Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und Hofrat Dr. Sutter als Richter sowie Hofrätin Dr. in Sabetzer als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des A E, vertreten durch Mag. a Hela Ayni Rahmanzai, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Invalidenstraße 11 Top 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2022, W204 2175875 3/2E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird insoweit, als damit die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 28. September 2022, Zl. 1092822000/190080413 (Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, Entziehung der Aufenthaltsberechtigung und Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Asylgesetz 2005), abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Dem Revisionswerber, einem afghanischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 4. Oktober 2017 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
2 Der Revisionswerber wurde in Österreich ab dem Jahr 2019 mehrfach wegen gerichtlich strafbarer Handlungen verurteilt. Neben der Begehung von Vergehen (Körperverletzung, Nötigung) wurde er zuletzt mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 24. Juni 2022, 52 Hv 64/22g, wegen des Verbrechens der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs. 1, 84 Abs. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt, wobei vom Vollzug der verhängten Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren vorläufig abgesehen wurde. Die mit dem früheren Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 27. November 2020, 62 Hv 75/20w, wegen des Vergehens der Nötigung festgelegte Probezeit wurde auf fünf Jahre verlängert.
3 Mit Bescheid vom 28. September 2022 erkannte das BFA dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab (Spruchpunkt I.), entzog ihm gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Unter einem wurde gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA Verfahrensgesetz (BFA VG) eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) erlassen, festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) unzulässig sei (Spruchpunkt V.), eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VI.) und ein in der Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt VII.).
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für unzulässig erklärt wurde, wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde, die Spruchpunkt V. und VI. unbekämpft ließ, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. als unbegründet ab. Das Beschwerdeverfahren über die Spruchpunkte IV., VI. und VII. setzte es bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in der Rs. C 663/21 über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 2021, Ra 2021/20/0246, vorgelegte zweite Frage aus.
5 Begründend ging das BVwG soweit für das Revisionsverfahren von Belang davon aus, dass der Revisionswerber durch die versuchte schwere Körperverletzung, die dem Strafurteil vom 24. Juni 2022 zugrunde lag, eine „schwere Straftat“ im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie begangen habe, weshalb ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 abzuerkennen gewesen sei. Ferner erläuterte das BVwG, weshalb es die Voraussetzungen nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 alternativ für gegeben erachte. Zu der strafgerichtlichen Verurteilung vom 24. Juni 2022 stellte das BVwG fest, der Revisionswerber habe im Zuge einer gegenseitigen Auseinandersetzung versucht, eine unbekannte Person schwer am Körper zu verletzen, indem er dem Opfer einen Kopfstoß versetzt, mit der Faust gegen den Kopf geschlagen und mit dem Fuß in die Richtung des Opfers getreten habe. Zudem traf es Feststellungen zu den seitens des Landesgerichts Salzburg herangezogenen Milderungs und Erschwerungsgründen. Das Absehen von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung begründete das BVwG mit dem Vorliegen der Voraussetzungen nach § 21 Abs. 7 BFA VG. In der Beschwerde sei kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet und den Feststellungen des BFA zu den Tatumständen nicht in ausreichend konkreter und substantiierter Weise entgegengetreten worden. Im Hinblick auf die wiederholte Delinquenz des Revisionswerbers sei ein „eindeutiger Fall“ vorgelegen, der das BVwG von der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks entbunden habe.
6 Gegen dieses Erkenntnis brachte der Revisionswerber zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ein, der deren Behandlung mit dg. Beschluss vom 27. Februar 2023, E 342/2023 5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
7 Die vorliegende außerordentliche Revision wendet sich ihrem Inhalt nach gegen die Abweisung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des Bescheides des BFA vom 28. September 2022, und macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit eine Verletzung der Verhandlungspflicht geltend. Zudem bringt sie zur Zulässigkeit und in der Sache vor, das BVwG sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowie des EuGH abgewichen, weil es keine angemessene Einzelfallprüfung vorgenommen habe. Das BVwG habe es dabei belassen, die Strafbemessungsgründe aus dem Strafurteil des Landesgerichts Salzburg vom 24. Juni 2022 zu zitieren. Bei vollständiger Prüfung sämtlicher relevanter Tatumstände hätte es feststellen müssen, dass der Revisionswerber von mehreren Personen angegriffen, er aus freien Stücken zur Polizei gegangen sowie aufgrund von Mutmaßungen verurteilt worden sei.
