Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und die Hofrätin MMag. Ginthör, den Hofrat Dr. Faber sowie die Hofrätinnen Dr. in Oswald und Dr. Kronegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des C R in D, vertreten durch die Wohlmuth Rechtsanwalts GmbH Co KG in 8430 Leibnitz, Hauptplatz 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 5. Mai 2022, Zl. KLVwG 2294 2295/4/2021, betreffend Übertretung des Öffnungszeitengesetzes 2003 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 3. November 2021 wurde der Revisionswerber für schuldig befunden, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der m.A. GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft, die zur Ausübung des Gewerbes „Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe und Handelsagent“ berechtigt sei, zwei Verkaufsstellen an näher genannten Standorten zu näher genannten Uhrzeiten an einem Samstag vor 6:00 Uhr und nach 18:00 Uhr sowie an einem Sonntag nicht geschlossen gehalten und dadurch gegen § 3 iVm § 11 des Öffnungszeitengesetzes 2003 verstoßen habe. Über den Revisionswerber wurden deshalb gemäß § 11 des Öffnungszeitengesetzes 2003 iVm § 368 der Gewerbeordnung 1994GewO 1994 zwei Geldstrafen in Höhe von jeweils € 150, samt Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.
2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab, bestätigte das bei ihm angefochtene Straferkenntnis mit einer für das Revisionsverfahren irrelevanten Maßgabe und verpflichtete den Revisionswerber zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber sei gewerberechtlicher Geschäftsführer der m.A. GmbH, die ein Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe und Handelsagent betreibe. Die Gesellschaft betreibe sogenannte „Ackerboxen“. Dabei handle es sich um mit dem Boden nicht fest verbundene Container, in denen sich eine Heizung, Kühlschränke etc. und eine Klimaanlage befänden. Dort würden landwirtschaftliche Erzeugnisse angeboten, die vom Revisionswerber selbst erzeugt, aber auch von anderen Landwirten angeboten würden, sowie Produkte von Bäckern und Fleischern aus der direkten Umgebung der jeweiligen „Ackerbox“. Derzeit betreibe die m.A GmbH fünf „Ackerboxen“. Mitarbeiter seien keine vor Ort.
4 Der Ablauf des Verkaufs von Waren durch die m.A. GmbH gehe so vor sich, dass der Kunde die „Ackerbox“ betrete, sich die Waren aussuche und zum Bezahlterminal der Kassa gehe. Er scanne die Produkte selbständig mit einem Strichcode ein; im Fall dass kein Strichcode ausgewiesen sei, wähle der Kunde die Produkte selbständig in der Produktübersicht aus. Zum Abschluss wähle er zwischen Barzahlung, Bankomatzahlung, Kreditzahlung usw, packe die Ware selbständig ein und verlasse die „Ackerbox“.
5 Zwei näher genannte Verkaufsstellen der m.A. GmbH an zwei näher genannten Standorten seien am Samstag, den 14. August 2021 um 02:15 Uhr und um 18.30 Uhr sowie am Sonntag, den 15. August 2021 um 02:55 Uhr und um 15.45 Uhr bzw. am Samstag, den 14. August 2021 um 18:40 Uhr sowie am Sonntag, den 15. August 2021 um 15:30 Uhr offen und frei zugänglich gewesen.
6 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, § 4 des Öffnungszeitengesetzes 2003 sehe vor, dass Verkaufsstellen iSd § 1 leg. cit. an Montagen bis Freitagen von 6:00 Uhr bis 21:00 Uhr und an Samstagen von 6:00 Uhr bis 18:00 Uhr offengehalten werden dürften und die Gesamtoffenhaltezeit von 72 Stunden innerhalb einer Kalenderwoche nicht überschritten werden dürfe.
7Das Öffnungszeitengesetz 2003 gelte nach dessen § 1 Abs. 1 für alle ständigen und nichtständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen (Läden und sonstige Verkaufsstellen) von Unternehmungen, die der GewO 1994 unterliegen. Die Tätigkeit der m.A. GmbH unterliege der GewO 1994. Es liege insbesondere kein „Bauernmarkt“ iSd § 286 Abs. 3 GewO 1994 vor.
8 § 2 Z 1 des Öffnungszeitengesetzes 2003 nehme zwar die Warenabgabe aus Automaten vom Anwendungsbereich des Gesetzes aus. Das Vorbringen des Revisionswerbers, bei den verfahrensgegenständlichen Verkaufscontainern handle es sich um Automaten, zumal diese selbst bedient würden und sie auch die sonstigen Kriterien eines Automaten aufwiesen, sei aber nicht berechtigt. Der historische Gesetzgeber habe derartige Container nicht gemeint, sondern habe „Automaten wie z.B. Zigarettenautomat, Kaugummiautomat etc. im Focus“ gehabt.
