Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter und die Hofrätinnen Dr. in Gröger und Dr. in Sabetzer als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des V F, vertreten durch Mag. a Hela Ayni Rahmanzai, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Invalidenstraße 11 Top 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 2024, W242 2272251 1/5E und W242 2272251 2/6E, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Beschwerde in einer Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 2. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, den er im Verlauf des Verfahrens damit begründete, dass er auf aufgrund seiner Konversion zum Christentum in seinem Heimatland Verfolgung befürchte.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gab diesem Antrag mit rechtskräftigem Bescheid vom 3. Februar 2017 statt, erkannte dem Revisionswerber gemäß § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) den Status des Asylberechtigten zu und stellte fest, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
3 Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11. März 2022 wurde u.a. der Revisionswerber wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 2, Abs. 4 Z 3 Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren nach § 28a Abs. 4 SMG verurteilt. Der dagegen u.a. vom Revisionswerber erhobenen Berufung wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 17. Jänner 2023 nicht Folge gegeben.
4 Mit Bescheid vom 6. Februar 2022 [erkennbar gemeint: 2023] erkannte das BFA dem Revisionswerber nach Einleitung eines Aberkennungsverfahrens am 24. Juni 2022 und Durchführung einer niederschriftlichen Einvernahme am 24. August 2022 den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Des Weiteren wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Iran unzulässig sei.
5 Dieser Bescheid wurde an die Meldeadresse des Revisionswerbers gesandt und dort ausweislich des im Verwaltungsakt enthaltenen Postrückscheins nach einem Zustellversuch am 15. Februar 2023 unter Zurücklassung einer Verständigung in der Abgabeeinrichtung des Revisionswerbers hinterlegt; der Beginn der Abholfrist wurde auf dem Rückschein mit 16. Februar 2023 vermerkt.
6 Am 17. April 2023 brachte der Revisionswerber beim BFA einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 6. Februar 2023 ein und erhob zugleich eine Beschwerde gegen diesen Bescheid. Den Antrag auf Wiedereinsetzung begründete er im Wesentlichen damit, dass er aufgrund seiner mangelnden Kenntnisse der deutschen Sprache sowie infolge eines Verständnisproblems hinsichtlich der dem Bescheid beiliegenden Rechtsmittelbelehrung in seiner Muttersprache der irrigen Ansicht gewesen sei, gegen den Bescheid kein Rechtsmittel erheben zu können. Dieser Irrtum beruhe auf einem minderen Grad des Versehens, zumal der Revisionswerber aufgrund seines bevorstehenden Haftantritts psychisch und physisch in einer „äußerst schlechten Verfassung“ gewesen sei.
7 In weiterer Folge wies das BFA mit Bescheid vom 3. Mai 2023 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab (Spruchpunkt I.) und erkannte diesem Antrag die aufschiebende Wirkung zu (Spruchpunkt II.).
8 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 3. Mai 2023 erhobene Beschwerde betreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab (Spruchpunkt A I.) und die gegen den Bescheid vom 6. Februar 2023 erhobene Beschwerde als verspätet zurück (Spruchpunkt A II.). Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B).
9 Das BVwG legte seiner Begründung zu Spruchpunkt A I. im Wesentlichen zugrunde, dass der Bescheid des BFA vom 6. Februar 2023 dem Revisionswerber durch Hinterlegung an seiner Meldeadresse gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz (ZustG) mit dem ersten Tag der Abholfrist somit am 16. Februar 2023 rechtswirksam zugestellt worden sei, und stellte dazu fest, dass der Revisionswerber gemeinsam mit dem Bescheid die (auch in seine Muttersprache übersetzte) Verfahrensanordnung des BFA vom 7. Februar 2023 erhalten habe, mit der ihm für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem BVwG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt worden sei. Wie der Beschwerde entnommen werden könne, seien die behördlichen Erledigungen in den Verfügungsbereich des Revisionswerbers gelangt, und er habe beide zur Kenntnis genommen, sei aber auch nach Rücksprache mit einer Bekannten davon ausgegangen, dass er kein Rechtsmittel gegen den Bescheid erheben könne. Am 7. April 2023 habe er Kenntnis von der Säumnis erlangt und sodann den vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht.