8 Das BFA hat zu dieser Revision keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
9 Die Revision ist zulässig und begründet.
10 Im vorliegenden Revisionsfall ist unstrittig, dass der Revisionswerber von einem inländischen Gericht unter anderem wegen des Verbrechens der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs. 1, 84 Abs. 4 StGB rechtskräftig verurteilt wurde. Die Aberkennung des ihm mit Bescheid vom 4. Oktober 2017 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten stützten sowohl das BFA als auch das BVwG auf die Tatbestände des § 9 Abs. 2 Z 2 und Z 3 AsylG 2005. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung begründete das BVwG neben dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 BFA-VG mit dem Vorliegen eines „eindeutigen Falls“.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 22. Oktober 2020, Ra 2020/20/0274, näher damit befasst, unter welchen Voraussetzungen einer schutzberechtigten Person der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt werden darf, wenn sie gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 „eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt“ oder gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 „von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist“. Es kann daher dazu gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden.
12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Anwendung des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 zur Beurteilung der Frage, ob eine fremde Person eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, eine Gefährdungsprognose, wie sie in ähnlicher Weise auch anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt ist (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005; § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005; § 53 Abs. 2 und Abs. 3 FPG; § 66 Abs. 1 FPG; § 67 Abs. 1 FPG). Dabei ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 22.10.2020, Ro 2020/20/0001, mwN).
13 Demgegenüber kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 auf die Prognose, ob weiterhin eine vom Fremden ausgehende Gefahr vorliegt, nicht an (vgl. VwGH 20.9.2022, Ra 2022/01/0129, mwN).
14 Ein Absehen von der mündlichen Verhandlung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA VG dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, sowie aus der folgenden Rechtsprechung etwa VwGH 2.3.2023, Ra 2021/18/0006, mwN).
15 Für den vorliegenden Fall bedeutet dies Folgendes:
16 Betreffend die geltend gemachte Verletzung der Verhandlungspflicht rügt die Revision in Anbetracht der dargestellten Rechtslage im Ergebnis zu Recht, dass sich das BVwG bei Erstellen der für eine Beurteilung nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 erforderlichen Gefährdungsprognose einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber hätte verschaffen müssen, zumal der Revisionswerber der vom BFA vorgenommenen Gefährdungsprognose in seiner Beschwerde substantiiert entgegentrat, indem er im Einzelnen darauf verwies, dass das BFA eine nähere Auseinandersetzung mit seiner Persönlichkeit sowie der konkreten Strafzumessung schuldig blieb.
17 Der Revision ist ferner darin zuzustimmen, dass bei Prüfung der Voraussetzungen nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 die Erhebung sämtlicher, auch die konkrete Situation des Revisionswerbers betreffenden, Umstände notwendig gewesen wäre, die hinsichtlich jener vom Revisionswerber verübten Taten, aufgrund derer er wegen eines Verbrechens im Sinn von § 17 StGB verurteilt wurde, als maßgeblich zu betrachten waren. Eine ordnungsgemäße Ermittlung der Gegebenheiten, die eine Beurteilung zuließen, ob im Revisionsfall der Beibehaltung des Status des subsidiär Schutzberechtigten der Zweck des hier in Rede stehenden Ausschlussgrundes, nämlich jene Personen auszuschließen, die als des subsidiären Schutzes unwürdig anzusehen sind (vgl. EuGH 13.9.2018, Ahmed , C 369/17, Rn. 51), entgegenstünde, und eine darauf gegründete, vollständige Prüfung sämtlicher entscheidungswesentlicher Tatumstände sind durch das BFA nicht erfolgt. Somit erwies sich der behördlich ermittelte Sachverhalt als ergänzungsbedürftig, weshalb die Voraussetzungen nach § 21 Abs. 7 BFA-VG für das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG auch für das Heranziehen dieses Ausschlussgrundes nicht vorlagen (vgl. erneut VwGH 22.10.2020, Ra 2020/20/0274, Rn. 38).
