Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak, den Hofrat Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr. in Lachmayer als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der B GmbH (vormals D GmbH), vertreten durch die Prof. Dr. Josef Schlager Wirtschaftstreuhand GmbH in Linz, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 18. Juni 2024, Zl. RV/5100183/2024, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Versäumung der Beschwerdefrist), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Die Rechtsvorgängerin der revisionswerbenden GmbH hat nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) der S GmbH einen Auftrag erteilt, sie u.a. in allen steuerlichen Angelegenheiten zu vertreten und insbesondere auch Rechtsmittel einzubringen. In der S GmbH waren Mag. Z und weitere vier Personen in der Geschäftsführung tätig, die allesamt die Befugnis als Wirtschaftsprüfer/in und Steuerberater/in hatten. Darüber hinaus war acht Mitarbeitenden der Kanzlei Prokura erteilt worden.
2 Aufgrund einer Außenprüfung erging ein Haftungsbescheid betreffend Lohnsteuer 2013, der der Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin am 27. April 2021 in deren Databox über Finanzonline zugestellt und in der Folge durch deren Buchhalter am 18. Mai 2021 per E Mail an Mag. Z in sein persönliches Emailpostfach auf dem Exchangeserver der Kanzlei übermittelt wurde, wobei auf den übermittelten Dokumenten kein Eingangsvermerk angebracht war.
3 Am 10. Mai 2021 war der Vater von Mag. Z verstorben.
4 Am 25. Mai 2021, dem ersten Werktag nach dessen Begräbnis, übergab Mag. Z den von ihm ausgedruckten Haftungsbescheid an Frau X im Sekretariat, deren Aufgabe u.a. die selbstständige Eintragung von Rechtsmittelfristen war, wobei er ihr keine Instruktionen betreffend Eintragung der Rechtsmittelfrist erteilte. Frau X arbeitete seit 11. Jänner 2021 bei der S GmbH und war davor ca. ein halbes Jahr in einer anderen Steuerberatungs GmbH tätig. Bei Antritt ihrer Tätigkeit hatte Frau X eine Einschulung von ihrer Vorgängerin erhalten. In der S GmbH werden Fristvormerkungen EDV unterstützt mit der Kanzleisoftware geführt, und lag ein Organisations und Qualitätssicherungshandbuch betreffend Fristenverwaltung vor, das Frau X bekannt war und an dessen Vorgaben sie sich zu halten hatte. Frau X erfasste den Haftungsbescheid vom 26. April 2021 nicht in der Kanzleisoftware. Eine Kontrolle, ob ein Fristvormerk vorgenommen wurde, erfolgte weder durch einen Geschäftsführer noch durch einen Prokuristen der S GmbH. Innerhalb der Beschwerdefrist wurde kein Rechtsmittel gegen den Haftungsbescheid erhoben.
5 Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist wurde am 7. Juni 2021 ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist gestellt und Beschwerde gegen den Haftungsbescheid erhoben.
6 Das Finanzamt wies den Wiedereinsetzungsantrag ab, woraufhin die Revisionswerberin Beschwerde erhob und nach Erlass einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung die Vorlage der Beschwerde an das BFG beantragte.
7 Das BFG wies die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. Begründend führte es aus, dass die steuerliche Vertretung es zum einen verabsäumt habe, die richtige Eintragung der Frist durch die Kanzleikraft X zu kontrollieren. So habe Mag. Z der Sekretärin, als er die Haftungsbescheide weitergeleitet habe, keine Instruktionen betreffend Eintragung der Rechtsmittelfrist erteilt und die korrekte Eintragung in das Kanzleisystem bzw. die korrekte Fristsetzung nicht kontrolliert. Es sei nicht ausreichend, die Festsetzung einer Rechtsmittelfrist völlig einer Kanzleikraft zu überlassen und sich nur auf stichprobenartige Kontrollen zu beschränken. Überdies ergebe sich aus dem vorgelegten Organisations und Qualitätssicherungshandbuch betreffend Fristenverwaltung sowie der Aussage der Zeugin X, dass im Falle der Nichterfassung einer Frist betreffend Erhebung eines Rechtsmittels gegen einen Bescheid eines Finanzamtes im Kanzleisystem gar keine organisatorischen Kontrolleinrichtungen gegen eine Fristversäumung vorgesehen seien, weil das von der Zeugin bei ihrer Vernehmung angesprochene „6 Augen Prinzip“, das auch eine Überprüfung der richtigen Eintragung der Frist durch den Steuerberater / die Steuerberaterin vorsehe, nur dann greife, wenn die Frist hinsichtlich der anzufechtenden Bescheide überhaupt im Kanzleisystem erfasst worden sei. Dass aufgrund des Todes des Vaters von Mag. Z ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis in Bezug auf die von der S GmbH als steuerliche Vertreterin zu beachtende Rechtsmittelfrist eingetreten sei, liege ebenso nicht vor. So könne dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht entnommen werden, warum Mag. Z keinen anderen der vier Geschäftsführer oder acht Prokuristen mit der Betreuung des Aktes betraut habe.
