Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, über die Revision des R K in S, vertreten durch die Battlogg Rechtsanwalts GmbH in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 18. Dezember 2023, Zl. LVwG 1 803/2022 R9, betreffend Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Feldkirch),
I. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird im Umfang der Anfechtung des Schuldspruches des angefochtenen Erkenntnisses zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
In seinem über den Schuldspruch hinausgehenden Umfang wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) vom 4. Juli 2016 wurde dem Revisionswerber die Bewilligung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) für die Errichtung und den Betrieb eines Zwischenlagerplatzes für Frostkoffer, Flickschotter, Rundkorn, Bruchsand, Wasserbausteine, Asphalt, Recycling-Material, Humus und Betonabbruch mit dem fallweisen Einsatz eines mobilen Steinbrechers auf zwei näher genannten Grundstücken der KG S. erteilt. Unter Spruchpunkt I. wurden unter anderem folgende Auflagen vorgeschrieben:
„ A) Gewerbetechnische Auflagen:
[...]
4. Bei nicht ausreichend vorgenässtem Material bzw. sichtbarer Staubverfrachtung sind die Bebrausung bei der Aufgabe und die Berieselung zu aktivieren. Zur Sicherstellung dieser emissionsreduzierenden Maßnahmen ist bei fehlendem Anschluss an ein Wassernetz ein Wasserbehälter vor Ort bereitzuhalten, dessen Inhalt für einen eintätigen (gemeint wohl: eintägigen) Betrieb der Behandlungsanlage ausreichend ist.
B) Lufthygienische Auflagen:
1. Während des Brechvorganges ist Wasser in die Brech Siebzone einzudüsen. Ein entsprechender Wasseranschluss oder ein Wasserreservoir an der Anlage ist bereitzuhalten.
[...]“
2 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 20. September 2022 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als Betreiber des genannten Zwischenlagerplatzes mit dem fallweisen Einsatz eines mobilen Steinbrechers zu verantworten, dass es am 14. Oktober 2021 um 15:00 Uhr dort durch das Verarbeiten von Material mit einem mobilen Steinbrecher zu einer gravierenden Staubentwicklung gekommen sei, obwohl mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. Juli 2016 gemäß Spruchpunkt I. A) Gewerbetechnische Auflagen, Punkt 4., sowie I. B) Lufthygienische Auflagen, Punkt 1., bei nicht ausreichend vorgenässtem Material bzw. sichtbarer Staubverfrachtung die Bebrausung bei der Aufgabe und die Berieselung zu aktivieren sei. Darüber hinaus sei während des Brechvorganges Wasser in die Brech-Siebzone einzudüsen.
Der Revisionswerber habe dadurch § 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 i.V.m. dem Genehmigungsbescheid vom 4. Juli 2016, Spruchpunkt I. A) Gewerbetechnische Auflagen, Punkt 4., sowie I. B) Lufthygienische Auflagen, Punkt 1., verletzt. Es wurde deshalb gemäß § 79 Abs. 2 AWG 2002 über ihn eine Geldstrafe von € 5.000, verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben. Die Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe erfolgte im Straferkenntnis nicht.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde der (allein) vom Revisionswerber gegen das Straferkenntnis erhobenen Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die Geldstrafe auf € 3.000, herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde der Beschwerde keine Folge gegeben und das Straferkenntnis der belangten Behörde auf der Grundlage des vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts mit der Maßgabe bestätigt, dass nach der angeführten Übertretungsnorm (§ 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002) die Fundstellen „BGBl I Nr 102/2002, idF BGBl I Nr 71/2019,“ eingefügt wurden und die Ersatzfreiheitsstrafe im Uneinbringlichkeitsfall mit „72 Stunden“ festgesetzt wurde. Der Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens wurde verringert. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
4 Dem angefochtenen Erkenntnis liegen die Feststellungen zugrunde, am 14. Oktober 2021 um 15:00 Uhr sei auf den in Rede stehenden Grundstücken Material mit einem mobilen Steinbrecher verarbeitet worden. Beim Abwurf des staubenden Materials vom Förderband auf einen Lagerhaufen sei es zu Staubimmissionsspitzen gekommen. Auf den Beweisbildern, die zum Tatzeitpunkt vom Nachbarn F. angefertigt worden seien, sei weder eine Bebrausungsanlage noch ein Wasserschlauch (auf der vorhandenen Mauer) noch ein Schlauchanschluss zur Wasserberieselung des mobilen Steinbrechers noch eine Besprenklungseinrichtung auf dem Zwischenlagerplatz ersichtlich noch seien dort Wasserpfützen erkennbar; auch befinde sich auf der Straße vor dem Brecherplatz kein Schlauchanschluss zur Wasserberieselung des mobilen Steinbrechers. Aufgrund dessen werde nicht davon ausgegangen, dass wie vom Revisionswerber in der Verhandlung behauptet das Material zur Tatzeit ausreichend vorgenässt und nur eine (kurzzeitige) Verstopfung der mobilen Brecheranlage die Ursache für die zum Tatzeitpunkt entstandene Staubentwicklung gewesen sei.