9Auch § 52 GewO 1994 beziehe sich auf Automaten, die dazu bestimmt seien, von den Kunden selbst bedient zu werden. Fallgegenständlich handle es sich jedoch um Verkaufscontainer, die von jedermann betreten werden könnten. Diese Art des Verkaufs sei mit einem Selbstbedienungsbetrieb gleichzusetzen. Dass an den verfahrensgegenständlichen Verkaufsstellen keine Mitarbeiter anwesend seien, ändere daran ebensowenig wie der Umstand, dass die Montage und Demontage der „Ackerboxen“ mit wenig Arbeitsaufwand erfolgen könne und sie keine feste Verbindung zum Boden aufwiesen. Im Übrigen werde auf die Gesetzesmaterialien zu den „Automatentankstellen“ verwiesen. Dort werde auch mit Hinweis auf eine Wortinterpretation des Begriffes „Automat“ ausgeführt, dass diese Tankstellen keine Automaten seien. Das lasse sich auf den verfahrensgegenständlichen Fall übertragen.
10 Im Übrigen diene das Öffnungszeitengesetz 2003 auch dem fairen Wettbewerb. Das Geschäftsmodell des Revisionswerbers sei durchaus in Konkurrenz zum „traditionellen Einzelhandel“ zu sehen, der dem Öffnungszeitengesetz 2003 unterliege.
11 3. Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Beschwerde mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2023, E 1604/2022 (VfSlg. 20.658/2023), abwies und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
12 Im vom Verwaltungsgerichtshof über die sodann fristgerecht eingebrachte Revision durchgeführten Vorverfahren erstattete die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung.
134. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
14 4.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung zu der Frage, ob Selbstbedienungsläden bzw. Automaten, wie die „Ackerboxen“, unter den Begriff eines Automaten iSd § 2 Z 1 des Öffnungszeitengesetzes 2003 zu subsumieren seien. Es bestehe auch noch keine Rechtsprechung dazu, ob das Öffnungszeitengesetz 2003 überhaupt auf Selbstbedienungsläden, welche wie Automaten betrieben werden und daher ohne die Zuhilfenahme von Arbeitnehmern in Betrieb genommen werden könnten, anzuwenden sei, weil es bei solchen Selbstbedienungsläden keines Schutzes der Arbeitnehmer bedürfe. Eine „Ackerbox“ sei jedenfalls als Automat im gewerberechtlichen Sinn anzusehen, zumal die Kunden jeden einzelnen Schritt selbständig durchführen müssten und etwaige Arbeitnehmer von vornherein nicht anwesend seien. Bei der Normierung des Ausnahmetatbestandes für Automaten im Öffnungszeitengesetz 2003 sei nicht daran gedacht worden, wie sich Automaten ganz grundsätzlich in den nächsten 20 Jahren weiterentwickeln würden, und dass dadurch die Anwesenheit von Arbeitnehmern nicht mehr erforderlich sein werde, weshalb deren Schutz durch das Öffnungszeitengesetz 2003 nicht mehr notwendig sei.
15 Die Revision ist im Hinblick auf dieses Vorbringen zur Klarstellung der Rechtslage zulässig.
16 4.2. Das Öffnungszeitengesetz 2003, BGBl. I Nr. 48 idF BGBl. I Nr. 62/2007, lautet auszugsweise:
„Geltungsbereich
§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten, sofern sich nicht nach § 2 anderes ergibt, für alle ständigen und nichtständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen (Läden und sonstige Verkaufsstellen) von Unternehmungen, die der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) unterliegen.
(...)
§ 2. Von den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind ausgenommen
1. die Warenabgabe aus Automaten;
(...)
§ 3. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes regeln das Offenhalten der Verkaufsstellen (§ 1). An Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen (§ 7 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes) und an Montagen bis 6 Uhr sind die Verkaufsstellen, soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, geschlossen zu halten.
Allgemeine Offenhaltezeiten an Werktagen
§ 4. (1) Die Verkaufsstellen (§ 1) dürfen, soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, an Montagen bis Freitagen von 6 Uhr bis 21 Uhr, an Samstagen von 6 Uhr bis 18 Uhr offen gehalten werden.
(...)
(3) Die Gesamtoffenhaltezeit gemäß Abs. 1 und 2 darf innerhalb einer Kalenderwoche 72 Stunden nicht überschreiten.
(...)
Besondere Offenhaltezeiten für Pendler/innen, Tourismusgebiete und Einkaufsevents
§ 4a. (1) Der Landeshauptmann kann nach Anhörung der zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie unter Berücksichtigung der Einkaufsbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch der am Pendelverkehr zwischen Wohn und Arbeitsort teilnehmenden Berufstätigen, und der Einkaufsbedürfnisse der Touristen sowie besonderer regionaler und örtlicher Gegebenheiten mit Verordnung festlegen, dass die Verkaufsstellen an Werktagen ausgenommen Samstag
1. ab 5 Uhr offen gehalten werden dürfen oder
2. in besonders wichtigen Tourismusorten oder touristisch besonders wichtigen Teilen von Orten über 21 Uhr hinaus offen gehalten werden dürfen oder
3. aus Anlass von Orts und Straßenfesten insbesondere in historischen Orts oder Stadtkernen oder in Gebieten, in denen bedeutende Veranstaltungen stattfinden, am Tag der Veranstaltung über 21 Uhr hinaus offen gehalten werden dürfen oder
4.sofern sie in unmittelbarer Nähe eines für den Kleinverkauf bestimmten Marktes nach § 286 GewO 1994 gelegen sind, für den Verkauf von Waren, die Gegenstand des Marktverkehrs sind, während der Marktzeit offen gehalten werden dürfen, wobei Markttag, zeit und Gemeinde anzuführen sind.
