Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak und die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, über die Revision von 1. F F und 2. M F, beide in S, beide vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, LL.M., MAS, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 27. Juni 2023, LVwG 152791/25/WP, betreffend einen baubehördlichen Abbruchauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde Schörfling am Attersee; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den baupolizeilichen Auftrag gemäß § 49 Abs. 1 Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) der belangten Behörde vom 21. Juli 2020, mit dem ihnen der Abbruch eines Neubaus auf näher genannten Grundstücken der KG K und die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes binnen einer Frist von acht Wochen aufgetragen worden war, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Setzung einer neuen Leistungsfrist „bis zum Ablauf des Juni 2024“ als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ausgesprochen, dass gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig sei (Spruchpunkt II.).
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass sich auf diesen Grundstücken zuvor ein landwirtschaftliches Anwesen befunden habe, das gänzlich abgetragen worden sei. An dessen Stelle sei auf den Grundstücken zwischen Frühjahr 2019 und Mai 2020 ein näher beschriebenes Bauwerk von den revisionswerbenden Parteien errichtet worden. Diese seien jeweils Miteigentümer der betroffenen Liegenschaft. Eine Baubewilligung für die Errichtung des Neubaus sei bislang nicht erteilt worden. Mit Erkenntnis vom 28. Februar 2023, V 97/2021, habe der Verfassungsgerichtshof den „Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde S[...] Teil A: Flächenwidmungsteil Nr 5, beschlossen vom Gemeinderat am 24. April 2018, kundgemacht an der Amtstafel vom 10. bis 28. August 2018, soweit er sich auf die Grundstücke Nr 989/1, 989/2, 987/1, 988/1 und .196/1, KG K...“, beziehe, als gesetzwidrig aufgehoben. Am 28. März 2023 habe der Gemeinderat der Marktgemeinde S die Verordnung „Neuplanungsgebiet Nr. 01/2023 ‚S[..]straße‘, Änderung Flächenwidmungsteil“ beschlossen. Diese Neuplanungsgebietsverordnung sehe für die in Rede stehenden Grundstücke unter anderem die Festlegung vor, dass die Neuerrichtung von Gebäuden und Schutzdächern unzulässig sei. Zulässig seien ausschließlich Umbauten rechtmäßig bestehender Gebäude.
3 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, dass ein Auftrag gemäß § 49 Abs. 1 Oö. BauO 1994 zu erteilen sei, wenn eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne Baubewilligung ausgeführt werde oder worden sei. Voraussetzung sei, dass die bauliche Anlage sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch im Zeitpunkt des baubehördlichen Auftrages bewilligungspflichtig gewesen wäre (Hinweis auf VwGH 29.4.2015, 2013/05/0025, 30.1.2014, 2013/05/0223; 6.11.2013, 2012/05/0082). Die Möglichkeit, nachträglich eine Baubewilligung zu beantragen sei dann nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden könne (Hinweis auf VwGH 26.9.2017, Ro 2015/05/0016; 22.11.2005, 2003/05/0130). Für die Klärung, ob die Erteilung einer nachträglichen Bewilligung im Zeitpunkt der Erlassung des Auftrages möglich sei, sei die in diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage maßgeblich (Hinweis auf VwGH 30.1.2014, 2013/05/0223). Unter „maßgeblicher Rechtslage“ seien gemäß § 49 Abs. 6 Oö. BauO 1994 auch die bau- und raumordnungsrechtlichen Bestimmungen zu verstehen; eine Differenzierung zwischen bewilligungs- und anzeigepflichtigen sowie bewilligungs- und anzeigefreien Bauvorhaben könne daher entfallen, es müsse sich lediglich um eine bauliche Anlage handeln. Die revisionswerbenden Parteien hätten die Bestandssubstanz abgetragen und sodann den bestehenden „Rohbau“ mit zwei Geschossen über der Erde samt Kellergeschoss errichtet. Darin sei ein Neubau im Sinne des § 2 Z 19 Oö. Bautechnikgesetz 2013 zu verstehen. Es könne dahin gestellt bleiben, ob das abgetragene Bestandsgebäude über einen baurechtlichen Konsens verfügt habe, da ein allenfalls bestehender baurechtlicher Konsens mit der Abtragung untergegangen sei. Die Oö. BauO 1994 sehe seit ihrem Inkrafttreten die Bewilligungspflicht (u.a.) für die Errichtung von Gebäuden vor (Hinweis auf § 24 Abs. 1 leg.cit.). Der verfahrensgegenständliche „Rohbau“ sei im Errichtungszeitpunkt bewilligungspflichtig gewesen. Eine Bewilligung liege aber nicht vor. Der Erteilung einer nachträglichen Bewilligung stehe die anzuwendende Neuplanungsgebietsverordnung entgegen, da die Neuerrichtung von Gebäuden und Schutzdächern nach dieser unzulässig sei. Es sei der belangten Behörde nicht entgegen zu treten, wenn sie einen unbedingten Beseitigungsauftrag erlassen habe. Die Leistungsfrist sei vor dem Hintergrund der Dauer einer Beseitigung des „Rohbaus“ und des Flächenwidmungsplanänderungsverfahrens neu festzusetzen gewesen.