Der Revisionswerber habe zur Tatzeit keine schriftlichen Aufzeichnungen über Verstopfungen der mobilen Steinbrecheranlage, die zu ein bis zweiminütigen Störungen dieser Anlage führten, geführt hätten. Aufgrund der beschriebenen Umstände und der Angaben des beigezogenen lufthygienischen Amtssachverständigen, dass bei einer vorhergehenden Bebrausung des Materials ein so hoher Staubgehalt kaum möglich gewesen wäre, werde davon ausgegangen, dass sich der Revisionswerber als Betreiber des Zwischenlagerplatzes nicht an die genannten Auflagen des Bescheides der belangten Behörde vom 4. Juli 2016 gehalten habe.
Auf den Bildern, die der Revisionswerber bei der Verhandlung vorgelegt habe und vor dem 14. Oktober 2021 angefertigt worden seien, seien ein Wasserschlauch, das Standbein einer Berieselungsanlage und die Wirkung dieser Berieselungsanlage wie auch ein Wasserschlauch, der auf der (auf den Bildern ersichtlichen, bereits erwähnten) Mauer liege, erkennbar.
Am 15. Oktober 2021 sei von einem lufthygienischen Amtssachverständigen um 11:30 Uhr festgestellt worden, dass eine betriebsbereite Vorrichtung zur Bebrausung und Wasserberieselung vorhanden gewesen sei.
Nach den Angaben des Revisionswerbers sei P. zum Tatzeitpunkt der Betreiber der mobilen Brecheranlage gewesen.
5 In seinen rechtlichen Erwägungen kam das Verwaltungsgericht mit dem Hinweis auf das durchgeführte Ermittlungsverfahren, die Vernehmung des Revisionswerbers und des Zeugen F. sowie die Ausführungen des lufthygienischen Amtssachverständigen näher begründend zum Ergebnis, dass die Auflagen in Spruchpunkt I. A) Nr. 4 und Spruchpunkt I. B) Nr. 1 des Bescheides vom 4. Juli 2016 zur angeführten Tatzeit und am angeführten Tatort nicht eingehalten worden seien. Der Revisionswerber, der zur Tatzeit der Betreiber dieses Zwischenlagerplatzes gewesen sei, habe diese Auflagenverstöße zu verantworten.
Die Änderung des behördlichen Straferkenntnisses sei zwecks Angabe der Fundstellen bei der von der Behörde zitierten Übertretungsnorm und zwecks Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe erfolgt.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
7 Die belangte Behörde beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision und die Zuerkennung von Aufwandersatz.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Vorauszuschicken ist, dass in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe in der Fassung des angefochtenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts trennbare Absprüche vorliegen, weshalb insoweit die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen ist (vgl. VwGH 22.11.2022, Ra 2022/06/0194; 15.3.2024, Ra 2022/02/0085, jeweils mwN).
9 Zur Zurückweisung der Revision in Bezug auf den Schuldausspruch :
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein solcher Beschluss in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Dabei hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, wobei die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht (vgl. etwa VwGH 10.5.2023, Ra 2023/07/0076, mwN).