18 Das BVwG traf zudem erstmals nähere Feststellungen zum Tathergang sowie den vom Strafgericht angenommenen Milderungs- und Erschwerungsgründen und setzte sich mit diesen in seiner Beweiswürdigung wertend auseinander. Damit ergänzte es die Feststellungen des BFA nicht bloß unwesentlich. Schließt sich das BVwG nicht nur der Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde an, sondern zeigt es darüber hinaus wie hier in seiner Beweiswürdigung noch weitere bedeutsame Aspekte auf, nimmt es damit eine zusätzliche Beweiswürdigung vor, die dazu führt, dass es die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung nicht bloß unwesentlich ergänzt. Eine solche (ergänzende) Würdigung hat jedoch regelmäßig erst nach einer mündlichen Verhandlung, in der auch ein persönlicher Eindruck von der betroffenen Person gewonnen werden kann, zu erfolgen (vgl. etwa VwGH 6.10.2023, Ra 2023/19/0279, mwN).
19 Dass unter Bedachtnahme auf all das Gesagte eine für den Revisionswerber günstigere Entscheidung bei Abhaltung einer mündlichen Verhandlung jedenfalls ausgeschlossen war, ist im Übrigen nicht zu erkennen (vgl. etwa VwGH 28.3.2022, Ra 2020/18/0339, zu den Kriterien für das Vorliegen eines „eindeutigen Falls“, bei dem bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft). Das BVwG hat daher seine Verhandlungspflicht verletzt.
20 Die Missachtung der Verhandlungspflicht führt im Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK und wie hier des Art. 47 GRC zur Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, ohne dass die Relevanz dieses Verfahrensmangels geprüft werden müsste (vgl. erneut VwGH 6.10.2023, Ra 2023/19/0279, mwN).
21 Schließlich ist die Revision auch damit im Recht, dass das BVwG keine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des vorliegenden Einzelfalles vorgenommen hat, um zu prüfen, ob im Revisionsfall eine „schwere Straftat“ iSd Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie vorliegt.
22 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Aberkennung des subsidiären Schutzes nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 nicht allein darauf gestützt werden, dass der Revisionswerber wegen eines Verbrechens im Sinn des § 17 StGB rechtskräftig verurteilt worden ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. November 2018, Ra 2018/18/0295, vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH vom 13. September 2018, Ahmed , C 369/17, näher erläutert hat, ist bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 jedenfalls auch eine Einzelfallprüfung durchzuführen, ob eine „schwere Straftat“ im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie vorliegt. Dabei ist die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen und eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen. Bei dieser einzelfallbezogenen Würdigung sind auch die konkret verhängte Strafe und die Gründe für die Strafzumessung zu berücksichtigen (vgl. VwGH 13.10.2023, Ra 2021/18/0393, mwN).
23 Das BVwG legte der angefochtenen Entscheidung zwar die seitens des Landesgerichts Salzburg verhängte Strafe und herangezogenen Milderungs und Erschwerungsgründe zu Grunde und führte aus, dass der Revisionswerber massiv provoziert worden sei. Eine darüber hinausgehende Ermittlung der näheren Umstände der Tat etwa durch Einsichtnahme in die Strafakten , auf Basis derer erst die Beurteilung des konkreten Unrechtsgehalts der Tat vorgenommen werden kann, blieb das BVwG jedoch schuldig. Auch unterließ das BVwG eine nähere Auseinandersetzung mit der konkreten Strafzumessung. Es traf zwar Feststellungen hinsichtlich der Strafdrohung und der tatsächlich verhängten Strafe. Erörterungen dazu, dass die tatsächlich verhängte Strafe (zwölfmonatige Freiheitsstrafe, von deren Vollzug jedoch unter Setzung einer dreijährigen Probezeit vorläufig abgesehen wurde) in Anbetracht der Strafdrohung des § 84 Abs. 4 StGB (sechs Monate bis fünf Jahre) im unteren Bereich des Strafrahmens ausgemessen wurde, enthält die angefochtene Entscheidung nicht.
24 Das Erkenntnis war sohin im Anfechtungsumfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
25 Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 23. April 2024
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