Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der S B in B (Deutschland), vertreten durch die Schneider Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 6845 Hohenems, Nibelungenstraße 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 8. März 2023, Zl. RV/1100020/2023, betreffend Einkommensteuer 2021, zu Recht erkannt:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
1 Mit Übergabevertrag vom 22. Mai 2015 erwarb die Revisionswerberin nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG)einen 1/3 Anteil der Liegenschaft X unentgeltlich von ihrem Vater. Zu diesem Zeitpunkt lautete die Widmung der Liegenschaft auf Bauerwartungsfläche Betriebsgebiet Kategorie II. Im August 2015 wurde die Liegenschaft in Baufläche Betriebsgebiet Kategorie II umgewidmet und mit Kaufvertrag vom 23. Juni 2021 verkaufte die Revisionswerberin ihren Anteil an der Liegenschaft um 541.666 € an ihre beiden Geschwister. Ausgehend vom Veräußerungserlös in Höhe von 541.666 € und Einkünften gemäß § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 in Höhe von 324.999,60 € wurde im Wege der Selbstberechnung Immobilienertragsteuer in Höhe von 97.499,88 € an das Finanzamt abgeführt.
2 Im Einkommensteuerbescheid der Revisionswerberin für das Jahr 2021 wurde der Veräußerungserlös der Liegenschaft X mit der Begründung, dass die Immobilienertragsteuer bereits gemeldet und abgeführt worden sei, nicht mehr berücksichtigt.
3 Die Revisionswerberin erhob gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 Beschwerde und führte zur Begründung aus, die Liegenschaft X sei bereits im April 1982 als Bauerwartungsfläche gewidmet gewesen und hätte jederzeit in Baufläche umgewidmet werden können. Aufgrund der Widmung als Bauerwartungsfläche mit jederzeitiger Umwidmungsmöglichkeit in Baufläche werde der Standpunkt vertreten, dass bereits im April 1982 eine die erstmalige Bebauung ermöglichende Umwidmung stattgefunden habe.
4Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab und führte zur Begründung aus, § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 komme bei Umwidmungen zur Anwendung, die ab dem 1. Jänner 1988 erfolgten. Eine Umwidmung erfolge zu jenem Zeitpunkt, in dem sie rechtswirksam werde. Erfolge die Änderung des Flächenwidmungsplanes durch eine Verordnung der Gemeinde, gelte als Zeitpunkt der Umwidmung deren Kundmachung. Erfolge die Änderung durch Bescheid, erfolge die Umwidmung mit der Rechtskraft des Bescheides. Die gegenständliche Liegenschaft sei im Jahr 2015 umgewidmet worden und somit jedenfalls nach dem maßgeblichen Stichtag 1. Jänner 1988.
5 Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das BFG und führte im Vorlageantrag ergänzend aus, das Finanzamt vertrete die streng formalrechtliche Auffassung, dass es bei Umwidmungen auf die Rechtskraft der entsprechenden Verordnung oder eines Bescheides ankomme. Mit dem Umwidmungstatbestand werde aber den Gesetzesmaterialien zufolgeder Zweck verfolgt, umwidmungsbedingte Preissteigerungen zu erfassen. Dies erfordere eine Auslegung des Gesetzes dahingehend, dass eine Umwidmung im Sinne des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 auch anzunehmen sei, wenn zum Stichtag 1. Jänner 1988 eine Umwidmung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit möglich gewesen wäre. Zum Stichtag 1. Jänner 1988 seien Nachbargrundstücke der Liegenschaft X bereits bebaut gewesen und auch für die Liegenschaft X wäre eine Umwidmung bzw. Bebauung auf Grundlage einer Ausnahmegenehmigung möglich gewesen. Die Liegenschaft hätte zudem zum Baulandpreis veräußert werden können.
6Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das BFG der Beschwerde keine Folge. Zur Begründung führte es aus, die Revisionswerberin habe das streitverfangene Grundstück durch Übergabevertrag vom 22. Mai 2015 unentgeltlich von ihrem Vater erworben. Der letzte entgeltliche Erwerb sei 1972 erfolgt. Zum Stichtag 31. März 2012 sei das Grundstück somit nicht steuerverfangen gewesen. Es liege Altvermögen vor, bei dem die Einkünfte gemäß § 30 Abs. 4 EStG 1988 zu ermitteln seien.