14 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wird in der Revision vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis verstoße gegen die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG (zitiert werden VwGH 21.6.2022, Ra 2021/07/0090; 29.10.2015, Ra 2015/07/0097; 30.4.2021, Ra 2020/05/0043). Im Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 20. September 2022 sei kein Verstoß gegen Auflagen im Genehmigungsbescheid „geltend gemacht“, sondern es seien lediglich die Auflagen zitiert worden. Dem Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses sei nicht zu entnehmen, dass es deshalb zu einer gravierenden Staubentwicklung gekommen sei, weil gegen Spruchpunkt IA) und Spruchpunkt IB) (des Genehmigungsbescheides) verstoßen worden sei, und was der Revisionswerber falsch gemacht habe.
15 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Spruch eines Straferkenntnisses, um den Erfordernissen des § 44a Z 1 VStG zu entsprechen, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale möglich ist und die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist nämlich dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. etwa VwGH 21.12.2023, Ro 2022/07/0013, mwN).
16 Entgegen dem zitierten Zulässigkeitsvorbringen wurde im (insoweit mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigten) Straferkenntnis der belangten Behörde vom 20. September 2022 in ausreichender Weise ein Zusammenhang zwischen der zur Tatzeit entstandenen gravierenden Staubentwicklung und der vorgeworfenen Nichteinhaltung der genannten Auflagen des Bescheides vom 4. Juli 2016 hergestellt (arg.: „... ,obwohl mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. Juli 2016 gemäß Spruchpunkt I. A) Gewerbetechnische Auflagen, Punkt 4., sowie I. B) Lufthygienische Auflagen, Punkt 1., ...“), wobei auch auf den Inhalt der Auflagen im Detail eingegangen wurde (arg.: „bei nicht ausreichend vorgenässtem Material bzw. sichtbarer Staubverfrachtung“; Aktivierung der Bebrausung bei der Aufgabe und die Berieselung; Eindüsung des Wassers in die Brech Siebzone während des Brechvorganges).
17 Unstrittig sind dem Revisionswerber die in Rede stehenden Auflagen bekannt. Dass für ihn der Vorwurf der Nichtbefolgung der Auflagen auch erkennbar war, ergibt sich bereits aus seiner Beschwerde, in der er vorbrachte, „sämtliche gewerbetechnischen Auflagen“ eingehalten zu haben.
18 Das Verwaltungsgericht beurteilte die Tatumschreibung im Straferkenntnis der belangten Behörde als ausreichend konkret formuliert. Dem Revisionswerber sei darin vorgeworfen worden, dass es trotz der vorgeschriebenen Auflagen, gegen die verstoßen worden sei beim Verarbeiten von Material zur angeführten Tatzeit und am angeführten Tatort zu einer erheblichen Staubentwicklung gekommen sei.
19 Aus den dargestellten Gründen erscheint die Ansicht des Verwaltungsgerichts, der Spruch des Straferkenntnisses enthalte (unter anderem) die als erwiesen angenommene Tat (§ 44a Z 1 VStG), der Revisionswerber als Beschuldigter sei in die Lage versetzt worden, sich gegen den Tatvorwurf verteidigen zu können und es bestehe nicht die Gefahr einer Doppelbestrafung, jedenfalls als nicht unvertretbar. Die vom Revisionswerber zitierte Judikatur führt zu keiner gegenteiligen Beurteilung.
20 Ferner wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision bemängelt, dass das Verwaltungsgericht dem in der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2023 gestellten Beweisantrag der Vernehmung des Zeugen P. nicht entsprochen habe. Das Unterlassen der Vernehmung des Zeugen verstoße gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. April 2022, Ra 2022/06/0010 bis 0012, aus dem sich ergebe, dass beantragte Beweise zu rechtserheblichen Tatsachen aufzunehmen seien. Bei Vernehmung des Zeugen P. wäre hervorgekommen, dass am 14. Oktober 2021 um 15:00 Uhr eine Berieselungsanlage vorhanden gewesen sei, es zu einer Verstopfung infolge zu starker Befeuchtung gekommen sei und es sich um einen kurzfristigen Störfall gehandelt habe, der zu einem kurzfristigen Staubaufkommen geführt habe, wobei der Revisionswerber nach wie vor der Auffassung sei, dass es sich hiebei um hauchdünne Wasserwolken gehandelt habe. Das Verwaltungsgericht habe eine vorgreifende Beweiswürdigung vorgenommen und Spekulationen über das Erinnerungsvermögen von Zeugen angestellt.