(...)
Sonderregelung für das Wochenende und für Feiertage
§ 5. (1) An Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen und an Montagen bis 6 Uhr dürfen die Verkaufsstellen nur für Verkaufstätigkeiten offen gehalten werden, für die durch Verordnungen gemäß Abs. 2 bis 4 bestimmte Offenhaltezeiten festgelegt wurden.
(...)
Verkaufsstellen bestimmter Art
§ 7. Abweichend von den Regelungen gemäß den §§ 4 bis 6 dürfen offen gehalten werden:
1. Verkaufsstellen in Bahnhöfen und Autobusbahnhöfen, auf Flughäfen und an Schiffslandeplätzen für den Verkauf von Lebensmitteln, Reiseandenken und notwendigem Reisebedarf (Reiselektüre, Schreibmaterialien, Blumen, Reise und Toiletteartikel, Filme und dergleichen) und Artikeln des Trafiksortiments nach Maßgabe der Verkehrszeiten; die dem Verkauf dieser Waren gewidmete Fläche darf pro Verkaufsstelle 80 Quadratmeter nicht übersteigen. Soweit es die Einkaufsbedürfnisse der Reisenden für bestimmte Verkehrseinrichtungen erforderlich machen, kann der Landeshauptmann durch Verordnung die zulässige Fläche von Verkaufsstellen in einem größeren Ausmaß als 80 Quadratmeter festlegen. Als Verkaufsstelle im Sinne dieser Bestimmung ist eine Verkaufsstelle nur dann anzusehen, wenn sie ausschließlich durch die betreffende Verkehrseinrichtung zugänglich ist;
2. Verkaufsstellen für Süßwaren, Erfrischungen und sonstige genussfertige Lebensmittel sowie für Waren, die einen Bezug zur Veranstaltung oder zum Veranstaltungsort haben, in Theatern, Museen und musealen Ausstellungen, Kinos, Konzerthäusern, Kongressgebäuden, Zirkussen und Sporthallen und auf Sportplätzen während der für die Bedienung der Besucher erforderlichen Zeit;
3. Zollfreiläden auf Flughäfen sowie Grenzstationen von Kraftfahrerorganisationen an Grenzübergängen nach Maßgabe der Verkehrszeiten;
4. Verkaufsstellen im Rahmen von Publikumsmessen (§ 17 Abs. 4 und 6 des Arbeitsruhegesetzes) oder messeähnlichen Veranstaltungen (§ 17 Abs. 5 und 6 des Arbeitsruhegesetzes) an Samstagen während der Sommerzeit gemäß dem Zeitzählungsgesetz bis 19 Uhr;
5. Antiquitätenmessen an Samstagen bis 22 Uhr.
(...)
Strafbestimmung
§ 11. Wer entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen seine Verkaufsstelle nicht geschlossen hält, Waren verkauft, Bestellungen entgegennimmt oder die für seine Verkaufsstelle geltenden Ladenöffnungszeiten nicht kundmacht, ist nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 zu bestrafen. Übertretungen von Verordnungen nach § 5 Abs. 3 sind nach den Bestimmungen des § 27 des Arbeitsruhegesetzes zu bestrafen.“
17 4.3. Die für den vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994GewO 1994, BGBl. Nr. 194 idF BGBl. I Nr. 65/2020, lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 52. (1) Die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die für die Selbstbedienung durch Kunden bestimmt sind, unterliegt nicht dem § 46 Abs. 1 bis 3, jedoch haben die Gewerbetreibenden die Aufstellung derartiger Automaten außerhalb des Standortes und außerhalb einer gemäß § 46 Abs. 3 geführten Betriebsstätte der Bezirksverwaltungsbehörde vorher anzuzeigen. Die Abgabe von Betriebsstoffen an Kraftfahrer im Betrieb von Zapfstellen gemäß § 157, ausgenommen Stromtankstellen, gilt jedenfalls als Betriebsstätte.
(2) Der Verkauf von Arzneimitteln sowie Heilbehelfen durch Automaten, ferner der Ausschank und der Verkauf von alkoholischen Getränken außerhalb der Betriebsräume durch Automaten ist verboten.
(3) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat, soweit es aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, der Volksgesundheit oder des Jugendschutzes erforderlich ist, mit Verordnung zu bestimmen, daß auch andere als die im Abs. 2 genannten gewerblichen Tätigkeiten nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen mittels Automaten ausgeübt, insbesondere daß bestimmte Waren nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen mittels Automaten verkauft oder verabreicht werden dürfen.
