Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Seiler, über die Revision des A A, vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwältin in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 2023, Zl. W204 2265447 1/2E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Araber, stellte am 17. November 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, in Syrien Probleme gehabt zu haben, weil er seinen Militärdienst nicht abgeleistet habe.
2 Mit Bescheid vom 6. Dezember 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
3 Die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab (Spruchpunkt A.) und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 B VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B.).
4 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, dass nicht nachvollziehbar sei, wie dem Revisionswerber eine Bestrafung durch die syrische Regierung oder sogar eine Zwangsrekrutierung drohen könne, wenn die syrische Regierung in der Herkunftsregion des Revisionswerbers keine Macht und somit auch keine Zugriffsmöglichkeit auf den Revisionswerber habe. Unterstützt werde diese Annahme auch dadurch, dass dem Revisionswerber bis dato kein Einberufungsbefehl zugestellt worden sei. Auch habe er sich kein Wehrdienstbuch ausstellen lassen müssen.
Eine mögliche Rekrutierung von kurdischer Seite habe der Revisionswerber ebenso nicht substantiiert geltend gemacht. Der Revisionswerber habe als Fluchtgrund lediglich angegeben, in seinem Heimatland auf Grund der Nichtableistung des Militärdienstes Probleme gehabt zu haben. Erst auf weitere Nachfrage, warum er Syrien verlassen habe, habe er ausgeführt, dass er sich im wehrfähigen Alter befände und Angst habe, dass ihn die Kurden oder die syrische Armee rekrutieren würden. Gleichzeitig habe er aber eingeräumt, dass er nie Kontakt zur Armee oder solchen Gruppierungen gehabt habe, keine Rekrutierungsversuche stattgefunden hätten und auch keine Zwangsrekrutierungen erfolgt seien.
5 Der Revisionswerber habe somit keine Gefahr einer Verfolgung aus einem in der GFK genannten Grund geltend gemacht, weshalb die Beschwerde abzuweisen gewesen sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
Im eingeleiteten Vorverfahren wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach den Richtlinien des UNHCR besondere Beachtung zu schenken sei und das BVwG seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zu Grunde legen müsse. Dabei könnten bei instabilen und sich rasch ändernden Verhältnissen im Herkunftsstaat auch zeitlich nicht lange zurückliegende Berichte ihre Aktualität bereits verloren haben.
Auch habe sich das BVwG im angefochtenen Erkenntnis nicht mit der praktischen Möglichkeit des Revisionswerbers befasst, in seine bisherige Heimatregion einzureisen, ohne von der syrischen Armee rekrutiert zu werden, weil er bisher der Wehrpflicht nicht nachgekommen sei. Der einzige Grenzübergang zwischen der autonomen Administration von Nordost Syrien und der autonomen Region Kurdistan sei schon seit längerem für Reisende nicht mehr passierbar. Derzeit sei er komplett geschlossen. Der Revisionswerber könne daher nicht in seine Herkunftsregion zurückreisen, ohne dabei ein vom syrischen Regime kontrolliertes Gebiet zu durchqueren.
9 Werden von der Revision Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele VwGH 21.2.2022, Ra 2021/01/0373 bis 0376, mwN).
10 Diesem Erfordernis wird die vorliegende Revision aus folgenden Erwägungen nicht gerecht:
11 Es wird zwar vorgebracht, eine Befassung mit den aktuellen, für Syrien geltenden UNHCR Erwägungen hätte ergeben, dass Personen arabischer Herkunft in kurdisch-kontrollierten Gebieten vermehrt Zwangsrekrutierungen ausgesetzt seien, und hätte eine Heranziehung aktueller Länderberichte gezeigt, dass auch in der Herkunftsregion des Revisionswerbers Vorstöße syrischer Truppen stattfänden und damit für ihn die Gefahr bestünde, zum Militär eingezogen zu werden.
12 Allerdings stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen wie etwa der Anwendung von Folter jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein.
Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. zu alldem zuletzt VwGH 31.10.2023, Ro 2023/19/0002, mwN)
Im vorliegenden Fall zeigt die Revision nicht auf und ist auch nicht ersichtlich, dass der Revisionswerber in Bezug auf die ihm drohende Einziehung zum Wehrdienst im Verfahren vor dem BFA oder im Beschwerdeverfahren ein Vorbringen erstattet hätte, das einen kausalen Zusammenhang zu einem Konventionsgrund im Sinn der oben wiedergegebenen Rechtsprechung erkennen lässt.
13 Vor diesem Hintergrund vermag die Revision mit ihrem Vorbringen auch nicht die Relevanz der von ihr gerügten Verfahrensmängel aufzuzeigen.
14 Fehlt dem Vorbringen zur drohenden Einziehung zum Wehrdienst der kausale Zusammenhang mit einem Konventionsgrund im oben beschriebenen Sinn, so ist damit auch dem auf der Prämisse des Vorliegens eines Verfolgungsgrundes des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK aufbauenden Revisionsvorbringen zur Erreichbarkeit der Herkunftsregion des Revisionswerbers der Boden entzogen (vgl. dazu nochmals VwGH Ro 2023/19/0002).
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 11. Dezember 2023
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