21 In dem vom Revisionswerber zitierten Erkenntnis Ra 2022/06/0010 bis 0012 hat der Verwaltungsgerichtshof eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des dort angefochtenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts erkannt, weil es sich trotz eines entsprechenden Vorbringens mit der Frage einer möglichen Ersitzung eines überbauten Grundstücksteiles überhaupt nicht auseinandergesetzt habe. Damit gleicht diese Entscheidung jedoch nicht dem gegenständlich zu beurteilenden Sachverhalt, zumal das Verwaltungsgericht die Nichtvernehmung des Zeugen P. auch ausführlich begründete.
22 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Beweisanträgen grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Aufnahme des darin begehrten Beweises im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen. Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt aber der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. etwa VwGH 20.7.2022, Ra 2020/07/0046, mwN).
23 Die Revision wiederholt in der Zulässigkeitsbegründung diesbezüglich im Wesentlichen lediglich den in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Beweisantrag und wirft dem Verwaltungsgericht eine vorgreifende Beweiswürdigung vor, ohne jedoch auf die keineswegs unvertretbaren beweiswürdigenden Überlegungen des Verwaltungsgerichts einzugehen.
24 Angesichts dessen zeigt der Revisionswerber nicht auf, dass das Verwaltungsgericht das Beweismittel zur Klärung des relevanten Sachverhalts in unvertretbarer Weise als ungeeignet beurteilt hätte.
25 Im Zusammenhang mit der Schuldfrage werden in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Insoweit war die Revision daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
26 Zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses in Bezug auf den Strafausspruch :
27 Aufgrund des Vorbringens, das angefochtene Erkenntnis habe gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen (Verweis auf VwGH 27.9.1988, 87/08/0026), weil es entgegen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aufgrund einer Beschwerde, die lediglich vom Beschuldigten erhoben worden sei, erstmals eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt habe, erweist sich die Revision insoweit als zulässig.
28 Vorweg ist festzuhalten, dass das Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung, es sei offensichtlich, dass im behördlichen Bescheid bei der Verhängung einer Strafe in der Höhe von ursprünglich € 5.000, auch eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt hätte werden sollen, die Unrichtigkeit offensichtlich nicht dem Willen der Behörde entsprochen habe und aufgrund eines technischen Fehlers keine Ersatzfreiheitsstrafe berechnet worden sei, nichts an der fehlenden Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe im Straferkenntnis der belangten Behörde vom 20. September 2022 zu ändern vermag.
29 In der Revisionsbegründung wird dazu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe entgegen dem Straferkenntnis der belangten Behörde „eine Ersatzfreiheitsstrafe von zusätzlich 72 Stunden verhängt“. Diese Ersatzfreiheitsstrafe hätte nicht verhängt werden dürfen. Aufgrund einer Beschwerde des Revisionswerbers dürfe „gemäß § 51 Abs. 6 VStG“ keine höhere Strafe verhängt werden als die im erstinstanzlichen Straferkenntnis enthaltene Strafe. Eine Ersatzfreiheitsstrafe, die im behördlichen Straferkenntnis nicht verhängt worden sei, dürfe durch das Verwaltungsgericht nicht „von 0 auf 72 Stunden erhöht“ werden.
30 Trotz der Bezugnahme auf die mit BGBl. I Nr. 33/2013 bereits außer Kraft getretene Bestimmung des § 51 Abs. 6 VStG zeigt der Revisionswerber mit diesem Vorbringen aus nachstehenden Erwägungen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf.
