Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätin Dr. Kronegger als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. September 2023, W151 2274890 1/13E, betreffend eine Asylangelegenheit (mitbeteiligte Partei: A H), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 31. Mai 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, Syrien aufgrund des Krieges und der schlechten Sicherheitslage verlassen zu haben, zudem drohe ihm die Einberufung zum Militärdienst.
2 Mit Bescheid vom 8. Mai 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Mitbeteiligten den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer eines Jahres.
3 Der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis statt, erkannte ihm den Status des Asylberechtigten zu und stellte fest, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
4 Begründend führte das BVwG aus, dem Mitbeteiligten aus einer von kurdischen Kräften kontrollierten Herkunftsregion, welcher sich im wehrpflichtigen Alter befinde und seinen Wehrdienst in Syrien noch nicht abgeleistet habe, drohe entweder die Einziehung zum Wehrdienst durch das syrische Regime oder die Rekrutierung durch kurdische Verbände. Was das syrische Regime betreffe, so würde es den Revisionswerber bereits bei der Einreise über den Flughafen Damaskus anhalten und zum Wehrdienst verpflichten. Die kurdischen Verbände würden ihn bei der Einreise über einen Grenzübergang zwischen der Türkei und den kurdischen Autonomiegebieten festnehmen. Seiner Familie sei von den kurdischen Kräften mitgeteilt worden, dass er, wenn er sich nicht stelle, als Befürworter des syrischen Regimes angesehen werden würde. Sowohl vom syrischen Regime als auch von den kurdischen Verbänden würden ihm wegen der Weigerung, auf ihrer Seite zu kämpfen, aufgrund einer ihm zumindest unterstellten politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Inhaftierung, unverhältnismäßige Bestrafung und/oder Folter drohen.
5 Die dagegen erhobene außerordentliche Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe seine Begründungspflicht verletzt. Es sei davon ausgegangen, dass dem Mitbeteiligten im Falle der Rückkehr in seine von den Kurden kontrollierte Herkunftsregion eine Verfolgung aufgrund oppositioneller politischer Gesinnung drohe. Dabei habe das Verwaltungsgericht es unterlassen, sich mit der in näher genannten Länderberichten getroffenen Aussage, dass die Autonomiebehörden eine Verweigerung nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen dürften, auseinanderzusetzen. Es habe sich nicht schlüssig und überprüfbar mit den Umständen des Einzelfalls und der Beweiswürdigung des BFA auseinandergesetzt. Zudem verkenne das BVwG, dass eine Wehrdienstverweigerung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur bei „Zwangsrekrutierung durch den Staat“ eine asylrelevante Verfolgung darstelle. Dies sei insbesondere relevant, da die spezifische Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Streitkräfte erstmals im Beschwerdeverfahren geltend gemacht worden sei.
6 Zu der vom BVwG erkannten drohenden Verfolgung durch das syrische Regime aus dem Konventionsgrund der (unterstellten) politischen Gesinnung enthält die Revision kein Zulässigkeitsvorbringen.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Wie dargestellt, stützte das BVwG die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowohl auf die drohende Einziehung zum syrischen Militär als auch auf die drohende Rekrutierung durch kurdische Verbände und nahm in beiden Fällen den Verfolgungsgrund der (unterstellten) politischen Gesinnung als gegeben an. Da die Revision zur drohenden Verfolgung durch das syrische Regime kein Zulässigkeitsvorbringen enthält, zeigt sie insofern keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
11 Soweit die gegenständliche Revision eine Verletzung der Begründungspflicht darin erblickt, dass das BVwG vor dem Hintergrund der im Erkenntnis zitierten Länderberichte nicht schlüssig dargelegt habe, warum die Weigerung des Revisionswerbers, für die kurdischen Verbände zu kämpfen, im konkreten Fall mit einem Konventionsgrund der (unterstellten) oppositionellen Gesinnung verknüpft sei, wendet sie sich gegen die Beweiswürdigung des BVwG.
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist somit nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 8.9.2023, Ra 2023/18/0204, mwN).
13 Das BVwG stellte fest, dass „die Kurden“ den Familienangehörigen des Revisionswerbers mitgeteilt hätten, dass er sich stellen müsse, widrigenfalls sie ihn als Befürworter des (syrischen) Regimes ansehen würden. Beweiswürdigend stützte das Verwaltungsgericht diese Feststellung auf die für die erkennende Richterin glaubhafte Aussage des Revisionswerbers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. In Folge setze es sich ebenfalls beweiswürdigend damit auseinander, dass eine Verweigerung des Kampfes auf Seite der kurdischen Verbände gemäß den ins Verfahren eingeführten Länderberichten zwar nicht zwingend als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung gesehen werde, jedoch so gesehen werden könne, und kam zu dem Ergebnis, dass Letzteres hinsichtlich des Revisionswerbers in Zusammenschau mit der Ankündigung der Kurden seiner Familie gegenüber der Fall sei, weil er sich nicht zum Dienst bei den kurdischen Verbänden gemeldet, sondern stattdessen das Land verlassen habe. Ebenso auf Basis der Länderberichte ging das Verwaltungsgericht in Folge davon aus, dass dem Revisionswerber asylrelevante Verfolgungshandlungen durch kurdische Gruppierungen drohen würden, weil das „Selbstverteidigungspflichtgesetz“ der kurdischen Selbstverwaltungsregion auch mit Gewalt bis hin zu Tötungen jener, die sich einer Rekrutierung widersetzen, durchgesetzt werde.
14 Das BVwG hat die für die erkennende Richterin glaubhafte Aussage des Revisionswerbers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung und die Länderberichte zu Syrien miteinander in Beziehung gesetzt und nachvollziehbar dargelegt, warum im konkreten Fall anzunehmen sei, dass dem Revisionswerber, der den Dienst für kurdische Verbände ablehne, von diesen eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde. Ebenso auf Basis der Länderberichte ging das Verwaltungsgericht schlüssig davon aus, dass gegen den Revisionswerber aufgrund der (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgungshandlungen gesetzt werden würden. Es gelingt der gegenständlichen Revision daher nicht aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen und insoweit die Begründungspflicht verletzt hätte.
15 Wenn die Revision zu ihrer Zulässigkeit unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 2016, Ra 2015/01/0079, weiters darlegt, das BVwG verkenne, dass eine Wehrdienstverweigerung nur bei „Zwangsrekrutierung durch den Staat“ eine asylrelevante Verfolgung darstelle, ist ihr entgegenzuhalten, dass gerade in der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zum wiederholten Male dargelegt wurde, dass auch eine Rekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei asylrelevant sein kann, wenn sie an die tatsächliche oder wie im vorliegenden Fall nur unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird (VwGH 19.4.2016, Ra 2015/01/0079, Rn 15 mwN).
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 11. Juni 2024
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