Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Chvosta und Mag. Schartner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Wagner, über die Revision des S B, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. April 2024, W294 2289236 1/24E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der im Jahr 2002 geborene Revisionswerber, ein marokkanischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 13. November 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 27. Juli 2022 zur Gänze abwies. Unter einem erteilte es dem Revisionswerber (von Amts wegen) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig sei. Ferner gewährte es dem Revisionswerber keine Frist für die freiwillige Ausreise und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab.
2 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 25. August 2022 rechtskräftig als unbegründet ab. Der Revisionswerber kam seiner Ausreiseverpflichtung in der Folge jedoch nicht nach und verblieb in Österreich, wobei er im Zeitraum vom 24. März 2023 bis 12. Dezember 2023 über keinen behördlich gemeldeten Wohnsitz verfügte.
3 In Folge des am 22. Dezember 2023 durch das BFA eingeleiteten Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates stellte die marokkanische Botschaft am 20. März 2024 für den Revisionswerber ein Ersatzreisedokument mit einer Gültigkeit bis zum 20. Mai 2024 aus.
4 Am 25. März 2024 wurde der Revisionswerber in Vollziehung eines auf § 34 Abs. 3 Z 3 BFA VG gestützten Festnahmeauftrages des BFA an seiner Wohnadresse festgenommen und in ein Anhaltezentrum überstellt. Noch am selben Tag wurde ihm die Information über seine für den 27. März 2024 geplante Abschiebung nach Marokko ausgefolgt.
5 Am 26. März 2024 stellte der Revisionswerber im Stande der Anhaltung einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, wobei die Erstbefragung abgebrochen werden musste, weil der Revisionswerber nur im Beisein seiner Rechtsvertretung befragt werden wollte. Mit Aktenvermerk vom selben Tag teilte ihm das BFA mit, dass iSd § 40 Abs. 5 BFAVG Gründe zur Annahme bestünden, dass der Folgeantrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt worden sei und daher die Anhaltung aufgrund des Festnahmeauftrags für insgesamt bis zu 72 Stunden aufrechterhalten bleibe. Mit Mandatsbescheid ebenfalls vom 26. März 2024 stellte des BFA fest, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs. 4 Z 1 und 2 AsylG 2005 nicht vorlägen und der (dem Revisionswerber in dieser Konstellation von Gesetzes wegen gemäß § 12a Abs. 3 AsylG 2005 nicht zukommende) faktische Abschiebeschutz nicht zuerkannt werde.
6Am 27. März 2024 widersetzte sich der Revisionswerber durch körperlichen Widerstand seiner Abschiebung, weswegen sie abgebrochen und er in das Anhaltezentrum rücküberstellt werden musste. Mit Mandatsbescheid vom selben Tag verhängte das BFA über den Revisionswerber sodann gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung.
7Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 2. April 2024 wies das BVwG gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 Z 3 BFA VG die gegen den Schubhaftbescheid und die darauf gegründete Anhaltung erhobene Beschwerde des Revisionswerbers vom 27. März 2024 als unbegründet ab. Unter einem stellte es gemäß § 22a Abs. 3 BFAVG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin vorlägen. Schließlich traf es diesem Verfahrensergebnis entsprechende Kostenentscheidungen und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gegenständliche außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
9 Nach dieser Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
11Unter diesem Gesichtspunkt wendet sich der Revisionswerber gegen das Unterbleiben der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung. Das BVwG habe nicht von einem geklärten Sachverhalt ausgehen dürfen. Es habe das Vorbringen des Revisionswerbers bezüglich des Bestehens einer Lebensgemeinschaft als nicht nachvollziehbar erachtet, obwohl zu Beweiszwecken die Zeugeneinvernahme seines Lebensgefährten beantragt worden sei. Bei Durchführung der mündlichen Verhandlung hätte der Revisionswerber einen persönlichen Eindruck bezüglich seiner für die Verhängung eines gelinderen Mittels relevanten Kooperationsbereitschaft vermitteln können. Darüber hinaus sei der Revisionswerber weder zum Zeitpunkt der Entscheidung noch in weiterer Folge bis zu seiner Abschiebung zu den Gründen der Stellung des Asylfolgeantrages befragt worden. Das BVwG hätte auch umfassend prüfen müssen, ob die Voraussetzungen des § 50 FPG vorlägen.
12 Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass nicht in allen Fällen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks erforderlich ist, um die konkrete Fluchtgefahr insbesondere im Hinblick auf eine mangelnde Vertrauenswürdigkeit des betreffenden Fremdenbeurteilen zu können. Sie lässt sich vielmehr auch aus einem einschlägigen Vorverhalten ableiten (vgl. etwa VwGH 18.12.2024, Ra 2024/21/0026, Rn. 11, mwN).
13 Vor diesem Hintergrund stützte sich das BVwG zutreffend darauf, dass der Revisionswerber seiner Ausreiseverpflichtung trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung nicht nachkam und seine Abschiebung schon einmal (durch körperlichen Widerstand) verhinderte. Ebenso berücksichtigte das BVwG zu Recht, dass der Revisionswerber die Meldevorschriften in Österreich zeitweise nicht eingehalten hatte und untergetaucht war. Angesichts dieses Vorverhaltens durfte das BVwG unabhängig von einer wie in der Beschwerde und der Revision behaupteten sozialen Verankerung des Revisionswerbers in Österreich in vertretbarer Weise (weiterhin) das Vorliegen von Fluchtgefahr annehmen, die für das Ausreichen eines gelinderen Mittels erforderliche Kooperationsbereitschaft des Revisionswerbers verneinen, insoweit auch einen geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA VG annehmen und damit von der Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ausgehen.
14Im Hinblick auf die vom Revisionswerber erkennbar vertretene Auffassung, das BVwG hätte vor dem Hintergrund der erstmals in der Beschwerde vorgebrachten sexuellen Orientierung des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung prüfen müssen, ob ein Abschiebeverbot iSd § 50 FPG vorliege, genügt es, darauf hinzuweisen, dass dieses Vorbringen angesichts des Umstandes der erst nach der Festnahme erfolgten Folgeantragstellung fallbezogen nicht geeignet ist, die ansonsten nicht konkret bekämpfte Annahme des BFA der Rechtsmissbräuchlichkeit der Antragstellung in Zweifel zu ziehen. Die in der Schubhaftbeschwerde ohne nähere Begründung enthaltene Behauptung, der Revisionswerber sei homosexuell, und es drohten ihm im Falle der Abschiebung nach Marokko Verletzungen nach Art. 2, 3 und 8 EMRK, reicht hierfür jedenfalls nicht aus, sodass dem BVwG auch insoweit kein Verfahrensfehler anzulasten ist.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 30. September 2025
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