(4) Soweit dies zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben oder vor den Gefahren des Straßenverkehrs erforderlich ist, kann die Gemeinde durch Verordnung die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind,
(...) untersagen.
(...)
§ 368. Eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 1 090 Euro zu bestrafen ist, begeht, wer andere als in den §§ 366, 367 und 367a genannte Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder der Bescheide, die auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassener Verordnungen ergangen sind, nicht einhält.“
18 4.4. Die Revision ist im Ergebnis begründet:
194.4.1. Das Öffnungszeitengesetz 2003 gilt nach seinem § 1 Abs. 1, sofern sich nicht aus § 2 leg. cit. anderes ergibt, für alle ständigen und nichtständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen von Unternehmungen, die der GewO 1994 unterliegen.
20 Im Verfahren ist unbestritten, dass die in Rede stehenden „Ackerboxen“ in nach §§ 3, 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 des Öffnungszeitengesetzes 2003 nicht erlaubten Zeiträumen offen gehalten wurden.
21 4.4.2. § 2 des Öffnungszeitengesetzes 2003 normiert Ausnahmen vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Fraglich ist im gegenständlichen Verfahren, ob die verfahrensgegenständlichen „Ackerboxen“ unter die Ausnahme betreffend die Warenabgabe aus Automaten nach § 2 Z 1 leg. cit. fallen.
22 4.4.2.1. Das Öffnungszeitengesetz 2003 enthält keine Definition des Begriffes „Automat“. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird darunter ein „Apparat, der nach Einwerfen einer Münze Waren ausgibt oder bestimmte Leistungen erbringt“ (Duden Band 10 Das Bedeutungswörterbuch 4 [2010] 172); ein „selbsttätiger Apparat“ bzw. eine „Maschine“ (Österreichisches Wörterbuch 44 [2022] 88) oder ein „selbsttätiger Arbeits oder Verkaufsapparat“ (Brockhaus Wahrig Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden, erster Band A BT (1980) 476) verstanden.
23 4.4.2.2. Die hier in Rede stehende Ausnahmebestimmung geht zurück auf die Bestimmung des § 1 Abs. 4 lit. a des Ladenschlußgesetzes, BGBl. Nr. 156/1958, die gleichlautend wie nunmehr § 2 Z 1 des Öffnungszeitengesetzes 2003 die „Warenabgabe aus Automaten“ aus dem Anwendungsbereich des Ladenschlußgesetzes ausnahm.
24 Im Schrifttum wurde entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch unter einem Automat im Sinne dieser Bestimmung eine „wenn auch ganz einfache, durch den Kunden auszulösende technische Einrichtung, zB eine Vorrichtung bzw Mechanik, welche die betreffende Ware nach Knopfdruck, nach Münzeinwurf odgl zur Entnahme freigibt“ verstanden, wohingegen etwa ein bloßer Verkaufsständer, auf dem eine einfache Tasche zur Entnahme der zu verkaufenden Ware (zB einer Zeitung) und eine Kasse zum Einwurf des zu bezahlenden Geldbetrags durch den Kunden montiert wird, nicht als Automat angesehen wurde (siehe Grabenwarter, Ladenschlußrecht [1992] 47 unter Verweis auf Literatur zu § 52 GewO 1994).
254.4.2.3. § 2 Z 1 des Öffnungszeitengesetzes 2003 ist in Zusammenschau mit § 52 GewO 1994 zu lesen. Diese Bestimmung enthält begünstigende gewerberechtliche Bestimmungen für die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die für die Selbstbedienung durch Kunden bestimmt sind, insbesondere eine Ausnahme von der Pflicht zur Anzeige einer weiteren Betriebsstätte. § 52 GewO 1994 steht in einem engen sachlichen Zusammenhang zur im vorliegenden Fall in Rede stehenden Regelung des § 2 Z 1 des Öffnungszeitengesetzes 2003, zumal letztere ebenfalls eine Ausnahmebestimmung von die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit einschränkenden Bestimmungen nämlich jenen über die zulässigen Offenhaltezeiten normiert (zur im Laufe der historischen Entwicklung seit jeher bestehenden Parallelität dieser beiden Ausnahmebestimmungen siehe Wallner , Weitere Betriebsstätten und Gewerbeausübung außerhalb der Betriebsstätte, in Rill [Hrsg.] Gewerberecht [1978] 351 [359 f]).
