Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des S in B, vertreten durch die Raffaseder Haider Rechtsanwälte OG in 4240 Freistadt, Hauptplatz 22, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 21. Februar 2024, LVwG 303551/15/Bm/AK, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Urfahr Umgebung), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr Umgebung vom 20. Juni 2023 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher genannten Gesellschaft zu verantworten, dass am 17. September 2020 ein namentlich genannter Arbeitnehmer auf einer der Adresse nach umschriebenen Baustelle mit Arbeiten auf der ersten Gerüstlage in ca. 2,5m Höhe beschäftigt gewesen sei, wobei auf der dem eingerüsteten Objekt zugewandten Seite des Gerüstes keine Wehren vorhanden gewesen seien, obwohl Absturzgefahr gemäß § 7 Abs. 2 Z 4 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) bestanden und der Abstand zwischen Gerüstbelag und eingerüstetem Objekt im Bereich der Einfahrt mehr als 40 cm betragen habe (tatsächlich ca. 80 90 cm). Der Revisionswerber habe dadurch § 58 Abs. 5 2. Satz iVm § 7 Abs. 2 Z 4 BauV verletzt, weshalb über ihn gemäß § 130 Abs. 5 Z 1 iVm § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000, (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag 16 Stunden) verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens festgesetzt wurde.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) der dagegen erhobenen Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insofern Folge, als es die verhängte Geldstrafe auf € 800, und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 32 Stunden herabsetzte. Im Übrigen wies es die Beschwerde mit einer für das Revisionsverfahren nicht relevanten Maßgabe sowie nach Ergänzung der Fundstellen der verletzten Verwaltungsvorschriften und der Strafsanktionsnormen als unbegründet ab, setzte den Kostenbeitrag zum behördlichen Verfahren neu fest und sprach aus, dass eine Revision unzulässig sei.
3 In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht zusammengefasst fest, dass das Gerüst, auf dem der Arbeitnehmer Malerarbeiten durchgeführt habe, von einer Fremdfirma aufgestellt worden sei. Der Prokurist der vom Revisionswerber repräsentierten Gesellschaft habe lediglich überprüft, ob das Gerüst am vereinbarten Tag aufgestellt worden sei, jedoch keine Überprüfung hinsichtlich Mängel vorgenommen. An dem Gerüst hätten im Bereich der ersten Gerüstlage in ca. 2,5m Höhe die erforderlichen Wehren gefehlt. Der Arbeitnehmer habe die unzureichende Sicherung des Gerüsts erkannt und das fehlende Teil zur Absicherung geholt. Die offene Stelle sei provisorisch mit einem Vlies abgedeckt und mit einem „X“ gekennzeichnet worden. Noch bevor die fehlende Absicherung montiert worden sei, sei jedoch auf dem Gerüst weitergearbeitet worden; der Arbeitnehmer sei vom Gerüst gestürzt und habe sich schwer verletzt. Der Revisionswerber habe grundsätzlich Kenntnis von der Baustelle gehabt; welche Arbeiten vorzunehmen seien, wer diese ausführe und wie diese auszuführen seien, sei ihm jedoch nicht bekannt gewesen. Die Überprüfung, ob das Gerüst in sicherheitstechnischer Hinsicht richtig aufgestellt sei, sei vom Arbeitnehmer vorgenommen worden. Es habe diesbezüglich keine Anordnungen und Kontrollen vom Revisionswerber oder von Seiten des Prokuristen gegeben. Im Unternehmen seien auch keine regelmäßigen Schulungen hinsichtlich der einzuhaltenden Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt worden.