8 Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das BFG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach eine entsprechende Vorsorge durch eine Kanzleiorganisation, die das richtige Setzen von Verfahrenshandlungen wie die fristgerechte Einbringung von Rechtmitteln als gesichert erscheinen lasse, ein Verschulden des Parteivertreters auch dann ausschließen könne, wenn ein Verschulden einer einzelnen Kanzleiangestellten (hier: durch eine falsche Erfassung ohne Fristenlauf) vorliege. Zudem sei das BFG dadurch von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 4.3.1986, 84/14/0064) abgewichen, dass es im Ableben des Vaters von Mag. Z kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis gesehen habe, das Auswirkungen auf dessen professionelle Arbeitsweise gehabt habe, was man ihm im Revisionsfall nicht vorwerfen könne.
9 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Die Frage, ob ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden der Partei zur Fristversäumung geführt hat oder ob ein Wiedereinsetzungsgrund ausreichend bescheinigt ist, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes und stellt daher regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2019/15/0042, mwN).
14 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (VwGH 26.11.2015, 2012/15/0097).
15 Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei sohin nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. VwGH 19.5.1983, 83/15/0025; sowie zum VwGG VwGH 7.9.2023, Ra 2023/15/0001).
16 Das Versehen einer Kanzleikraft eines bevollmächtigten berufsmäßigen Parteienvertreters ist ihm (und damit der Partei) dann als Verschulden anzulasten, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber der Kanzleikraft verletzt hat. Ein berufsmäßiger Parteienvertreter hat die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von mit Präklusion sanktionierten Prozesshandlungen gesichert erscheint. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen u.a. dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (VwGH 22.10.2024, Ra 2024/13/0104).
17 Für die richtige Beachtung einer Rechtsmittel oder Beschwerdefrist in einem bestimmten Fall ist in einer Kanzlei grundsätzlich immer der berufsmäßige Parteienvertreter selbst verantwortlich, der beispielsweise selbst die entsprechende Frist festsetzen, ihre Vormerkung anordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gegenüber seinen Kanzleikräften bestehenden Aufsichtspflicht überwachen muss (VwGH 6.10.1994, 93/16/0075, mwN).
18 Im Revisionsfall hat das BFG darin einen Verstoß gegen die gebotene Überwachungspflicht gesehen, dass Mag. Z laut dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag den von ihm ausgedruckten Lohnsteuerhaftungsbescheid am 25. Mai 2021 und damit erst zwei Tage vor Ablauf der Beschwerdefrist der betreffenden Mitarbeiterin in der Kanzlei übergeben hat und nach der Übergabe des ausgedruckten Lohnsteuerhaftungsbescheides an die Kanzleikraft keinerlei Kontrolle der Eintragung der Beschwerdefrist in das von der steuerlichen Vertretung geführte Fristvormerksystem erfolgt ist.
19 Dass das BFG mit dieser Schlussfolgerung von der oben zitierten hg. Rechtsprechung zur den berufsmäßigen Parteienvertreter treffenden Überwachungspflicht abgewichen wäre, ist im Lichte der Revisionsausführungen nicht erkennbar.
20 Schließlich bringt die Revision vor, das BFG sei vom hg. Erkenntnis vom 4. März 1986, 84/14/0064, abgewichen, weil „aufgrund der Ausnahmesituation durch das Ableben des Vaters ein Vergessen des Weiterleitens der am 18. Mai 2021 erhaltenen E Mail anzunehmen“ sei. Nach seiner Rückkehr in die Kanzlei habe Mag. Z den erhaltenen Bescheid an die Kanzleimitarbeiterin übergeben, und sei dann die Vormerkung der Frist unterblieben, weshalb es zur Fristversäumnis gekommen sei.
21 Auch mit diesem Zulässigkeitsvorbringen wird kein Abweichen des BFG von der hg. Rechtsprechung dargetan.
22 Im zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass bei einem familiären Todesfall im Rahmen des Verschuldens zu prüfen sei, ob die Fristversäumung trotz der dadurch ausgelösten psychischen Beeinträchtigung zu vermeiden gewesen wäre und die Säumnis sohin auf Verschulden zurückzuführen sei. Dies wurde im damaligen Fall deswegen bejaht, weil der Beschwerdeführer angesichts verschiedener in der Zeit durchgeführter Tätigkeiten nicht dispositionsunfähig gewesen sei.
23 Auch im Revisionsfall wird nicht vorgebracht, dass Mag. Z dispositionsunfähig gewesen wäre. Zudem hat er die E Mail bei seiner Rückkehr in die Kanzlei an Frau X übergeben (und in der Folge die weitere Überwachung der Fristeintragung unterlassen).
24 Zutreffender Weise hat das BFG festgehalten, dass Mag. Z auch jederzeit einen der anderen Geschäftsführer bzw. einen der mit Prokura ausgestatteten Mitarbeitenden mit dem Fall hätte betrauen können und zwar auch bereits bei Weiterleitung der E Mails vom 18. Mai 2021 aus dem Homeoffice. Dass eine solche Disposition auch im Lichte der Begräbnisorganisation nicht möglich gewesen wäre, ergebe sich so das BFG aus den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht.
25 Wenn das BFG vor diesem Hintergrund von einem die Wiedereinsetzung ausschließenden, den minderen Grad des Versehens überschreitenden Verschulden des berufsmäßigen Parteienvertreters (und damit der Partei) ausgegangen ist, so liegt darin keine die Zulässigkeit der Revision begründende Fehlbeurteilung vor.
26 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 8. September 2025
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