4 Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der zunächst gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 28. November 2023, E 2553/2023 11, abgelehnt. Über nachträglichen Antrag trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde sodann mit Beschluss vom 15. März 2024, E 2553/2023 16, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, es sei aus näher genannter hg. Rechtsprechung nur ersichtlich, dass die Frage, ob ein unbedingter Abbruchauftrag erteilt werden dürfe, oder ob die Möglichkeit der Beantragung einer nachträglichen Bewilligung einzuräumen sei, nach den im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung der Baubehörde geltenden baurechtlichen Bestimmungen zu beurteilen sei. Die belangte Behörde habe ihre Entscheidung auf den mittlerweile aufgehobenen Flächenwidmungsplan Nr. 5 gestützt. Es sei aus der Rechtsprechung nicht ersichtlich, wie in einem solchen Fall vorzugehen sei. Der Abbruchauftrag dürfe weiters nicht auf eine erst zu einem späteren Zeitpunkt erlassene Neuplanungsgebietsverordnung gestützt werden. Dazu fehle ebenso Rechtsprechung. Schließlich hätten die revisionswerbenden Parteien im Verfahren vorgebracht, sie hätten lediglich aufgrund des desolaten Zustandes des Gebäudes Teile abgetragen und neu errichtet. Es müsse Liegenschaftseigentümern möglich sein, eine „Sanierung durch Neubau“ vornehmen zu können, ohne dass dabei die Baubewilligung automatisch verloren gehe.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages (hier gemäß § 49 Abs. 1 Oö. BauO 1994) voraussetzt, dass die den Gegenstand des Verfahrens bildende bauliche Anlage sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des behördlichen Auftrages bewilligungspflichtig war bzw. ist (vgl. VwGH 29.4.2015, 2013/05/0025). Für die Klärung der Frage, ob die Erlassung einer nachträglichen Baubewilligung im Zeitpunkt der Erlassung des Auftrages möglich ist, ist die in diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage maßgebend (vgl. erneut das genannte Erkenntnis vom 28. April 2015).
10 Dabei ist die Frage, ob gemäß § 49 Abs. 1 zweiter Satz Oö. BauO 1994 nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung für eine zu beseitigende bewilligungspflichtige bauliche Anlage nachträglich erteilt werden kann, im baupolizeilichen Auftragsverfahren zu beurteilen (vgl. VwGH 27.2.2019, Ra 2019/05/0040, mwN). Bei der Entscheidung über den vorliegenden baupolizeilichen Auftrag hatte das Verwaltungsgericht die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. VwGH 26.3.2019, Ra 2018/05/0165, mwN).
11 Folgerichtig führte das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Begründung zur Frage der Möglichkeit der nachträglichen Bewilligung nachvollziehbar aus, dass dieser die in der Zwischenzeit in Kraft getretene Neuplanungsgebietsverordnung vom 28. März 2023, nach der auf den in Rede stehenden Grundstücken die Neuerrichtung von Gebäuden und Schutzdächern unzulässig ist, entgegensteht. Die Revision vermag mit ihrem pauschal gehaltenen Vorbringen nicht darzulegen, dass das Verwaltungsgericht damit von der bestehenden und oben dargelegten Rechtsprechung abgewichen ist. Dass das Verwaltungsgericht für seine Entscheidung eine andere Rechtslage anzuwenden gehabt hätte, ist zudem nicht ersichtlich (vgl. VwGH 24.1.2022, Ra 2021/06/0231, mwN).
12 Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht, wie auch die belangte Behörde zuvor, zu dem auf § 49 Abs. 1 Oö. BauO 1994 gestützten Beseitigungsauftrag dargelegt, dass das vom Beseitigungsauftrag betroffene Gebäude sowohl im Zeitpunkt seiner Errichtung zwischen Frühjahr 2019 und Mai 2020 als auch im Zeitpunkt der Erlassung des Beseitigungsauftrages gemäß § 24 Abs. 1 Oö. BauO 1994 bewilligungspflichtig gewesen ist. Dem hält die Revision nichts entgegen.
13 Soweit die Revision ihre Zulässigkeit schließlich damit begründet, dass nur Teile des Bestandsgebäudes abgerissen worden wären und der Untergang des Konsenses unverhältnismäßig sei, entfernt sie sich mit diesem Vorbringen vom festgestellten Sachverhalt und zeigt auch damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG auf. Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt (vgl. VwGH 26.3.2021, Ra 2021/05/0043, 0044, mwN). Auch übersieht die Revision dabei, dass gemäß § 38 Abs. 7 Oö. BauO 1994 eine Baubewilligung jedenfalls mit der Beseitigung des auf Grund dieser Baubewilligung ausgeführten Bauvorhabens erlischt. Eine solche Beseitigung ist nach der hg. Judikatur gegeben, wenn das ursprünglich vorhandene Gebäude nahezu vollständig abgebrochen wird. Der Grund für die Beseitigung des alten Gebäudes spielt dabei keine Rolle (vgl. VwGH 22.6.2023, Ra 2022/05/0030, mwN).
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 10. Mai 2024
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