Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision der T G, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 3/14, gegen das am 1. Juni 2022 mündlich verkündete und mit 7. September 2023 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW 151/079/16543/2021 25, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 In der gegenständlichen Rechtssache wurde am 1. Juni 2022 eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt, in deren Anschluss das angefochtene Erkenntnis mündlich verkündet wurde. Mit diesem Erkenntnis wurde die Beschwerde der Revisionswerberin, einer thailändischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der belangten Behörde (Landeshauptmann von Wien) vom 18. Oktober 2021, mit dem deren Antrag vom 26. Jänner 2021 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ (§ 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz [NAG]) gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm. Abs. 5 NAG, § 21 Abs. 1 NAG sowie § 11 Abs. 2 Z 1 iVm. Abs. 4 NAG abgewiesen worden war, gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG abgewiesen. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG wurde für nicht zulässig erklärt.
2 Mit Eingabe vom 8. Juni 2022 beantragte die Revisionswerberin die schriftliche Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.
3 Einer in den vorgelegten Verfahrensakten befindlichen Verfügung der Vorsitzenden des Geschäftsverteilungsausschusses des Verwaltungsgerichts Wien vom 10. Oktober 2022 zufolge wurde die vorliegende Rechtssache mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses des Verwaltungsgerichtes Wien vom 6. Oktober 2022 gemäß der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Geschäftsverteilung dem zuständigen Mitglied des Verwaltungsgerichts mit 10. Oktober 2022 abgenommen und die Rechtssache nach den Bestimmungen dieser Geschäftsverteilung einem anderen Mitglied neu zugewiesen.
4 Durch das zuletzt genannte Mitglied erfolgte die mit 7. September 2023 datierte schriftliche Ausfertigung des angefochtenen Erkenntnisses, in der zusammengefasst ausgeführt wird, die in der Niederschrift über die mündliche Verkündung des angefochtenen Erkenntnisses festgehaltene Begründung sei unzureichend. Anhand dieser Begründung sei die mündlich verkündete Entscheidung aus näher dargestellten Gründen nicht nachvollziehbar. Im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu vergleichbaren Konstellationen (Hinweis auf VwGH 26.2.2020, Ra 2019/09/0154) seien dem für die Ausfertigung zuständigen Mitglied des Verwaltungsgerichts „die Hände gebunden. Es sei weder eine Wiederholung der mündlichen Verhandlung „mit neuer Beurteilung“ möglich, noch sei die in wesentlichen Punkten unzureichende Begründung, die das Verhandlungsprotokoll betreffend die mündliche Verkündung des angefochtenen Erkenntnisses enthalte, einer Ergänzung im Wege der (aufgrund des Beschlusses des Geschäftsverteilungsausschusses vom 6. Oktober 2022 durch ein anderes Mitglied zu erstellenden) schriftlichen Ausfertigung zugänglich.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung unter dem Gesichtspunkt einer Abweichung von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Wesentlichen geltend gemacht wird, die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses erweise sich unter näher dargestellten Gesichtspunkten als nicht nachvollziehbar bzw. mangelhaft. Der Spruch des angefochtenen, mündlich verkündeten Erkenntnisses sowie die Begründung der schriftlichen Ausfertigung desselben stünden zueinander in Widerspruch.
6 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 Die Revision erweist sich aus dem von ihr dargelegten Grund als zulässig. Sie ist auch begründet.
8 Ein Begründungsmangel führt jedenfalls dann zu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er derart grob ist, sodass er entweder die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert (vgl. VwGH 23.9.2020, Ra 2019/14/0558 bis 0560, Rn. 26). Dies ist hier der Fall:
9 Im Revisionsfall kann anhand der Verhandlungsniederschrift und den darin zur mündlichen Verkündung des angefochtenen Erkenntnisses festgehaltenen Entscheidungsgründen nicht nachvollzogen werden, welche tragenden Überlegungen für die getroffene Entscheidung (insbesondere, was die Interessenabwägung im Sinn von § 11 Abs. 3 bzw. § 21 Abs. 3 NAG iVm. Art. 8 EMRK anbelangt, die angesichts der vom Verwaltungsgericht in Bestätigung des Bescheides der belangten Behörde herangezogenen Gründe für die Abweisung des Antrags der Revisionswerberin durchzuführen war) ausschlaggebend waren. Selbiges gilt für die in der gegenständlichen Konstellation nach Neuzuteilung der Rechtssache durch ein anderes Mitglied des Verwaltungsgerichts erstellte schriftliche Ausfertigung der angefochtenen Entscheidung.
10 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
11 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 23. Februar 2024