Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in den Revisionssachen 1. des DI K T in E, 2. des J G in L, 3. des J K und 4. der E K, beide in W, 5. des C F in W, und 6. des M A F in L, alle vertreten durch die Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Teinfaltstraße 8/5.01, gegen die Erkenntnisse bzw. Beschlüsse des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich jeweils vom 26. Juli 2024, 1. LVwG AV 583/002 2024, 2. LVwG AV 584/002 2024, 3. LVwG AV 585/002 2024, 4. LVwG AV 581/002 2024 und 5. LVwG AV 582/002 2024, jeweils betreffend Enteignung nach § 11 NÖ Straßengesetz 1999 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Land Niederösterreich), den Beschluss gefasst:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid vom 15. Jänner 2019 erteilte die Niederösterreichische Landesregierung (belangte Behörde) dem Land Niederösterreich (mitbeteiligte Partei) gemäß § 17 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP G 2000) die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Vorhabens „B X Umfahrung W, Teil 2“.
2 Mit Erkenntnis vom 22. Dezember 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen von mehreren Verfahrensparteien erhobenen Beschwerden mit näher bezeichneten Maßgaben als unbegründet ab und erklärte eine Revision für unzulässig.
3 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. März 2022, Ra 2021/06/0081, zurückgewiesen.
4 Mit Bescheiden der Niederösterreichischen Landesregierung, jeweils vom 3. April 2024 (betreffend die erstrevisionswerbende Partei in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 10. April 2024), wurden gemäß § 11 NÖ Straßengesetz 1999 mehrere näher bezeichnete, jeweils im Eigentum der revisionswerbenden Parteien stehende Teilflächen in näher genannten KGs zum Zweck der Errichtung des oben genannten Vorhabens enteignet und die zweit bis sechstrevisionswerbenden Parteien zur Duldung einer vorübergehenden Grundinanspruchnahme näher bezeichneter Teilflächen zum Zweck der Errichtung des Vorhabens verpflichtet (jeweils Spruchpunkte I.) sowie der mitbeteiligten Partei aufgetragen, den revisionswerbenden Parteien Entschädigungen in jeweils näher genannter Höhe zu leisten (jeweils Spruchpunkte II.).
5 Mit den angefochtenen Entscheidungen wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) die von den revisionswerbenden Parteien dagegen erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung jeweils als unbegründet ab, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide der belangten Behörde vom 3. April 2024 (betreffend die erstrevisionswerbende Partei in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 10. April 2024) richteten und jeweils als unzulässig zurück, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte II. der genannten Bescheide wendeten. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde jeweils für nicht zulässig erklärt.
6 Zusammengefasst führte das LVwG dazu mit näherer Begründung jeweils aus, die Enteignungen seien für die Realisierung des gegenständlichen Vorhabens notwendig, die vom Antrag auf Enteignung umfassten Grundstücksteile seien für die Durchführung des Projektes erforderlich und könnten auf andere Weise als durch Enteignung nicht beschafft werden. Sache der vorliegenden Verfahren sei nicht, die inhaltliche Richtigkeit der zugrunde liegenden, rechtskräftigen UVP Genehmigung zu überprüfen. Die Linienführung aus dem Genehmigungsprojekt entspreche jener, für die die in Rede stehenden Flächen im Enteignungsprojekt in Anspruch genommen werden sollten; die Linienführung samt Variantenprüfung wie auch die Notwendigkeit des straßenbaulichen Vorhabens an sich sei im Enteignungsverfahren nicht mehr zu überprüfen. Ausreichende Flächen, welche sich in unmittelbarer Nähe und im Eigentum der mitbeteiligten Partei befänden, stünden nicht zur Verfügung; eine gütliche Einigung sei nicht zu erzielen gewesen (wird näher ausgeführt). Der Mangel der Notwendigkeit der Enteignung sei im Verfahren von den revisionswerbenden Parteien nicht eingewendet worden. Der Bedarf könne ausschließlich durch Enteignung gedeckt werden. Diese Ausführungen würden auch für die beabsichtigte vorübergehende Inanspruchnahme von Grundstücksflächen im Rahmen der Bauphase gelten; auch hier sei deren Notwendigkeit von den hiervon betroffenen revisionswerbenden Parteien nicht bestritten worden. Eine Überprüfung der Spruchpunkte II. der bekämpften Bescheide, in welchen jeweils die konkrete Höhe der der Entschädigung festgesetzt worden sei, sei angesichts der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht vorzunehmen gewesen (Verweis auf VfGH 13.12.2019, E 3687/2019 ua). Dafür sei allenfalls das örtlich zuständige Landesgericht berufen, weshalb die Beschwerden, soweit sie die Spruchpunkte II. der bekämpften Bescheide beträfen, als unzulässig zurückzuweisen gewesen seien.