10 Rechtlich folgerte das BVwG, es könne auch wenn der Revisionswerber aufgrund der (bevorstehenden) Haft womöglich gestresst sowie in einer schlechten Verfassung gewesen sei keinesfalls davon ausgegangen werden, dass seine Dispositionsfähigkeit derart eingeschränkt gewesen sei, dass er sich nicht an die Rechtsberatung oder etwa an die belangte Behörde wenden hätte können. Aus dem Informationsblatt gehe eindeutig hervor, dass der Revisionswerber sich aufgrund der laufenden Rechtsmittelfrist unverzüglich mit dem Rechtsberater in Verbindung setzen solle. Der Revisionswerber sei somit ausreichend über seine Möglichkeiten informiert gewesen und habe „auffallend sorglos“ gehandelt, indem er sich nicht an eine rechtskundige Person gewandt habe. Das BFA treffe im gegenständlichen Fall jedenfalls kein Verschulden, da dessen Erledigungen keine relevanten Mängel enthielten und auch keine unrichtigen Auskünfte erteilt worden seien. Eine Einvernahme des Revisionswerbers oder seiner Bekannten habe insofern unterbleiben können, da sich aus den vorgebrachten Angaben bereits zweifellos ergebe, dass den Revisionswerber nicht bloß ein Versehen minderen Grades treffe. Nach der (näher zitierten) Judikatur des VwGH treffe in Anbetracht der Bedeutung von Rechtsmittelfristen jede Partei in Bezug auf deren Einhaltung eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Der Bescheid des BFA vom 6. Februar 2023 enthalte eine ordnungsgemäße Übersetzung des Spruchs, weshalb dem Revisionswerber dessen Bedeutung bewusst sein habe müssen und auch aus diesem Grund zu erwarten gewesen wäre, dass er besonders aufmerksam und sorgfältig handeln würde.
11 Das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung begründete das BVwG im Wesentlichen damit, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt erscheine und eine weitere Klärung weder notwendig noch zu erwarten sei. Der Revisionswerber habe hinreichend Gelegenheit gehabt, sämtliche Gründe für den behaupteten „minderen Grad des Verstehens“ an der Fristversäumnis im gegenständlichen Fall darzulegen.
12 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit geltend macht, das BVwG habe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Der Revisionswerber sei zu keinem Zeitpunkt über die für die Wiedereinsetzung relevanten Gründe befragt worden. Zudem habe das BVwG eine mündliche Verhandlung zwar anberaumt, aber ohne Angaben von Gründen kurzfristig wieder abberaumt und dadurch das Recht des Revisionswerbers auf Parteiengehör verletzt. Hätte das BVwG sich ein persönliches Bild vom Revisionswerber gemacht, wäre es zum Ergebnis gekommen, dass wesentliche private und familiäre Interessen vorlägen, die „unweigerlich zur Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels“ geführt hätten.
13 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
14 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17 Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA VG kann eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG dann unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG (vgl. zu den Kriterien, wann die Verhandlung nach diesem Tatbestand unterbleiben kann, grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018).
18 Die Revision zeigt mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf, dass das BVwG fallbezogen nicht von einem geklärten Sachverhalt hätte ausgehen dürfen. Sie übersieht, dass gegenständlich nur die Beurteilung der Wiedereinsetzungsgründe in Frage stand, nicht aber die von ihr als klärungsbedürftig angesehenen privaten und familiären Interessen im Hinblick auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Die Zurückweisung der Beschwerde als verspätet konnte im Übrigen gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG (ebenfalls) ohne Durchführung einer Verhandlung erfolgen (vgl. etwa VwGH 27.4.2021, Ra 2021/14/0103).
19 Dem Vorbringen, das BVwG habe eine mündliche Verhandlung zwar anberaumt, aber ohne Angaben von Gründen kurzfristig wieder abberaumt und dadurch das Recht des Revisionswerbers auf Parteiengehör verletzt, sodass dieser zu keinem Zeitpunkt über die für die Wiedereinsetzung relevanten Gründe befragt worden sei, kommt damit ebenfalls keine Berechtigung zu.
20 In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass sich aus der ständigen hg. Rechtsprechung eine Verpflichtung des Wiedereinsetzungswerbers zur Konkretisierung aller Umstände, die es ermöglichen, das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes zu beurteilen, ergibt. Der Wiedereinsetzungswerber hat von sich aus initiativ alles vorzubringen, was die Annahme eines die Rechtzeitigkeit der Vornahme einer Prozesshandlung hindernden Umstandes begründen kann (vgl. z.B. VwGH 23.3.2021, Ra 2020/12/0082, mwN).
21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 13. Juni 2024
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