Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Rieder, über die Revision des Disziplinaranwaltes beim Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2023, W170 2276347 1/30E und den am 12. Oktober 2023 mündlich verkündeten und am 24. Oktober 2023 schriftlich ausgefertigten (verfahrensleitenden) Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, W170 2276347 1/32Z, betreffend Disziplinarverfahren nach dem Beamten Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesdisziplinarbehörde; mitbeteiligte Partei: Mag. Dr. A B in C, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5; weitere Partei: Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 19. Oktober 2023 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Nachtragseinleitungsbeschluss vom 27. Juni 2023 teilweise ab und gab ihr teilweise statt. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig.
2 Mit dem am 12. Oktober 2023 mündlich verkündeten und am 24. Oktober 2023 schriftlich ausgefertigten Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag des Disziplinaranwaltes auf Ausschluss der Öffentlichkeit von der öffentlichen Verhandlung am 12. Oktober 2023 ab.
3 Die vorliegende ordentliche Revision des Disziplinaranwalts richtet sich gegen das Erkenntnis vom 19. Oktober 2023, soweit damit der Nachtragseinleitungsbeschluss teilweise ersatzlos behoben und wegen Verjährung eingestellt wurde (Spruchpunkte A) 1. und 2.). Gleichzeitig erhebt der Disziplinaranwalt die Revision gegen den am 12. Oktober 2023 mündlich verkündeten und am 24. Oktober 2023 schriftlich ausgefertigten verfahrensleitenden Beschluss. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, wobei er keinen Antrag auf Kostenersatz stellte.
4 Mit Verspätungsvorhalt vom 20. Dezember 2023 wies das Bundesverwaltungsgericht den Disziplinaranwalt darauf hin, dass die Revision, die am 18. Dezember 2023 zur Post gegeben worden sei, ausgehend von der Zustellung des Erkenntnisses am 25. Oktober 2023 und des verfahrensleitenden Beschlusses am 27. Oktober 2023 verspätet erhoben worden sei.
5 Dazu nahm der Disziplinaranwalt Stellung und führte mit Schriftsatz vom 4. Jänner 2024 aus, dass nicht auf die Zustellzeitpunkte der „Ersatzzustellung“ an die Poststelle des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten (BMEIA) am 25. Oktober 2023 bzw. 27. Oktober 2023 abzustellen sei, weil der Empfänger „Bot. D“ ab 22. Oktober 2023 aufgrund einer Dienstreise sowie eines daran anschließenden Urlaubs und Krankenstands von der Abgabestelle abwesend gewesen und erst am 6. November 2023 an diese zurückgekehrt sei. Die Revision sei daher rechtzeitig.
6 Über Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts gab der Revisionswerber darüber hinaus an, dass zum Zeitpunkt des Eingangs des Erkenntnisses und des verfahrensleitenden Beschlusses der zum damaligen Zeitpunkt stellvertretende Disziplinaranwalt anwesend gewesen sei. Allerdings sei auf dem Adressblatt für das Fensterkuvert der Botschafter Mag. Dr. D als Adressat angeführt gewesen. Es sei nicht bloß auf dessen Funktion als Disziplinaranwalt abgestellt worden. Dieser sei daher persönlich als Empfänger iSd § 2 Z 1 ZustG anzusehen, weshalb das Schriftstück auch nicht an den stellvertretenden Disziplinaranwalt ausgehändigt habe werden können. Die Zustellung sei gemäß § 16 Abs. 5 ZustG erst mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam. Würde man die Zustellung des Schriftstücks mit Übernahme durch die Posteinlaufstelle des BMEIA als bewirkt ansehen, wäre die Rechtsmittelfrist erheblich verkürzt worden.
7 Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Beschluss vom 12. Februar 2024 die gegen das angefochtene Erkenntnis und den Beschluss erhobene ordentliche Revision gemäß § 30a Abs. 1 VwGG iVm § 26 Abs. 4 VwGG als verspätet zurück.
8 Das Bundesverwaltungsgericht führte begründend im Wesentlichen aus, das Erkenntnis sei mittels RSb Schreibens an „den Disziplinaranwalt beim Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Botschafter Mag. Dr. E D, p.A. Minoritenplatz 8, 1010“ übermittelt worden und am 25. Oktober 2023 von einem Postbevollmächtigten des BMEIA übernommen worden. Schon dem Kuvert sei zu entnehmen gewesen, dass sich die Zustellung an den Disziplinaranwalt und nicht an die „Person“ Mag. Dr. E D richte. Da der Disziplinaranwalt abwesend gewesen sei, wäre der anwesende stellvertretende Disziplinaranwalt verpflichtet gewesen, die Zustellung entgegenzunehmen und bzw. weitere notwendige Schritte zu setzen.