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht unter Darstellung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Wesentlichen aus, dass von der Darlegung eines effektiven Kontrollsystems keine Rede sein könne. Vielmehr sei vom Revisionswerber ausdrücklich ausgeführt worden, dass er von den Arbeiten gar nichts gewusst habe und sich auch nicht um „solche Sachen“ gekümmert habe. Der Revisionswerber habe nicht vorgebracht, in welcher Form Anweisungen erfolgen würden oder er Maßnahmen gegen ein allfälliges weisungswidriges Verhalten seiner Mitarbeiter getroffen habe. Es seien somit die objektive und die subjektive Tatseite der Übertretung als erwiesen anzusehen.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, sind nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist der Verwaltungsgerichtshof nach § 34 Abs. 1a VwGG bei an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht habe keine Überlegungen dazu angestellt, ob dem Revisionswerber der Verstoß auch subjektiv angelastet werden könne, sondern habe seine Entscheidung damit begründet, dass der Revisionswerber kein effektives Kontrollsystem implementiert habe. Ein konkretes Verschulden des Revisionswerbers zeige das Verwaltungsgericht nicht auf. Das Verwaltungsgericht übersehe, dass die Nichtbeachtung der Erfordernisse eines wirksamen Kontrollsystems nicht gleichsam automatisch eine Verwaltungsstrafe nach sich ziehen könne, sondern eine fahrlässige Tatbegehung im Einzelfall lediglich indiziere. Auch ein noch so effektives Kontrollsystem hätte den Unfall nicht verhindern können, weil der verunfallte Arbeitnehmer das Fehlen einer Absturzsicherung ohnehin erkannt und darauf reagiert habe. Individuelle Fehler und eine unglückliche Verkettung von Umständen könne auch das beste Kontrollsystem nicht verhindern. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob das Fehlen eines Kontrollsystems auch dann eine Verwaltungsstrafe nach sich ziehen könne, wenn sich das Organisationsverschulden nicht ausgewirkt habe.
10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber im Bereich des Arbeitnehmerschutzes für die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems zu sorgen, wobei dieses Kontrollsystem gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften Platz zu greifen hat. Die Einrichtung eines entsprechenden Kontrollsystems ist für die Befreiung von der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften entscheidend (vgl. etwa VwGH 12.11.2019, Ra 2019/02/0166, mwN).
11 Zum Vorliegen eines ausreichenden Kontrollsystems ist darauf hinzuweisen, dass es nach der hg. Rechtsprechung zur Einrichtung von Kontrollsystemen für die Befreiung von der Verantwortlichkeit zusammengefasst entscheidend ist, ob Maßnahmen getroffen wurden, die im Ergebnis mit gutem Grund erwarten lassen, dass die Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften gewährleistet ist. (Betriebliche) Kontrollsysteme gleichen sich in der Regel nicht und unterliegen daher einer einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgte und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führte (vgl. VwGH 7.9.2022, Ra 2022/02/0168, mwN).
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ausgestaltung des Kontrollsystems entlastet schlichtes „Vertrauen“ darauf, dass sich ein Arbeitnehmer weisungskonform verhalte, den Arbeitgeber nicht. Das entsprechende Kontrollsystem hat auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitsnehmerschutzvorschriften Platz zu greifen. Im Rahmen eines funktionierenden Kontrollsystems kann es kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten (vgl. VwGH 1.9.2022, Ra 2022/02/0161, mwN). Auch das Hinzutreten eines allenfalls auch krassen Fehlverhaltens eines Arbeitnehmers, das in der Folge zu einem Arbeitsunfall geführt hat, vermag am Verschulden des Arbeitgebers an einer nicht erfolgten Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems nichts zu ändern (vgl. VwGH 7.11.2023, Ra 2023/02/0176, mwN).
13 Das Verwaltungsgericht hat in seinem angefochtenen Erkenntnis nachvollziehbar dargelegt, dass der Revisionswerber im Verfahren kein den genannten Anforderungen entsprechendes wirksames Kontrollsystem dargetan hat. Die Revision zeigt nicht auf, dass diese fallbezogene Beurteilung durch das Verwaltungsgericht unvertretbar gewesen wäre. Soweit die Revision darauf abstellt, dass der Unfall auch bei Vorliegen eines tauglichen Kontrollsystems nicht hätte verhindert werden können, übersieht sie, dass dem Revisionswerber nicht der Unfall angelastet wurde, sondern nicht dafür gesorgt zu haben, dass das Gerüst, auf dem der Arbeitnehmer gearbeitet hat, den arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen entspricht. Dass der Arbeitnehmer das Fehlen der Absturzsicherheit erkannt habe, mag zwar zutreffen, entlastet den Revisionswerber aber nicht, weil es ungeachtet dessen in der Verantwortung des Revisionswerbers lag, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass das Risiko eines Absturzes durch Einhaltung der einschlägigen arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen hintangehalten bzw. verringert wird.
14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 19. Juni 2024
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