31 Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist gemäß dem nach § 38 VwGVG auch auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B VG in Verwaltungsstrafsachen sinngemäß anzuwendenden § 16 Abs. 1 VStG zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen.
32 Dementsprechend ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen, jeder Geldstrafe eine korrespondierende Ersatzfreiheitsstrafe beizufügen, und zwar selbst dann, wenn die Verwaltungsvorschriften eine Ersatzfreiheitsstrafe nicht ausdrücklich vorsehen (vgl. etwa VwGH 22.6.2023, Ra 2023/06/0038, mwN).
33 Gemäß § 42 VwGVG darf auf Grund einer vom Beschuldigten oder auf Grund einer zu seinen Gunsten erhobenen Beschwerde in einem Erkenntnis oder in einer Beschwerdevorentscheidung keine höhere Strafe verhängt werden als im angefochtenen Bescheid.
34 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entspricht das mit § 42 VwGVG festgelegte Verbot der reformatio in peius der aufgehobenen Vorgängerbestimmung des § 51 Abs. 6 VStG (vgl. etwa VwGH 8.8.2022, Ra 2022/02/0070, mwN, und die dortigen, jedoch im gegenständlichen Fall nicht maßgeblichen Ausführungen dazu, wann das Verbot der reformatio in peius nicht besteht).
35 Das Verbot der reformatio in peius umfasst auch die Erhöhung der Ersatzfreiheitsstrafe (VwGH 20.9.2018, Ra 2018/09/0060, 0061, mwN; vgl. auch das vom Revisionswerber zitierte Erkenntnis VwGH 27.9.1988, 87/08/0026). Es erweist sich im vorliegenden Verfahren daher nicht als wesentlich, ob man von einer erstmaligen Festlegung einer Ersatzfreiheitsstrafe im angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts oder wie dies der Revisionswerber auch formuliert davon ausgeht, dass das Verwaltungsgericht die Ersatzfreiheitsstrafe „von 0 auf 72 Stunden erhöht“ habe.
36 Neben dem Verbot der reformatio in peius ist im gegenständlichen Fall auch § 50 Abs. 1 VwGVG zu beachten, wonach das Verwaltungsgericht (in Verwaltungsstrafsachen), sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B VG in der Sache selbst zu entscheiden hat.
37 Dementsprechend kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Verwaltungsstrafsachen gemäß § 50 VwGVG eine Aufhebung des vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheides samt Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides nicht in Betracht (vgl. VwGH 30.6.2016, Ra 2016/11/0024). Es macht dabei keinen Unterschied, ob das Verwaltungsgericht das angefochtene Straferkenntnis nur (ersatzlos) behebt oder zusätzlich ausspricht, dass die Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen werde; in beiden Fällen wird die Verwaltungsstrafsache nicht abschließend erledigt (vgl. zum Ganzen VwGH 7.3.2017, Ra 2016/02/0271; zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit einer bloßen Aufhebung des behördlichen Straferkenntnisses ohne Einstellung des Strafverfahrens durch das Verwaltungsgericht vgl. ferner VwGH 6.9.2019, Ra 2019/11/0053).
38 Festzuhalten ist somit, dass das Unterbleiben der behördlichen Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe rechtswidrig war (§ 16 VStG), einer Erhöhung oder erstmaligen Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe durch das Verwaltungsgericht das Verschlechterungsverbot entgegenstand (§ 42 VwGVG) und das Verwaltungsgericht jedenfalls in der Sache zu entscheiden hatte (§ 50 VwGVG), also insbesondere eine bloße Aufhebung des behördlichen Straferkenntnisses oder eine Aufhebung mit Zurückverweisung nicht in Betracht kam.
39 Allerdings verletzt die Nichtfestsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe den Beschuldigten nicht in seinen Rechten. Vielmehr ist der Beschuldigte dadurch besser gestellt, als dies bei einer dem Gesetz entsprechenden Vorgangsweise der Behörde der Fall wäre (vgl. VwGH 21.1.1988, 87/02/0202; vgl. zur Nichtverletzung von Rechten aus dem genannten Grund auch VwGH 22.9.1980, 2791/79, wo das im Ergebnis angenommene Fehlen einer Ersatzfreiheitsstrafe nicht zum Anlass genommen wurde, den bekämpften Bescheid zu beheben).
