Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Bayer als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, in der Revisionssache des I A, vertreten durch Mag. Klaus Steinwender, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Markus Sittikus Straße 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Mai 2023, I412 2271505 1/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein tunesischer Staatsangehöriger, stellte am 19. September 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er im Wesentlichen damit begründete, syrischer Staatangehöriger zu sein und die Heimat wegen des Krieges verlassen zu haben.
2 Mit Bescheid vom 6. April 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Tunesien zulässig sei, und legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Weiters wurde der Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das BVwG aus, der Revisionswerber sei tunesischer Staatsangehöriger, dem mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat drohe. Es seien keine Umstände hervorgetreten, die eine Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK gewärtigen ließen und es bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme. In seiner Beweiswürdigung schloss sich das BVwG jener der belangten Behörde an.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 28. November 2023, E 1854/2023 16, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche außerordentliche Revision eingebracht.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision begründet ihre Zulässigkeit mit einer behaupteten Abweichung des BVwG von näher genannter Rechtsprechung zur Verhandlungspflicht.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob im Sinn des § 21 Abs. 7 erster Satz BFA VG „der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich:
11 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. etwa VwGH 9.3.2023, Ra 2023/14/0062, mwN).
12 Aus § 21 Abs. 7 BFA VG ergibt sich, dass die Unterlassung einer Verhandlung nur dann einen relevanten, zur Aufhebung führenden Verfahrensmangel begründet, wenn ein entscheidungswesentlicher Sachverhalt klärungsbedürftig ist; dieser ist in der Revision darzutun (vgl. neuerlich VwGH 9.3.2023, Ra 2023/14/0062, mwN).
13 Das Bundesverwaltungsgericht hat vor dem Hintergrund der Beschwerde nachvollziehbar begründet, warum es von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA VG ausgegangen ist. Die Revision legt mit ihrem lediglich allgemein gehaltenen Vorbringen zu einer nicht näher konkretisierten Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens nicht dar, dass das Bundesverwaltungsgericht im konkreten Fall von den aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht abgewichen wäre.
14 Soweit der Revisionswerber in der Begründung der Zulässigkeit der Revision die unzureichende Auseinandersetzung mit seiner Staatsangehörigkeit rügt, wendet er sich der Sache nach gegen die Beweiswürdigung. Nach richtiger Auseinandersetzung mit seinem Vorbringen würde sich ergeben, er sei syrischer und nicht tunesischer Staatangehöriger, dem im Fall der Rückkehr eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner politischen Gesinnung als Folge der Wehrdienstverweigerung in Syrien drohen würde. Schließlich moniert der Revisionswerber auch, das Bundesverwaltungsgericht habe aufgrund einer unvertretbaren Beweiswürdigung angenommen, dass er zahlreiche Familienmitglieder im Herkunftsland habe.
15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der zur Rechtskontrolle berufene Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 13.12.2023, Ra 2023/14/0466, mwN).
16 Entgegen den Behauptungen des Revisionswerbers hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit dessen Vorbringen zur Staatsangehörigkeit ausreichend auseinandergesetzt. Unter Zugrundelegung seiner Angaben im behördlichen Verfahren gelangte es zu dem Ergebnis, dass dem Revisionswerber nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine konkret gegen ihn gerichtete asylrelevante Verfolgung drohe. Ebenso kam das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Angaben des Revisionswerbers zur Herkunft seiner Familienangehörigen zu dem Schluss, dass der Revisionswerber über Familienangehörige im Herkunftsstaat verfüge. Dass die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären, wird in der Revision nicht ansatzweise aufgezeigt.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 15. Februar 2024
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