26In Anbetracht dieses sachlichen Zusammenhanges ist davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber bei der Formulierung der Sonderbestimmungen des § 52 GewO 1994 nicht nur an entsprechenden Vorgängerregelungen, sondern auch an der damals bereits bestehenden Ausnahmebestimmung des Öffnungszeitenrechtes orientierte. So wird in den Gesetzesmaterialien zu dem als § 52 GewO 1994 wiederverlautbarten § 52 der Gewerbeordnung 1972 Folgendes festgehalten (ErlRV 395 BlgNR 13. GP, 148 f):
„Die Ausübung eines Gewerbes ‚mittels Automaten‘, die die Kunden in Abwesenheit des Gewerbetreibenden oder seines Beauftragten selbst betätigen, bedarf einer gesonderten Regelung, die die durch Automaten gebotenen Möglichkeiten zugunsten der Verbraucher und der Wirtschaft ausnützt, jedoch auf die mangelnde Überwachung der Gebrauchnahme Bedacht nimmt.
Zu Abs. l: ‚Bis zu einer eventuellen Regelung der einschlägigen Verhältnisse durch eine Reform der Gesetzgebung‘ (Erlaß vom 23. VI. 1892, Zl. 16.299) wurde durch die Verordnung vom 23. VI. 1892, RGB1. Nr. 98, betreffend die Evidenthaltung der automatischen Waagen und Verkaufsapparate, ‘die Inbetriebsetzung einer jeden automatischen Waage oder eines jeden automatischen Verkaufsapparates‘ der Anzeigepflicht unterworfen. Der zitierte Erlaß erläutert diese Vorschrift dahin, daß es sich bei dislozierten Verkaufsautomaten nur um dislozierte Betriebsmittel, nicht aber um Filialen oder Zweigetablissements handle; die Gewerbebehörde solle durch die Anzeige in den Stand gesetzt werden, zu prüfen, ‚ob in jedem einzelnen Falle mit der Ausstellung eines Gewerbescheines vorzugehen‘, oder ob die gewerbliche Betätigung bereits durch eine Gewerbeberechtigung gedeckt sei.
An dieser Sonderregelung für bestimmte dislozierte Automaten (keine Anzeige einer weiteren Betriebsstätte) wird wohl festzuhalten sein. Der ‘Warenausgabe durch Automaten‘, die von den Ladenschlußvorschriften ausdrücklich ausgenommen ist (§ l Abs. 4 lit. a des Ladenschlußgesetzes, BGBl. Nr. 156/1958), kommt gerade im Hinblick auf die Beschränkungen der gewerblichen Tätigkeit durch Ladenschluß und Sonntagsruhebestimmungen eine gewisse Bedeutung zu.
Die Vorlage geht von der Auffassung aus, daß gegen die begünstigte Behandlung des Verkaufs durch Automaten keine gewerbepolitischen Bedenken bestehen. Das auch in ‚Automaten Straßen‘ nur beschränkte Sortiment bewirkt, daß der Käufer sich nur im Notfall der Verkaufsautomaten bedient.
§ 52 sieht allerdings die Anzeigepflicht nicht nur für automatische Waagen und Verkaufsapparate, sondern schlechthin für die Ausübung nichtkonzessionspflichtiger Tätigkeiten durch Automaten, die für die Selbstbedienung des Kunden bestimmt sind, vor (wenn die Ausübung außerhalb des Standortes und außerhalb einer gemäß § 46 Abs. 3 oder Abs. 4 geführten Betriebsstätte erfolgt).
(...)
§ 52 bezieht sich nur auf Automaten, die dazu bestimmt sind, von den Kunden selbst bedient zu werden. Auf Automaten, die die Gewerbetreibenden zur Ausführung ihrer gewerblichen Arbeiten selbst verwenden, finden die Bestimmungen des § 52 keine Anwendung.
(...)“
27Durch die Novelle BGBl. I Nr. 96/2017 wurde in § 52 Abs. 1 GewO 1994 der letzte Satz eingefügt, wonach die Abgabe von Betriebsstoffen an Kraftfahrer im Betrieb von Zapfstellen gemäß § 157 GewO 1994, ausgenommen Stromtankstellen, jedenfalls als Betriebsstätte gilt. „Automatentankstellen“ wurden somit von der Ausnahmebestimmung ausgenommen.
28 Dazu wird in den Gesetzesmaterialien Folgendes festgehalten (AB 2044 BlgNR 25. GP, 1):
„Nach § 52 gelten gewerbliche Tätigkeiten mittels Automaten, die für die Selbstbestimmung [sic!] der Kunden bestimmt sind, nicht als Betriebsstätte und unterliegen daher nicht den Bestimmungen des § 46 Abs 1 3 GewO. Die Aufstellung derartiger Automaten ist jedoch der Behörde anzuzeigen.
Verschiedentlich wird die Meinung vertreten, dass Automatentankstellen auch unter die § 52 Ausnahme fallen. Dem ist entgegenzuhalten, dass schon die Wortinterpretation des Begriffes ‚Automaten‘ zum Ergebnis führt, dass Tankstellen nicht mit Automaten gemeint sein können.