7Mit Beschluss der Gemeindevertretung vom August 2015 sei das besagte Grundstück von Bauerwartungsland Betriebsgebiet Kategorie II in Bauland Betriebsgebiet Kategorie II umgewidmet worden. Dabei handle es sich um eine Umwidmung im Sinne des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988. Erst durch die erfolgte Umwidmung des Grundstückes sei es nach den einschlägigen Bestimmungen des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes möglich geworden, die in Rede stehende Liegenschaft zu bebauen. Vor der Umwidmung im Jahre 2015 habe es sich bei der Liegenschaft um Bauerwartungsland gehandelt, das nach § 17 Abs. 3 Vorarlberger Raumplanungsgesetz nur in sehr engen Grenzen bebaubar sei. Bebaut werden dürften solche Flächen beispielsweise mit Anlagen oder Gebäuden, welche für die Ausführung der land- und forstwirtschaftlichen Bodenbearbeitung erforderlich seien. Jede andere Art der Bebauung von Bauerwartungsland sei untersagt.
8 Es liege somit eine Umwidmung nach dem 31. Dezember 1987 vor.
9 Das Vorbringen der Revisionswerberin, die streitverfangene Liegenschaft sei bereits 1982 als Bauerwartungsland Betriebskategorie II gewidmet gewesen und eine Umwidmung in Bauland hätte jederzeit beantragt werden können, ändere nichts daran, dass eine Bebauung gleich einer Baulandwidmung erst durch die 2015 erfolgte Umwidmung in Baufläche Betriebsgebiet Kategorie II möglich geworden sei. Dem Vorbringen, das streitverfangene Grundstück hätte bereits vor der erfolgten Umwidmung zum Baulandpreis veräußert werden können, könne nicht gefolgt werden, weil Käufer nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht gewillt seien, für eine ungesicherte Rechtsposition den für Bauland üblichen Kaufpreis zu bezahlen.
10 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete außerordentliche Revision bringt zur ihrer Zulässigkeit vor:
„Die belangte Behörde [Anm: gemeint wohl das BFG] räumt ein, dass der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG darauf abstellte, nur umwidmungsbedingte Wertsteigerungen zu erfassen. Die belangte Behörde scheint damit auch in Erwägung zu ziehen, dass der ‚Umwidmungsbegriff‘ nicht notwendiger Weise streng formalrechtlich auszulegen ist, kommt im gegenständlichen Fall jedoch zum Ergebnis, dass mangels entsprechender Baulandwidmung ein potentieller Käufer nicht bereit gewesen wäre, den vollen Baulandpreis zu zahlen.
Nach Ansicht der [Revisionswerberin] fehle es bislang an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob der Begriff ‚Umwidmung in Bauland‘ streng formaljuristisch oder vom Willen des Gesetzgebers getragen wirtschaftlich dahingehend auszulegen ist, ob zum Stichtag 10.01.1988 eine Umwidmung ohne weiteres an mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit möglich gewesen oder eine Bebauung auf anderem Wege (z.B. Ausnahmegenehmigung) möglich gewesen wäre.“
11 Das Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
14Gemäß § 29 Z 2 EStG 1988 in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012 (1. StabG 2012), BGBl. I Nr. 22/2012, unterliegen Einkünfte aus privaten Grundstücksverkäufen (§ 30) und aus Spekulationsgeschäften (§ 31) als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer.
15Private Grundstücksverkäufe sind gemäß § 30 Abs. 1 EStG 1988 in der Fassung des Steuerreformgesetzes 2020 (StRefG 2020), BGBl. I Nr. 103/2019, Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte). Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 EStG 1988 sinngemäß anzuwenden.
