § 8 Abs. 3 Z 2 Arbeitsstättenverordnung (AStV), weil die unfallkausale Glasdachkuppel auf dem Flachdach Werk 2 nicht durchbruchsicher ausgeführt gewesen sei bzw. notwendige Schutzmaßnahmen gegen Absturz (wie z.B. Umwehrungen am Flachdach/Abgrenzungen zur Fläche der Glasdachkuppel oder Fallschutznetz/Fallschutzgitter in der Laibung der Glasdachkuppel) nicht errichtet gewesen seien. Die Absturzhöhe nach innen in die Werkshalle 2 habe ca. 8,5 m betragen. Dadurch sei § 8 Abs. 3 Z 2 AStV übertreten worden, wonach Lichtkuppeln und Glasdächer so zu gestalten seien, dass sie im Brandfall nicht tropfen und keine toxischen Gase in einem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gefährdenden Ausmaß freisetzten und durch geeignete Maßnahmen zu sichern seien, wenn vorhersehbar ist, dass sie durch herabfallende Gegenstände durchschlagen werden könnten. Über den Revisionswerber wurden zwei Geld sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens festgesetzt sowie die im Verfahren erwachsenen Barauslagen vorgeschrieben. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.
2 Das Verwaltungsgericht traf umfassende Feststellungen zum Tatort, der Durchführung der Reinigungsarbeiten, den Lichtkuppeln am Unfallort, den Unfallhergang sowie zur Nichtdurchführung von Koordinierungsmaßnahmen. Es seien keine Vorkehrungen zur Absicherung der Lichtkuppel vor Stürzen erfolgt auch nicht für die Durchführung der Arbeiten und habe es dahin auch keine Unterweisung der Mitarbeiter der Fremdfirma gegeben. Auch sonst habe es keine Sicherheitsvorkehrungen dergestalt gegeben, welche Maßnahmen zu ergreifen seien, um Abstürze und Durchbrüche durch die Lichtkuppeln zu verhindern oder entsprechende Absicherungen um die Lichtkuppeln, damit diese nicht durchbrochen werden könnten. Das Verwaltungsgericht erläuterte seine Beweiswürdigung und kam rechtlich zum Ergebnis, der Revisionswerber habe die objektiven Tatbestände der angelasteten Übertretungen erfüllt; er habe auch fahrlässig gehandelt. Zuletzt begründete das Verwaltungsgericht seine Strafzumessung.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision nach Darstellung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Individualisierungs- und Konkretisierungsgebot des § 44a VStG vor, der Tatort sei unrichtig angeführt worden. Der Arbeitsunfall habe sich an einer anderen Adresse ereignet, nämlich einer anderen Liegenschaft mit unterschiedlicher Grundstücksnummer und grundbücherlicher Einlagezahl. Die Bezeichnung „Werk 2“ bewirke keine Konkretisierung, weil dieses Werk sich eben an dieser zweiten Adresse befinde. Der Spruch sei damit widersprüchlich. Eine Tatortumschreibung, die mehrere Auslegungsvarianten zulasse, genüge den Anforderungen des § 44a VStG nicht.
8 Darüber hinaus seien die Tathandlungen selbst nicht konkret genug beschrieben: Bei Unterlassungsdelikten sei eine Beschreibung jener Handlungen vorzunehmen, die der Täter hätte setzen müssen, ein Alternativvorwurf sei unzulässig. § 8 Abs. 2 ASchG enthalte mehrere Tatbestände, die jeweils auf unterschiedliche Art und Weise verwirklicht werden könnten. Der Spruch führe jedoch nicht aus, gegen welche Pflicht bzw. gegen welches Gebot dieser Bestimmung der Revisionswerber konkret verstoßen haben solle. Vielmehr werde darin nur pauschal angeführt, dass § 8 Abs. 2 ASchG übertreten worden sein solle und es würden sämtliche Gebote sowie Pflichten dieser genannten Bestimmung im Spruch wortwörtlich wiedergegeben. Es werde nicht ausgeführt, welche Ausführungen „erforderlich“ im Sinne des Gesetzes gewesen wären. Ebensowenig werde ausgeführt, wem gegenüber konkret Pflichten unterlassen worden sein sollen. Der im Spruch verwendete Ausdruck „gegenüber Dritten“ sei in diesem Zusammenhang vollkommen unpräzise, weil er offenlasse, ob damit betriebsfremde Arbeitnehmer oder aber deren Arbeitgeber oder überhaupt andere (eben dritte) Personen gemeint seien.