40 Ferner ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass die Beschwerde des Revisionswerbers auf die fehlende Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht Bezug genommen hatte. Das Verwaltungsgericht durfte die in der Nichtfestsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe im Straferkenntnis der belangten Behörde bestehende Rechtswidrigkeit jedoch nicht amtswegig aufgreifen. Vielmehr beschränkt gerade das Verbot der reformatio in peius die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichts (vgl. e contrario aus VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066, Pkt. 6.2., wo im Administrativverfahren das Nichtbestehen einer Bindung des Verwaltungsgerichts an die Beschwerdegründe mit dem Fehlen eines Verschlechterungsverbotes begründet wird).
41 Das Verschlechterungsverbot kann somit dazu führen, dass eine rechtswidrige, den Beschuldigten unrechtmäßig begünstigende, verwaltungsbehördliche Bestrafung, soweit er wie im gegenständlichen Fall nur selbst dagegen Beschwerde erhebt, durch das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Strafhöhe nicht mehr korrigiert werden darf (vgl. auch Senft in Köhler/Brandner/Schmelz , VwGVG § 42 Rz 1, mit Hinweis auf VwGH 25.4.2002, 2002/05/0036; in dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Fall hatte nachdem die erstinstanzliche Behörde die Mindeststrafe verhängt hatte die Berufungsbehörde richtig erkannt, dass nicht eine, sondern zwei Verwaltungsübertretungen begangen worden waren und daher zwei Strafen in der Höhe jeweils der Hälfte der Mindeststrafe und damit in Widerspruch zur Rechtslage zu niedrig verhängt, was der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot als zulässiges Vorgehen beurteilte).
42 Übertragen auf das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht (bei Geltung des Verschlechterungsverbotes) bedeutet dies, dass das Unterbleiben der Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch die belangte Behörde trotz der dadurch bewirkten Rechtswidrigkeit vom Verwaltungsgericht nicht mehr geändert werden kann (in gleicher Weise wäre dies zu beurteilen, wenn die Behörde etwa die Mindeststrafe unterschreitet).
43 Dabei wird nicht übersehen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Mai 1985, 84/01/0087, ausgeführt hat, dass (im konkreten Fall: „auch“) das Fehlen des Abspruchs über die Ersatzfreiheitsstrafe die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit nach sich zieht. In diesem Erkenntnis wurden jedoch zahlreiche weitere Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides aufgegriffen, sodass diese Aussage zur hier relevanten Frage nicht tragend war und als vereinzelt geblieben angesehen werden kann (vgl. überdies die bereits zitierten, dazu in Widerspruch stehenden Entscheidungen VwGH 22.9.1980, 2791/79, und VwGH 21.1.1988, 87/02/0202).
44 Auch in seinem Erkenntnis vom 6. September 2016, Ra 2016/09/0049, beschränkte sich der Verwaltungsgerichtshof bloß auf die „Anmerkung“, dass bei Nichtfestsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe ein Widerspruch zu § 16 Abs. 1 VStG vorliege (die dort zitierte Judikatur betrifft wiederum nur Fälle, in denen eine einheitliche Ersatzfreiheitsstrafe nicht auf mehrere verhängte Geldstrafen aufgeteilt war; ein Mangel, den die Berufungsbehörde ohne Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot beseitigen konnte).
45 Nach dem Gesagten war das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich seines Strafausspruches wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG zur Gänze aufzuheben, weil der Strafausspruch eine Einheit bildet (vgl. VwGH 27.9.1988, 87/08/0026; 24.7.2019, Ra 2018/02/0034, jeweils mwN).
46 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren des Revisionswerbers auf gesonderten Zuspruch von Umsatzsteuer findet in der genannten Verordnung keine Deckung und war daher abzuweisen (vgl. VwGH 29.1.2024, Ra 2022/07/0032 bis 0033, mwN).
Wien, am 6. Juni 2024
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