16§ 30 Abs. 4 EStG 1988 in der Fassung des StRefG 2020 lautet auszugsweise:
„(4) Soweit Grundstücke am 31. März 2012 ohne Berücksichtigung von Steuerbefreiungen nicht steuerverfangen waren, sind als Einkünfte anzusetzen:
1. Im Falle einer Umwidmung des Grundstückes nach dem 31. Dezember 1987 der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 40% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten. Als Umwidmung gilt eine Änderung der Widmung, die nach dem letzten entgeltlichen Erwerb stattgefunden hat und die erstmals eine Bebauung ermöglicht, die in ihrem Umfang im Wesentlichen der Widmung als Bauland oder Baufläche im Sinne der Landesgesetze auf dem Gebiet der Raumordnung entspricht. Dies gilt auch für eine in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Veräußerung stehende Umwidmung, wenn diese innerhalb von fünf Jahren nach der Veräußerung erfolgt ist, sowie für eine Kaufpreiserhöhung auf Grund einer späteren Umwidmung; eine spätere Umwidmung gilt als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung und ist dem Finanzamt anzuzeigen.
2. In allen übrigen Fällen der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 86% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten.“
17Der Tatbestand der Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen wurde mit dem 1. StabG 2012 eingeführt und § 30 EStG 1988 zugeordnet. In § 30 Abs. 1 EStG 1988 wird der steuerliche Begriff des Grundstücks definiert und in § 30 Abs. 3 EStG 1988 wird normiert, dass die Ermittlung der Einkünfte unter Heranziehung des Veräußerungserlöses erfolgt. § 30 Abs. 4 EStG 1988 sieht sodann für Grundstücke, die am 31. März 2012 ohne Berücksichtigung von Steuerbefreiungen nicht steuerverfangen waren, eine pauschale Ermittlung der Einkünfte auf Basis fiktiver Anschaffungskosten vor. Die fiktiven Anschaffungskosten betragen grundsätzlich 86 % des Veräußerungserlöses (§ 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988) und reduzieren sich, für den Fall, dass das Grundstück nach dem 31. Dezember 1987 umgewidmet worden ist, auf 40 % des Veräußerungserlöses (§ 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988).
18Laut den Erläuterungen zur Regierungsvorlage erfasst die Umwidmung im Sinne des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 im Wesentlichen die Umwidmung von Grünland in Bauland. Allerdings können auch Widmungen, die nicht dem Bauland zuzuordnen sind, aber eine Bebauung nach Art einer Baulandwidmung ermöglichen, unter diesen Tatbestand subsumiert werden (z.B. Sonderwidmungen für Einkaufszentren). Hingegen sind Widmungsänderungen von Grünland in Bauland keine Umwidmungen im Sinne des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988, wenn eine Bebauung auf Grund raumordnungsrechtlicher Maßnahmen nicht zulässig ist (z.B. bei Aufschließungsgebieten oder bei Bauerwartungsland). Eine Umwidmung im Sinne des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 ist in diesen Fällen erst dann gegeben, wenn eine spätere Widmungsänderung erstmals tatsächlich eine Bebauung ermöglicht (vgl. 1680 BlgNR 24. GP, 9 f).
19Das gegenständliche Grundstück wies am 31. Dezember 1987 die Widmung Bauerwartungsfläche Betriebsgebiet Kategorie II auf. Dass diese Widmung eine tatsächliche Bebauung des Grundstückes ermöglicht hat, wurde von der Revisionswerberin zu keinem Zeitpunkt behauptet. Nach dem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision wäre eine Umwidmung in Baufläche Betriebsgebiet Kategorie II lediglich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit möglich oder eine Bebauung auf anderem Wege (z.B. Ausnahmegenehmigung) zulässig gewesen. § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 stellt nach seinem insoweit eindeutigen Wortlautauf Umwidmungen ab, die erstmals eine Bebauung ermöglichen. Widmungen, die für die tatsächliche Bebauung eine (weitere) Umwidmung oder eine Ausnahmegenehmigung erfordern, stellen keine Umwidmung im Sinne des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 dar. Eine Umwidmung im Sinne des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 ist in diesen Fällen wie auch den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu entnehmen ist (vgl. 1680 BlgNR 24. GP, 10) erst dann gegeben, wenn eine spätere Widmungsänderung erstmals tatsächlich eine Bebauung ermöglicht.
20 Nach den unbestrittenen Feststellungen des BFG wurde das gegenständliche Grundstück mit Beschluss der Gemeindevertretung vom August 2015 in Bauland Betriebsgebiet Kategorie II umgewidmet; erst diese Umwidmung hat eine tatsächliche Bebauung ermöglicht.
21Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Wien, am 5. März 2025
Rückverweise