Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofräte Dr. Chvosta und Mag. Schartner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des O B O, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen die Spruchpunkte A.I. und A.III. des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. September 2023, W250 2277915 2/5E, betreffend Festnahme (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber, ein nigerianischer Staatsangehöriger, wurde am 8. September 2023, um 9:00 Uhr, nach seinem Aufgriff durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Basis eines auf § 34 Abs. 2 Z 2 BFA VG gestützten Festnahmeauftrages des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) festgenommen.
2 Im Zuge der Festnahme wurde dem Revisionswerber ein in englischer Sprache verfasstes Formblatt mit Informationen für (nach dem BFA VG) festgenommene Personen ausgefolgt, in welchem jedoch der konkrete Festnahmegrund nicht angekreuzt war. Nach der am 8. September 2023, ab 11:15 Uhr, von einem Organ des BFA durchgeführten Vernehmung des Revisionswerbers wurde um 13:30 Uhr desselben Tages über ihn die Schubhaft verhängt.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 14. September 2023 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers, soweit sie sich gegen seine Festnahme am 8. September 2023 richtete, als unbegründet ab (Spruchpunkt A.I.). In Bezug auf die anschließende Anhaltung des Revisionswerbers (erkennbar: bis zur Erlassung des Schubhaftbescheides) gab das BVwG der Beschwerde statt und erklärte sie für rechtswidrig (Spruchpunkt A.II.). Überdies wies es die Anträge auf Kostenersatz ab, und zwar sowohl des Revisionswerbers (Spruchpunkt A.III.) als auch der belangten Behörde (Spruchpunkt A.IV.). Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B.).
4 Das BVwG ging soweit für das vorliegende Revisionsverfahren relevant rechtlich davon aus, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Festnahme des Revisionswerbers nach § 40 Abs. 1 Z 1 BFA VG erfüllt gewesen seien. Die Festnahme sei nämlich aufgrund eines gemäß § 34 BFA VG erlassenen Festnahmeauftrages zum Zweck der Vorführung vor das BFA erfolgt und auch verhältnismäßig gewesen. Die Beschwerde gegen die Festnahme sei daher abzuweisen. Da der Revisionswerber jedoch nicht, und zwar auch nicht im Zuge der Vernehmung vor dem BFA, entsprechend der Bestimmung des § 41 Abs. 1 BFA VG über die Gründe seiner Festnahme unterrichtet worden sei, erweise sich seine Anhaltung nach der Festnahme als rechtswidrig.
5 Gegen die Abweisung der Beschwerde betreffend die Festnahme und die Abweisung des Antrages des Revisionswerbers auf Kostenersatz richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung des Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen hat:
6 Die Revision erweist sich entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des BVwG unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG aus folgenden Gründen als zulässig und auch als berechtigt:
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bereits festgehalten, dass Rechtswidrigkeit einer auf § 40 BFA VG gestützten Festnahme bzw. Anhaltung vorliegen kann, wenn die festgenommene Person entgegen der im Einklang mit den Verfassungsbestimmungen des Art. 4 Abs. 6 PersFrG und des Art. 5 Abs. 2 EMRK stehenden Anordnung des § 41 Abs. 1 BFA VG nicht ehestens in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe der Festnahme bzw. Anhaltung informiert wurde (VwGH 13.12.2023, Ra 2023/21/0091, Rn. 12, mwN). Zweck der Informationspflicht ist es, den Festgenommenen in die Lage zu versetzen, die Rechtmäßigkeit der Festnahme zu beurteilen und gegebenenfalls einen entsprechenden Rechtsbehelf zu erheben, also effektiven Rechtsschutz gegen die Festnahme (und die darauf gegründete Anhaltung) zu erlangen (vgl. in diesem Sinn neuerlich VwGH 13.12.2023, Ra 2023/21/0091, nunmehr Rn. 13, sowie auch VfGH 29.9.1997, B 3059/96, VfSlg. 14.903, Punkt II.2.2. der Entscheidungsgründe).
8 Ausgehend von der Annahme des BVwG, wonach der Revisionswerber über die Gründe seiner Festnahme (und Anhaltung) nicht rechtzeitig unterrichtet worden sei, wäre somit nicht nur die Anhaltung des Revisionswerbers am 8. September 2023, sondern gerade auch dessen vorangegangene Festnahme am selben Tag als rechtswidrig anzusehen und der Beschwerde auch in diesem Punkt stattzugeben gewesen. Die konkrete Information über den Grund der Festnahme ist wie bereits erwähnt selbstredend nicht nur eine Voraussetzung um einen effektiven Rechtsschutz gegen die der Festnahme unmittelbar folgende Anhaltung zu gewährleisten, sondern auch hinsichtlich der Festnahme selbst (siehe dazu auch noch betreffend die vergleichbaren Informationspflichten nach § 36 Abs. 1 VStG den Beschluss VwGH 22.10.2024, Ra 2024/01/0289, Rn. 18, mwN).
9 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
10 Der Kostenzuspruch beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 3. April 2025
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