Ebenso lässt die Formulierung ‚die Aufstellung derartiger Automaten‘ den zwingenden Schluss zu, dass der historische Gesetzgeber Automaten wie z.B. Kaugummiautomaten, Zigarettenautomaten etc. im Focus hatte. Automatentankstellen können nicht ‚aufgestellt werden‘, sondern bedürfen nicht nur einer sehr weitreichenden betriebsanlagenrechtlichen Genehmigung, sondern auch umfassender baulicher Maßnahmen. Im Gegensatz zum ‚Zigarettenautomat‘, der in der einfachsten Version an eine Hausmauer montiert wird, sind die Benzin und Dieselabgabestellen fix mit unterirdischen Rohrleitungen und Kesselsystemen verbunden. (...)
Weiters werden in § 52 Abs. 2 auch bestimmte Tätigkeiten von der Automatenregelung ausgeschlossen; dabei handelt es sich im wesentlichem um Tätigkeiten, die mit Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder auch Jugendschutz verbunden sind. In diesem Sinn soll die Bestimmung des § 52 nicht für die Abgabe von Treibstoffen mittels Automaten gelten.“
29Vor diesem Hintergrund ist zunächst festzuhalten, dass der Automatenbegriff des § 2 Z 1 des Öffnungszeitengesetzes 2003 aufgrund des sachlichen Zusammenhanges im Einklang mit dem Automatenbegriff des § 52 Abs. 1 GewO 1994 auszulegen ist. Aus den wiedergegebenen Gesetzesmaterialien zur letztgenannten Bestimmung ist weiters zu schließen, dass der Gesetzgeber einen dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechenden, engen Begriff des Automaten im Sinne einer von Kunden selbst ohne Beisein des Verkäufers oder seiner Arbeitnehmer bedienten einfachen technischen Vorrichtung, durch die im Fall von Warenausgabeautomaten ein beschränktes Warensortiment in automatisierter Weise verkauft wird, vor Augen hatte.
30 4.4.2.4. Bei der Normierung der Ausnahme zugunsten der Warenausgabe aus Automaten ist der Gesetzgeber weiters augenscheinlich davon ausgegangen, dass bei einer solchen Art des Kleinverkaufs von Waren die Ziele von Öffnungszeitenregelungen in den Hintergrund treten können.
31 Betreffend die Ziele der Öffnungszeitenregelungen wird in den Gesetzesmaterialien zu den Vorgängerregelungen des Öffnungszeitengesetzes 2003 jenen des Ladenschlußgesetzes, BGBl. Nr. 156/1958 Folgendes ausgeführt (ErlRV 478 BlgNR 8. GP, 4):
„Der Entwurf geht von dem Gedanken aus, daß die Ladenschlußregelung einerseits den Verbrauchern den Einkauf zu einer Zeit ermöglichen muß, in der sie nicht selbst berufstätig sind, daß aber andererseits der Wettbewerb unter den Gewerbetreibenden diese nicht zu überlangen Geschäftszeiten nötigen soll, die vielfach betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigt wären. Obgleich die große Mehrheit der Handelsbetriebe in Österreich keine Dienstnehmer beschäftigt und die Arbeitszeit der Verkäufer durch die arbeitszeitrechtlichen Vorschriften geregelt ist, muß auch darauf Bedacht genommen werden, daß allzulange Geschäftszeiten zumindest bei den Betrieben mit nur wenigen Ladenangestellten die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften erschweren.“
32 Daraus erhellt, dass die Öffnungszeitenregelungen einen wettbewerbsordnenden sowie einen auf den Schutz von Arbeitnehmerinteressen gerichteten sozialpolitischen Zweck haben und auch die Interessen der Verbraucher schützen sollen (siehe dazu auch Korinek , Rechtsprobleme des Ladenschlußgesetzes, ÖZW 1978, 1; Grabenwarter , Ladenschlußrecht, 24 f). Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits mehrfach festgehalten, dass die allgemeinen Ziele, denen Ladenschluss bzw. Öffnungszeitenregelungen dienen, nämlich der Schutz der Interessen der Verbraucher, das Ziel der Wettbewerbsordnung und die sozialpolitische Funktion, im öffentlichen Interesse liegen (VfSlg. 20.658/2023 mit Hinweis auf VfSlg. 19.639/2012 und VfSlg. 19.950/2015).
33 Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung lässt der bloße Umstand, dass der Verkaufsvorgang nicht durch Arbeitnehmer abgewickelt wird, nicht den Schluss zu, die Ziele des Öffnungszeitengesetzes 2003 seien nicht berührt.
34 Freilich sind im Fall einer Selbstbedienung durch die Kunden Fragen der Arbeitszeit von vornherein nicht relevant. Was die übrigen Ziele des Öffnungszeitengesetzes 2003 betrifft, wird davon auszugehen sein, dass diese bei der Warenabgabe durch Automaten aus dem Grund in den Hintergrund treten können, weil bei dieser Form des Warenverkaufs der Konsum typischerweise sowohl was die Palette an zur Auswahl stehenden Waren als auch was die Quantität der in einem Kaufvorgang erwerbbaren Waren betrifft gegenüber dem herkömmlichen Kleinverkauf von Waren eingeschränkt ist. Überdies wird das Warenangebot bei der Warenabgabe durch Automaten typischerweise weniger an die spezifischen individuellen Bedürfnisse der Verbraucher etwa was die Mengeneinheiten, in denen die Waren gekauft werden, betrifft angepasst werden können als dies beim herkömmlichen Warenverkauf der Fall ist. In Anbetracht dessen können aus Sicht des Gesetzgebers die Einkaufsbedürfnisse der Verbraucher gegenüber den wettbewerbsordnenden Zielsetzungen der Öffnungszeitenregelungen in den Vordergrund treten.
