Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofräte Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 17. Jänner 2024, Zl. LVwG 450 1/2023 R9, betreffend Abweisung eines Antrages auf Ausstellung eines Reisepasses und eines Personalausweises (mitbeteiligte Partei [nach der Bezeichnung durch das Verwaltungsgericht]: Dr. L B, in S, vertreten durch Univ. Doz. Dr. Bernd Oberhofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 9), den Beschluss
gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Beschluss behob das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (Verwaltungsgericht) den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 17. April 2023, mit dem die Anträge der mitbeteiligten Partei auf Ausstellung eines Reisepasses und eines Personalausweises (u.a.) „unter Beachtung“ des § 1 des Gesetzes vom 3. April 1919 über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter und Damenorden und gewisser Titel und Würden, StGBl. Nr. 211/1919 in der geltenden Fassung, (Adelsaufhebungsgesetz) iVm § 2 Z 1 der Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Inneres und Unterricht und des Staatsamtes für Justiz, im Einvernehmen mit den beteiligten Staatsämtern, über die Aufhebung des Adels und gewisser Titel und Würden, StGBl. Nr. 237/1919, (Vollzugsanweisung) abgewiesen wurden, und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurück. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, die Behörde sei bei der Erlassung des Ersatzbescheides an die im Beschluss dargelegte rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts gebunden. Die Revision wurde für zulässig erklärt.
2 Begründend hielt das Verwaltungsgericht auf das Wesentliche zusammengefasst fest, im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides sei das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 17. Jänner 2023, 19745/20 u.a., Künsberg Sarre/Österreich , noch nicht rechtskräftig gewesen. Zwischenzeitlich sei es am 26. Juni 2023 in Rechtskraft erwachsen. Dieses Urteil habe die Behörde bei der neuerlichen Entscheidung zu berücksichtigen und die vom Mitbeteiligten in der Stellungnahme vom 21. November 2023 enthaltenen Angaben insbesondere über die Dauer der unbeanstandeten Führung des Namens durch ihn sowie die von ihm genannten Familienangehörigen auf ihre Richtigkeit zu prüfen und entsprechende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen. Bestünden nach erfolgter behördlicher Prüfung keine Anhaltspunkte, an den Angaben des Mitbeteiligten zu zweifeln, sei eine Interessenabwägung entsprechend den in den Rz 70, 72 und 73 genannten Aspekten des Urteils des EGMR durchzuführen.
3 Die Revisionszulassung begründete das Verwaltungsgericht damit, dass „dieser Beschluss eine aktuelle Judikatur des EGMR ( Rs Künsberg Sarre/Österreich ) berücksichtigt und dazu eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt, im konkreten Fall fehlt.“
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision, die vom Verwaltungsgericht mit der Revisionsbeantwortung der mitbeteiligten Partei unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde. Der Mitbeteiligte beantragte in der Revisionsbeantwortung die Zuerkennung von Aufwandersatz.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
8 Zweck der Begründungspflicht nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG ist bei einer ordentlichen Revision die vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Fokussierung auf die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage (vgl. etwa VwGH 30.3.2022, Ro 2022/01/0004, mwN).
9 Zudem ist Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 zweite Variante B VG („weil ... eine solche Rechtsprechung fehlt“) das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer konkreten Rechtsfrage (vgl. VwGH 8.4.2024, Ro 2024/01/0002, mwN).
10 Aus diesem Blickwinkel wurde den Begründungserfordernissen gemäß § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG nicht Genüge getan. Es wird vom Verwaltungsgericht nämlich nicht dargelegt, welche konkret auf die vorliegende Revisionssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof erstmals zu lösen hätte (vgl. dazu etwa VwGH 16.6.2021, Ro 2021/01/0013, jeweils mwN; vgl. zur vorliegenden Problematik aber VfGH 5.3.2024, E 906/2023, Rn. 20 22).
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Revisionswerber auch in der ordentlichen Revision von sich aus die im Lichte des Art. 133 Abs. 4 B VG maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Auffassung ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. erneut VwGH 30.3.2022, Ro 2022/01/0004, sowie VwGH 26.2.2024, Ro 2024/06/0001, jeweils mwN).
12 Ein solches gesondertes Zulässigkeitsvorbringen enthält die vorliegende Revision nicht.
13 Der Verwaltungsgerichtshof ist aber weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa erneut 30.3.2022, Ro 2022/01/0004, jeweils mwN).
14 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die geltend gemachte Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen nach dieser Verordnung bereits enthalten ist (vgl. etwa VwGH 21.3.2024, Ro 2022/10/0019, mwN).
Wien, am 13. Juni 2024
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