Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr. in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. September 2023, I412 2229741 3/5E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Partei: P M, vertreten durch Asyl in Not in 1090 Wien, Währinger Straße 59/2/1), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Mitbeteiligte stammt aus der Demokratischen Republik Kongo und stellte in Österreich am 2. Mai 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Mit Bescheid vom 10. Februar 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Amtsrevisionswerber) den Antrag zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen, erließ gegen den Mitbeteiligten eine Rückkehrentscheidung, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen vom Mitbeteiligten erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 26. Juli 2022 als unbegründet ab.
4 Die dagegen eingebrachte außerordentliche Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 15. Dezember 2022 zu Ra 2022/20/0292 zurück.
5 Am 9. Februar 2023 stellte der Mitbeteiligte einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Amtsrevisionswerbers vom 26. März 2023 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Weiters erteilte der Amtsrevisionswerber dem Mitbeteiligten keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
6 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 18. April 2023 als unbegründet ab.
7 Am 19. Mai 2023 stellte der Mitbeteiligte den gegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz.
8 Mit Bescheid vom 3. August 2023 wies der Amtsrevisionswerber diesen Antrag auf internationalen Schutz (erneut) wegen entschiedener Sache zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erließ ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot.
9 Die am 22. August 2023 erhobene Beschwerde des Mitbeteiligten wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem nun angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass das gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG erlassene Einreiseverbot ersatzlos behoben werde. Die Erhebung einer Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig erklärt.
10 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht soweit für das Revisionsverfahren wesentlich in Bezug auf das Einreiseverbot aus, dass der Mitbeteiligte zwar seine Rückkehrverpflichtung verletzt habe, dennoch aber keine hinreichend schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit habe erkannt werden können. Der Mitbeteiligte sei strafrechtlich unbescholten und habe kein sonstiges verwaltungsrechtliches Fehlverhalten gesetzt. Eine negative Gefährdungsprognose könne unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des Mitbeteiligten nicht gestellt werden.
11 Lediglich gegen die ersatzlose Aufhebung des Einreiseverbotes richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision. Diese bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, dass das Bundesverwaltungsgericht von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, wonach aus einer qualifizierten Verletzung der Ausreiseverpflichtung, welche gegenständlich gegeben sei, eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit iSd § 53 Abs. 2 FPG abzuleiten sei, die die Verhängung eines Einreiseverbotes erforderlich mache.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt ein unrechtmäßiger Aufenthalt per se nicht immer die Verhängung eines Einreiseverbotes zusätzlich zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung. Liegt nicht bloß ein unrechtmäßiger Aufenthalt, sondern eine qualifizierte Verletzung der Ausreiseverpflichtung vor, so kann daraus eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 53 Abs. 2 FPG abzuleiten sein, die die Verhängung eines Einreiseverbotes erforderlich macht. Dies entspricht auch Art. 11 Abs. 1 lit. b der Rückführungsrichtlinie, wonach Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot einhergehen, falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Ob Art. 11 Abs. 1 lit. b der Rückführungsrichtlinie anders als die innerstaatliche Rechtslage auch ohne eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG in jedem Fall einer Verletzung der Ausreiseverpflichtung zwingend die Erlassung eines Einreiseverbotes verlangt, kann dahingestellt bleiben, weil eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie zu Lasten eines Einzelnen von vornherein nicht in Betracht kommt (vgl. VwGH 22.3.2023, Ra 2021/18/0100, mwN; vgl. zum Vorliegen einer qualifizierten Verletzung der Ausreiseverpflichtung etwa bei seit Eintritt der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung mehrjähriger und beharrlicher Nichterfüllung der Ausreiseverpflichtung VwGH 4.3.2020, Ra 2019/21/0192, mwN).
16 Das Bundesverwaltungsgericht führte unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur eine Einzelfallprüfung durch. Es setzte sich im Rahmen seiner Entscheidung damit auseinander, ob durch den Verstoß gegen die Rückkehrentscheidung eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt oder nicht. Es stellte fest, dass der Mitbeteiligte zwar seine Rückkehrverpflichtung verletzt habe, dennoch aber keine hinreichend schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit erkannt werden könne, die eine Erlassung eines Einreiseverbotes zusätzlich zur bestehenden Rückkehrentscheidung notwendig mache. Der Mitbeteiligte sei strafrechtlich unbescholten und habe keine sonstige verwaltungsbehördliche Übertretung begangen. Dem Mitbeteiligten habe vom Amtsrevisionswerber auch kein weiterer in § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 bzw. Abs. 3 Z 1 bis 8 FPG geregelter Tatbestand angelastet werden können. Eine negative Gefährdungsprognose habe aufgrund des Gesamtverhaltens des Mitbeteiligten nicht gestellt werden können. Die Amtsrevision zeigt mit ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Beurteilung des vorliegenden Einzelfalls von der oben dargestellten Rechtsprechung abgewichen wäre.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 12. Dezember 2023
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