9 Zur Regelung des § 8 Abs. 3 Z 2 AStV werde widersprüchlich sowohl Z 1 als auch Z 2 zitiert; der Spruch enthalte überdies einen Alternativvorwurf, indem er ausführe, dass die Glasdachkuppel „nicht Durchbruch sicher“ ausgeführt gewesen sei bzw. notwendige Schutzmaßnahmen gegen Absturz nicht errichtet gewesen wären. Darüber hinaus werde nicht ausgeführt, welche „geeigneten“ Maßnahmen gemäß § 8 Abs. 3 Z 2 AStV genau unterlassen worden wären und auch nicht, weshalb eine Vorhersehbarkeit in Bezug auf eine Durchschlagung durch herabfallende Gegenstände anzunehmen gewesen wäre.
10 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt:
11 Nach § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, „die als erwiesen angenommene Tat“ zu enthalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es zur Erfüllung dieses Erfordernisses darauf an, dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorzuwerfen, dass dieser in die Lage versetzt ist, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und ihn rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den erwähnten Rechtsschutzüberlegungen zu messendes sein. Das bedeutet, dass die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat lediglich insoweit unverwechselbar konkretisiert sein muss, dass dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. etwa VwGH 25.9.2017, Ra 2017/02/0101, mwN).
12 Eine derartige notwendigerweise einzelfallbezogene Beurteilung stellt im Regelfall (wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde) keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. jüngst VwGH 3.3.2025, Ra 2024/02/0054, mwN).
13 Zunächst ist hinsichtlich des Tatortes auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Übertretungen des ASchG zu verweisen, wonach im Falle der Heranziehung eines zur Vertretung einer juristischen Person nach außen befugten Organs gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung im Bereich des Arbeitnehmerschutzrechtes Tatort der Verwaltungsübertretung der Sitz der Unternehmensleitung ist, weil an diesem Ort die Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu treffen gewesen wären (vgl. z.B. VwGH 14.12.2007, 2007/02/0277; 12.7.2012, 2011/02/0029).
14 Im Zusammenhang mit dem Tatort kann sich daher im vorliegenden Fall keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellen, zumal im Spruch des durch das Verwaltungsgericht bestätigten Straferkenntnisses der Sitz des Unternehmens nach dem Firmenbuch angeführt wird.
15 Hinsichtlich der im Spruch angelasteten Tathandlungen legt der Revisionswerber eine grob fehlerhafte und unvertretbare Beurteilung des Verwaltungsgerichtes im Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht dar:
16 Der Revisionswerber zeigt nicht auf, dass er der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt wäre oder eine nähere Konkretisierung der von ihm verletzten Pflichten geboten gewesen wäre, weil es ihm als Beschuldigten zweifelhaft gewesen sei, welche konkrete Taten ihm vorgeworfen worden seien. Hinsichtlich der ersten Übertretung ist dem Spruch zweifelsfrei zu entnehmen, welches Verhalten dem Revisionswerber konkret angelastet wird (Unterlassen der notwendigen Unterweisungen an Dritte hinsichtlich der Gefahren des Durchbruches der Glasdachkuppeln); die „Dritten“ werden durch die Anführung des Arbeitsunfalles am 11. März 2024 näher bestimmt. Da der Spruch § 8 Abs. 2 ASchG nennt, sind sämtliche Ziffern dieser Bestimmung umfasst. Hinsichtlich der zweiten Übertretung ist auszuführen, dass dort keine alternative Tatanlastung erfolgt, sondern das vom Revisionswerber unterlassene Verhalten näher umschrieben wird; das „bzw.“ ist dabei als nähere Konkretisierung im Hinblick auf die (unterlassenen) Sicherungsmaßnahmen in Bezug auf die Glaskuppel zu verstehen. Anders als der Revisionswerber vermeint, sind auch die „geeigneten“ Maßnahmen im Spruch näher umschrieben (Umwehrungen, Fallschutznetz u.a.).
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 23. September 2025
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