7 Die Behandlung der von den revisionswerbenden Parteien gegen diese Entscheidungen an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerden lehnte dieser mit Beschlüssen jeweils vom 3. Oktober 2024, E 3466/2024 7, E 3463/2024 8, E 3464/2024 7, E 3465/2024 7 und E 3467/2024 7, ab und trat die Beschwerden jeweils dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof dazu jeweils zusammengefasst aus, zur Beurteilung der in den Beschwerden aufgeworfenen Fragen seien spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht anzustellen und soweit die Beschwerden insoweit verfassungsrechtliche Fragen berührten, als die Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Bestimmungen behauptet werde, wendeten sich die Beschwerden gegen vom LVwG nicht angewendete und auch nicht anzuwendende Rechtsvorschriften.
8 Nunmehr richten sich gegen die genannten Entscheidungen des LVwG die vorliegenden außerordentlichen Revisionen. Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Revisionsverfahren wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 In den Revisionen wird zur deren Zulässigkeit gleichlautend zusammengefasst vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „zur Vereinbarkeit des in § 3 Abs 1, Abs 2 und Abs 4 iVm Anhang 1 Spalte 2 und 3 UVP G 2000 vorgesehenen sog ‚vereinfachten Verfahrens‘ mit den unionsrechtlichen Vorgaben der UVP-Richtlinie“. Die gegenständliche Entscheidung beruhe auf einem vorangegangenen vereinfachten UVP Verfahren. Es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, ob die österreichische Regelung, die im vereinfachten Verfahren reduzierte Anforderungen an die Umweltverträglichkeitserklärung stelle, mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar sei. Der der Enteignung zugrunde liegende UVP Bescheid sei materiell rechtswidrig, da nach näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Umweltverträglichkeitsprüfung nur dann rechtmäßig sei, wenn sie auf einer vollständigen und aktuellen Bewertung aller Umweltauswirkungen basiere. Die dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegende UVP stütze sich in Abweichung von dieser Rechtsprechung auf veraltete Berechnungen und Annahmen, weshalb die Enteignungsentscheidungen jeglicher Grundlage entbehrten. Darüber hinaus fehle es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, „ob ein ‚Potential‘, dessen ‚Ausschöpfung noch ungewiss‘ ist, ein öffentliches Interesse iSd § 12a Abs 2 NÖ StraßenG 1999 darstellen darf sowie ob bzw inwieweit die öffentlichen Interessen iSd § 12a Abs 2 NÖ Straßengesetz 1999 konkretisiert werden müssen“; das BVwG habe im UVP Verfahren ein ungewisses Potential des Vorhabens als öffentliches Interesse im Sinn des § 12a Abs. 2 NÖ Straßengesetz 1999 qualifiziert. Die Revisionen seien schließlich auch deshalb zulässig, weil der Verwaltungsgerichtshof bisher nicht über „die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des § 6 Abs 1 NÖ StraßenG 1999 entschieden“ habe, „wonach die Landesregierung fakultativ eine Verordnung zur Erklärung eines Landesstraßengebiets erlassen ‚darf‘“.
13 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revisionen nicht dargetan.