35 Vor diesem Hintergrund wäre aber eine Auslegung des Automatenbegriffes dahingehend, dass er nur durch die Abwesenheit von Arbeitnehmern beim Verkaufsvorgang in der Art eines Selbstbedienungsladens determiniert wird, mit den nicht auf den Arbeitnehmerschutz bezogenen Zielen des Öffnungszeitengesetzes 2003 nicht vereinbar.
36 In Anbetracht der bereits erörterten, nicht nur auf Arbeitnehmerinteressen abzielenden Zwecke des Öffnungszeitengesetzes 2003 ist auch nicht von einer durch Analogie zu schließenden planwidrigen Lücke des Gesetzes im Hinblick auf Warenverkäufe in „Selbstbedienungsläden“, in denen Arbeitnehmer für die Abwicklung des Warenverkaufs nicht erforderlich sind, auszugehen. Denn gerade die wettbewerbsordnenden Zielsetzungen der Öffnungszeitenregelungen würden durch die Ausnahme sämtlicher Warenverkäufe, die in Abwesenheit von Arbeitnehmern stattfinden, unterlaufen.
37 Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof aus Anlass der Beschwerde des Revisionswerbers gegen das nunmehr in Revision gezogene Erkenntnis festgehalten, dass die Einschränkungen des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Freiheit der Erwerbsbetätigung durch die Einschränkungen der Öffnungszeiten am Wochenende nicht unverhältnismäßig sind und dass das Verwaltungsgericht das Gesetz auch fallbezogen nicht denkunmöglich angewendet hat (VfSlg. 20.658/2023). Angesichts dessen ist nicht davon auszugehen, die in Rede stehende Ausnahmebestimmung sei in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise zu eng gefasst; sie ist daher vom Verwaltungsgerichtshof in der geltenden Fassung anzuwenden.
38 4.4.2.5. Ausgehend vom Wortlaut des § 2 Z 1 des Öffnungszeitengesetzes 2003 und unter Berücksichtigung des Zwecks von Öffnungszeitenregelungen ist als Ergebnis festzuhalten, dass unter der Warenabgabe aus Automaten iSd § 2 Z 1 des Öffnungszeitengesetzes 2003 der Verkauf von Waren zu verstehen ist, der von den Kunden selbständig ohne Zutun des Verkäufers bzw. von dessen Arbeitnehmern abgewickelt wird und bei dem die Auswahl der Waren sowie deren Ausgabe und die Bezahlung über technisch automatisierte Vorgänge erfolgen. Schon aufgrund der automatisierten Vorgänge und wegen der Abwesenheit von Arbeitnehmern während des Verkaufsvorganges ist bei einer Warenabgabe aus Automaten weiters das angebotene Warensortiment typischerweise hinsichtlich spezifischer Produktausgestaltungen (etwa im Hinblick auf die Mengeneinheiten, in denen die Waren gekauft werden können) begrenzt.
39 Der Kaufvorgang muss allerdings nicht in all seinen Elementen ausschließlich technisch automatisiert erfolgen, um noch von einer Warenabgabe aus Automaten sprechen zu können. Vielmehr muss die technisch automatisierte Abwicklung des Kaufvorganges in einer Gesamtbetrachtung gegenüber den Elementen der von automatisierten Vorgängen unabhängigen Selbstbedienung durch die Kunden überwiegen.
40 So wird eine Warenabgabe aus Automaten etwa dann vorliegen, wenn die Warenabgabe nach automatisiert erfolgter Warenauswahl (etwa durch Einwurf von Bargeld, Betätigung eines Knopfes oder der Eingabe von Daten über ein Display) nicht durch automatisiertes „Auswerfen“ der Waren, sondern dadurch erfolgt, dass die Kunden die Ware selbst aus einem Behältnis entnehmen. Überdies ist die Frage, ob die Ware vor deren Ausgabe bezahlt wird oder die Bezahlung erst nach der Warenausgabe erfolgt, für sich genommen ebensowenig ausschlaggebend wie die Art und Weise der Bezahlung oder deren Überwachung.
41 Weiters ist festzuhalten, dass der Umstand, dass sich ein oder mehrere Automaten in einem Raum befinden, der durch die Kunden betreten wird, die Qualifikation der einzelnen Geräte als Automaten nicht ausschließt, zumal dem Gesetz eine solche Beschränkung nicht entnommen werden kann. Automaten können sich somit beispielsweise auch innerhalb einer Betriebseinrichtung befinden, bei der freilich ein allfälliger sonstiger nicht durch Automaten erfolgender Kleinverkauf von Waren dem Regelungsregime des Öffnungszeitengesetzes 2003 unterliegt (siehe Grabenwarter , Ladenschlußrecht, 48).