9 Dagegen erhob der revisionswerbende Disziplinaranwalt am 22. Februar 2024 einen Vorlageantrag gemäß § 30b VwGG. Darin brachte er neuerlich vor, dass nicht der „Disziplinaranwalt im BMEIA“, sondern der namentlich genannte „Bot. Dr. E D“ als Empfänger im Sinne des § 2 Z 1 ZustG anzusehen sei. Die Zustellung sei daher erst mit dessen Rückkehr an die Abgabestelle (6. November 2023) folgenden Tag wirksam geworden. Eine andere Rechtsansicht würde zu einer erheblichen Verkürzung der Rechtsmittelfrist führen.
10 Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts (Revisionsfrist) sechs Wochen. Sie beginnt wie hier in den Fällen des Art. 133 Abs. 8 B VG dann, wenn das Erkenntnis dem auf Grund des Bundes- oder Landesgesetzes zur Erhebung der Revision befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem es von dem Erkenntnis Kenntnis erlangt (vgl. § 26 Abs. 1 Z 5 VwGG).
11 Empfänger ist gemäß § 2 Z 1 ZustG die von der Behörde in der Zustellverfügung namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten (vgl. § 5 zweiter Satz ZustG).
12 In der Zustellverfügung des Erkenntnisses war als Empfänger der „Disziplinaranwalt beim Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Botschafter Mag. Dr. E D, p.A. Minoritenplatz 8 1010 Wien“ bezeichnet, auf dem Kuvert der RSb Sendung der „Disziplinaranwalt beim Bundesministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten z.H. Botschafter Mag. Dr. E D p.A. Minoritenplatz 8 1010 Wien“ genannt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass das zuzustellende Schriftstück trotz der Beifügung des Namens des damals bestellten Disziplinaranwalts (Funktionsträgers) für die an erster Stelle genannte Formalpartei Disziplinaranwalt bestimmt war (zur Stellung der Disziplinaranwälte und deren Stellvertreter in Disziplinarverfahren nach dem BDG 1979 vgl. grundlegend VwGH 4.4.2024, Ro 2024/09/0001).
13 Gemäß § 13 Abs. 1 ZustG ist das Dokument dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Gemäß § 13 Abs. 2 ZustG darf bei Zustellungen durch Organe eines Zustelldienstes somit (u.a.) der Post (vgl. § 2 Z. 7 leg. cit.) auch an eine gegenüber dem Zustelldienst zur Empfangnahme solcher Dokumente bevollmächtigte Person zugestellt werden, soweit dies nicht durch einen Vermerk auf dem Dokument ausgeschlossen ist. Die Zustellung an einen Bevollmächtigten gemäß § 13 Abs. 2 ZustG ist auch dann wirksam, wenn sich der Empfänger nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhält und daher eine Ersatzzustellung gemäß § 16 leg. cit. unzulässig wäre (vgl. VwGH 23.11.2011, 2009/11/0022, 2010/10/0041; 18.3.2004, 2001/03/0003; 13.12.2010, 2010/10/0041; 24.11.1999, 96/03/0350; jeweils mwN; siehe auch VwGH 23.2.1993, 92/07/0177).
14 Der Revisionswerber zieht in seinem Vorlageantrag die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes nicht in Zweifel, dass das Erkenntnis am 25. Oktober 2023 von einem Postbevollmächtigten (in der Posteinlaufstelle des BMEIA) übernommen wurde (vgl. zur Wirksamkeit der Übernahme eines an eine Umweltanwältin des Landes Steiermark adressierten Bescheides durch das Amt der Steiermärkischen Landesregierung als Hilfsapparat [Zentralkanzlei] VwGH 28.1.2010, 2009/07/0042; zur Bedienung des Kanzleiapparats durch die Disziplinaranwälte siehe auch Kucsko Stadlmayer , Das Disziplinarrecht der Beamten 4 [2010] 448). Es ist daher von einer wirksamen Zustellung am 25. Oktober 2023 auszugehen, wobei es im Sinne der bereits angeführten Rechtsprechung nichts an der Wirksamkeit der Zustellung ändert, dass der damalige Disziplinaranwalt bis zum 6. November 2023 ortsabwesend war.
15 Ausgehend von der Zustellung des Erkenntnisses am 25. Oktober 2023 endete die sechswöchige Revisionsfrist am 6. Dezember 2023. Damit erweist sich die am 18. Dezember 2023 bei der Post aufgegebene Revision als verspätet. Soweit sich die Revision auch gegen den verfahrensleitenden Beschluss betreffend den Nichtausschluss der Öffentlichkeit richtet, ist diese gemäß § 25a Abs. 3 VwGG unzulässig, weil verfahrensleitende Beschlüsse nur gemeinsam mit der verfahrensbeendenden Erledigung angefochten werden können. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass eine entgegen § 31 Abs. 3 VwGVG vorgenommene Ausfertigung des verfahrensleitenden Beschlusses erst nach Ausfertigung des Erkenntnisses erfolgt ist.
16 Gemäß § 30b Abs. 1 VwGG war die vorliegende Revision somit vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Dieser Beschluss tritt an die Stelle des Zurückweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts vom 12. Februar 2024 (vgl. etwa VwGH 19.8.2024, Ro 2023/01/0014, mwN).
Wien, am 20. Februar 2025
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