14 Vorauszuschicken ist, dass die Revisionen zwar jeweils ihrer Anfechtungserklärung nach „das angefochtene Erkenntnis [...] seinem gesamten Inhalt“ nach bekämpfen, zur Zurückweisung der Beschwerden der revisionswerbenden Parteien insoweit, als sich diese gegen die jeweiligen Spruchpunkte II. der bekämpften Bescheide der belangten Behörde (Festsetzung der Höhe der zu leistenden Entschädigung) wendeten, aber kein Zulässigkeitsvorbringen enthalten. In diesem Umfang sind die Revisionen daher bereits aus diesem Grund zurückzuweisen.
15 Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit Enteignungsverfahren nach dem in den hier wesentlichen Teilen inhaltlich weiterhin in Geltung stehenden und damit vorliegend angewendeten - § 11 NÖ Straßengesetz 1999 bereits wiederholt ausgesprochen, dass im Enteignungsverfahren nicht mehr die Notwendigkeit der Straße oder auch der Verlauf der Trasse die bereits im straßenrechtlichen Bewilligungsverfahren zu prüfen sind , sondern im Wesentlichen nur mehr die Frage zu prüfen ist, ob die Enteignung der für die Realisierung des Straßenbauvorhabens vorgesehenen Grundstücke im beantragten Umfang erforderlich ist (vgl. z.B. VwGH 11.1.2012, 2011/06/0190, 6.10.2011, 2010/06/0012 oder auch 8.6.2011, 2010/06/0016, jeweils mwN). Allfällige Verfahrensmängel und unrichtige Rechtsauffassungen der Behörden (sowie des Verwaltungsgerichtes) im Straßenbaubewilligungsverfahren können im Enteignungsverfahren nicht mehr releviert werden (vgl. nochmals etwa VwGH 6.10.2011, 2010/06/0012); dies gilt auch für die Frage der Interessenabwägung (vgl. nochmals z.B. VwGH 11.1.2012, 2011/06/0190, mwN):
16 Die genannten Grundsätze gelten auch für Fälle wie den vorliegenden, in welchen die straßenbaurechtliche Bewilligung nach dem NÖ Straßengesetz 1999 im Rahmen einer Bewilligung nach dem UVP G 2000 erteilt wurde (vgl. in diesem Sinn VwGH 4.8.2015, 2013/06/0052).
17 Fallbezogen wenden sich die Revisionen in ihrem Zulässigkeitsvorbringen ausschließlich gegen die rechtskräftige Bewilligung des gegenständlichen Straßenbauvorhabens nach dem UVP G 2000, indem mit näherer Begründung deren Rechtmäßigkeit bestritten wird. Damit werden vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch keine Rechtsfragen angesprochen, von deren Beantwortung das Schicksal der vorliegenden Enteignungsverfahren abhängen könnte. Dass die Enteignung der für die Realisierung des Straßenbauvorhabens vorgesehenen Grundstücke im beantragten Umfang nicht erforderlich sei, wird in den Zulässigkeitsbegründungen nicht vorgebracht.
18 Soweit zur Zulässigkeit der Revisionen außerdem ohne nähere Begründung ausgeführt wird, der Verwaltungsgerichtshof habe bisher nicht über „die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des § 6 Abs 1 NÖ StraßenG 1999 entschieden [...] wonach die Landesregierung fakultativ eine Verordnung zur Erklärung eines Landesstraßengebiets erlassen ‚darf‘“, wird mit diesem Vorbringen kein Bezug zu den ausschließlich die jeweilige Enteignung betreffenden Revisionssachverhalten hergestellt und somit nicht aufgezeigt, inwiefern eine Beantwortung dieser Frage für das rechtliche Schicksal der Revisionen von Bedeutung sein sollte.
19 In den Revisionen werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
20 Vor diesem Hintergrund war der Anregung, der Verwaltungsgerichtshof möge an den EuGH zu einer näher bezeichneten Frage einen Antrag auf Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV stellen, nicht zu folgen (vgl. etwa VwGH 12.11.2024, Ro 2024/06/0024, mwN).
Wien, am 20. März 2025
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