42 Von einer Warenabgabe durch Automaten ist aber angesichts des engen Begriffsverständnisses des Wortes „Automat“ und der Ziele des Öffnungszeitengesetzes 2003 dann nicht mehr auszugehen, wenn der Kaufvorgang (Auswahl, Ausgabe und Bezahlung der Waren) überwiegend durch die Kunden selbst und unabhängig von technisch automatisierten Vorgängen erfolgt, sodass in einer Gesamtbetrachtung ein Warenverkauf in Form eines „Selbstbedienungsladens“ vorliegt.
43 4.4.3. In Bezug auf den Revisionsfall bedeutet dies Folgendes:
44 In der rechtlichen Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ging das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass ein Automat nicht mit einem „Verkaufscontainer“, in dem ein „Selbstbedienungsbetrieb“ erfolge, gleichzusetzen sei. Das Verwaltungsgericht hielt auch richtig fest, dass alleine daraus, dass keine Arbeitnehmer anwesend seien und dass die „Ackerboxen“ nicht fest mit dem Boden verbunden seien, nichts für den Rechtsstandpunkt des Revisionswerbers zu gewinnen sei.
45 Die vom Verwaltungsgericht nach dem oben Gesagten vorzunehmende Beurteilung des Warenverkaufs in den verfahrensgegenständlichen „Ackerboxen“ ist aber auf dem Boden der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nicht nachvollziehbar:
46 Zwar stellte das Verwaltungsgericht zum Verkaufsvorgang fest, dass der Kunde die „Ackerbox“ betrete, sich die Waren aussuche und zum Bezahlterminal an der Kassa gehe. Er scanne selbständig die Produkte mit Strichcode ein und wähle selbständig die Produkte in der Produktübersicht aus, wenn kein Strichcode ausgewiesen sei. Zum Abschluss wähle er zwischen Barzahlung, Bankomatzahlung, Kreditkartenzahlung usw., packe die Ware selbständig ein und verlasse die „Ackerbox“.
47 Dass die Bezahlung erst nach der Warenabgabe erfolgt, wie dies aus den Feststellungen hervorgeht, schließt nach dem oben Gesagten die Qualifikation der einzelnen Warenausgabeeinrichtungen in der „Ackerbox“ als Automaten ebensowenig aus wie der Umstand, dass sich diese Einrichtungen innerhalb der „Ackerbox“ befinden.
48 Dazu, wie die Warenauswahl und abgabe erfolgt, insbesondere dazu, ob dabei überwiegend von einer Selbstbedienung unabhängig von technisch automatisierten Vorgängen oder aber überwiegend von einer technisch automatisierten Produktauswahl und abgabe auszugehen ist, fehlen allerdings hinreichende Feststellungen. So wurde insbesondere nicht festgestellt, ob etwa die Behältnisse (nach den Feststellungen befinden sich in den „Ackerboxen“ z.B. Kühlschränke), in denen sich die Waren befinden, von den Kunden ohne technisch automatisierte Vorgänge geöffnet und die Waren selbständig ausgesucht werden sowie die benötigte Menge selbständig entnommen und abgepackt wird, oder aber ob die Warenabgabe aus diesen Behältnissen derart erfolgt, dass nach einer Auswahl der Waren über einen technisch automatisierten Vorgang automatisch (nur) die ausgewählten Waren ausgeworfen werden oder entnommen werden können. Zur Beurteilung, ob insgesamt von einem technisch automatisierten Verkaufsvorgang ausgegangen werden kann, kann auch der Frage, ob die Mengeneinheiten, in denen die Waren gekauft werden können, den spezifischen individuellen Bedürfnissen der Kunden (durch die Kunden selbst) angepasst werden können oder ob die Waren nur in vorab festgelegten Mengeneinheiten durch automatisierte Auswahl erworben werden können, Relevanz zukommen.
49 Mangels ausreichender Feststellungen zum Vorgang der Warenauswahl und ausgabe in den in Rede stehenden „Ackerboxen“ ist das Ergebnis der Gesamtbeurteilung fallbezogen für den Verwaltungsgerichtshof nicht überprüfbar.
50Im Übrigen ist aus den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis nicht klar ersichtlich, ob in den „Ackerboxen“ möglicherweise ausschließlich landwirtschaftliche Erzeugnisse aus eigener Produktion des Verkäufers angeboten werden. Im Hinblick auf den für den Anwendungsbereich des Öffnungszeitengesetzes 2003 maßgeblichen Anwendungsbereich der GewO 1994 (vgl. § 2 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 Z 1 GewO 1994) werden diesbezüglich nähere Feststellungen zu treffen sein.
514.5. Aus den genannten Gründen war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
52Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 11. Juni 2025
Rückverweise