Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. M. Mayr als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, in der Rechtssache der Revision des M K in K, vertreten durch Mag. Johannes Götsch, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Liebeneggstraße 6, dieser vertreten durch Dr. Max Kapferer, Mag. Thomas Lechner und Dr. Martin Dellasega, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2024, W184 22867081/3E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 12. Oktober 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Mit Bescheid vom 19. Jänner 2024 wurde der Antrag vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, dem Revisionswerber jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen die Versagung der Gewährung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisiongemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
7 Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision wirdgestützt auf § 24 VwGVG geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht habe zu Unrecht keine Verhandlung durchgeführt.
8 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass für den Anwendungsbereich der vom BFA Verfahrensgesetz (BFA VG) erfassten Verfahren § 21 Abs. 7 BFA VG eigene Regelungen enthält, wann auch: trotz Vorliegens eines Antragesvon der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann. Lediglich „im Übrigen“ sollen die Regelungen des § 24 VwGVG anwendbar bleiben. Somit ist bei der Beurteilung, ob in vom BFA VG erfassten Verfahren von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann, neben § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG in seinem Anwendungsbereich die Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFAVG, nicht aber die bloß als subsidiär anwendbar ausgestaltete Norm des § 24 Abs. 4 VwGVG, als maßgeblich heranzuziehen (vgl. VwGH 18.5.2017; Ra 2017/20/0118, mwN).
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob im Sinn des hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Satz BFA VG „der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich:
10 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. dazu ausführlich VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; sowie aus der folgenden Rechtsprechung etwa VwGH 31.5.2024, Ra 2024/20/0286, mwN).
11Insofern der Revisionswerber einen Verstoß gegen § 24 Abs. 4 VwGVG ohne konkrete Darlegung, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht verortet, verkennt dieser die Rechtslage.
12 Dem Revisionswerber gelingt es insbesondere nicht darzutun, dass das Bundesverwaltungsgericht von den oben dargestellten Leitlinien zu § 21 Abs. 7 BFA VG abgewichen wäre.
13 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision zunächst vor, er habe in „seiner Beschwerde explizit die Feststellung, wonach er und seine Familie nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung in den Libanon geflohen seien“ bekämpft, ebenso die Feststellung, wonach er lediglich „den Krieg“ als Fluchtgrund angegeben habe. Der Revisionswerber zeigt dabei aber nicht auf, dass er einen dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehenden oder darüber hinausgehenden, für die Beurteilung relevanten Sachverhalt behauptet hätte. Dasselbe gilt für die Ausführungen des Revisionswerbers, er habe in der Beschwerde vorgebracht, dass er als minderjähriger Junge aus dem Departement Deir ez Zor von Zwangsrekrutierungen betroffen sei.
14 Wenn der Revisionswerber zur Zulässigkeit seiner Revision weiters behauptet, das Bundesverwaltungsgericht hätte zur Überzeugung gelangen müssen, er sei „als soziale Gruppe der Familie aus Furcht vor Verfolgungshandlungen in den Libanon geflohen“, ist anzumerken, dass seine Beschwerde ein solches Vorbringen nicht enthält.
15 Soweit in der Revision vorgebracht wird, es sei in der Beschwerde substantiiert die Feststellung bekämpft worden, dass der Revisionswerber im Libanon nicht entführt worden sei, zeigt der Revisionswerber in diesem Zusammenhang nicht auf, dass dieser Umstand für die Beurteilung des Bestehens einer asylrelevanten Verfolgung in seinem Heimatstaat entscheidungserheblich wäre.
16 Schließlich bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision vor, er habe in der Beschwerde die Annahme des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl „detailliert“ bekämpft, wonach die vom Revisionswerber behauptete Entführung in Syrien stattgefunden habe, dieser jedoch keine Zwangsrekrutierungsabsicht zugrunde gelegen sei. In der Beschwerde sei auf Länderinformationen verwiesen worden, woraus deutlich hervorgehe, dass Kinder bereits ab dem 6. Lebensjahr von Zwangsrekrutierungen betroffen seien. Ob seine Angaben zutreffen, dass die kurdischen Milizen ihm gedroht oder ernsthaft versucht hätten, ihn zwangsweise zu rekrutieren, hätte das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu klären gehabt.
17 Dem ist entgegenzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht ebenso wie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seine Feststellungen im Zusammenhang mit der behaupteten drohenden Zwangsrekrutierung maßgeblich auf die Länderinformationen gestützt hat. Überdies tritt der Revisionswerber der Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach sich sein Herkunftsort unter der Kontrolle der syrischen Regierung somit nicht im Zugriffbereich der Kurden befinde, nicht entgegen.
18 Soweit der Revisionswerber im Rahmen der Begründung der Zulässigkeit der Revision vorbringt, das Bundesverwaltungsgericht habe gegen das Überraschungsverbot verstoßen, weil ihm die seitens des Bundesverwaltungsgerichteseingebrachten Länderberichte nicht zugestellt worden seien und er daher keine Möglichkeit gehabt habe, sich dazu zu äußern, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach unter dem Überraschungsverbot, das Verbot zu verstehen ist, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren. Auch führt ein Verstoß gegen das Überraschungsverbot nur dann zu einer Aufhebung der beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erledigung, wenn diesem Verfahrensmangel Relevanz zukommt, was im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof darzulegen ist (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0421, mwN).
19 Der Revisionswerber zeigt die Relevanz dieses Verfahrensmangels nicht auf, weil nicht dargelegt wird, welche Feststellungen das Bundesverwaltungsgericht mangelhaft getroffen habe und was er vorgebracht hätte, das zu einem anderen Ergebnis in der Sache hätte führen können.
20 In der Revision wird sohin keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 25. Oktober 2024
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