Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Dr. G H in H, vertreten durch Ing. DDr. Hermann Wenusch, Rechtsanwalt in 3031 Rekawinkel, Dr. Rosenfeld Gasse 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 6. November 2023, LVwG 2021/42/0957 14, betreffend eine Angelegenheit nach dem Tiroler Umweltinformationsgesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Hall in Tirol; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadtgemeinde Hall in Tirol hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Dezember 2022, Ra 2022/06/0080, verwiesen und daraus hervorgehoben:
2 Am 7. August 2020 beantragte der Revisionswerber bei der belangten Behörde die Übermittlung aller im Zusammenhang mit dem Raumordnungsverfahren der Stadtgemeinde H. betreffend die Änderungen des Raumordnungskonzeptes, Bebauungsplans und des ergänzenden Bebauungsplans sowie zu einem näher bezeichneten geplanten Bauprojekt in H. bereits erhobenen Umweltdaten gemäß dem Tiroler Umweltinformationsgesetz 2005 (TUIG 2005).
3 Mit Erkenntnis vom 4. April 2022 gab das auf Grund einer Säumnisbeschwerde zuständig gewordene Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) diesem Ansuchen des Revisionswerbers statt und forderte die belangte Behörde auf, dem Revisionswerber die im Spruch näher bezeichneten Umweltinformationen binnen zwei Wochen ab Zustellung des Erkenntnisses mitzuteilen.
4 Infolge der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision des Revisionswerbers hob der Verwaltungsgerichtshof mit dem oben zitierten Erkenntnis vom 6. Dezember 2022, Ra 2022/06/0080, das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG auf.
5 Begründend führte der Verwaltungsgerichthof u.a. aus:
„...
12 Gemäß § 13 Abs. 1 TUIG 2005 wird durch dieses Gesetz die Richtlinie 2003/4/EG umgesetzt, sodass die Bestimmungen dieses Gesetzes richtlinienkonform auszulegen sind. Aus den Erwägungsgründen dieser Richtlinie ergibt sich, dass es notwendig ist, Umweltinformationen so umfassend wie möglich öffentlich zugänglich zu machen und zu verbreiten, sowie dass die Bekanntgabe von Informationen die allgemeine Regel sein soll (vgl. VwGH 29.5.2008, 2006/07/0083). Dieser weite Umweltinformationsbegriff spricht auch dafür, als Umweltinformation nicht nur gutachterliche oder behördliche Stellungnahmen, sondern auch Stellungnahmen von Beteiligten anzusehen (vgl. VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0123, mwN).
13 Nach §§ 67 Abs. 1 iVm 63 Abs. 4 und 5 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 steht näher definierten Beteiligten im Verfahren zur Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes das Recht zu, schriftliche Stellungnahmen zum Entwurf des örtlichen Raumordnungskonzeptes zu erstatten. Nach den vorgelegten Verfahrensakten hat der Revisionswerber mit seinem Begehren auf Mitteilung von Umweltinformationen in seiner Stellungnahme an das Verwaltungsgericht vom 21. Dezember 2021 auf ‚alle internen und externen Gutachten und Stellungnahmen‘ zum Bauprojekt T. Bezug genommen. Ob und gegebenenfalls welche derartigen Gutachten und Stellungnahmen vorliegen, hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt.
14 Das angefochtene Erkenntnis lässt in diesem Zusammenhang nicht erkennen, von welchem Sachverhalt das Verwaltungsgericht ausgeht, weil es lediglich die im Spruch näher genannten Dokumente als dem Revisionswerber mitzuteilende Umweltinformationen auflistet, in seiner Begründung aber keine Feststellungen darüber trifft, welche Umweltdaten bei der Behörde überhaupt vorhanden waren. Das Verwaltungsgericht führt in der Begründung nur aus, es hätten sich bei der Einschau des Gerichts in die Umweltdaten bei der belangten Behörde keine Anhaltspunkte ergeben, dass dem einschauenden Richter seitens der belangten Behörde Umweltdaten vorenthalten worden seien. Auf Basis dieser unzureichenden Feststellungen, ist nicht erkennbar, ob insbesondere die vom Revisionswerber in seiner Revision näher angeführten Stellungnahmen von Beteiligten bei der belangten Behörde vorgelegen sind und dieser dahingehend eine Mitteilungspflicht zugekommen wäre (vgl. § 5 TUIG 2005), oder ob der Mitteilungspflicht möglicherweise allfällige Mitteilungsschranken und Ablehnungsgründe entgegengestanden wären (vgl. § 6 TUIG 2005).
....“
6 Mit dem nunmehr angefochtenen, im fortgesetzten Verfahren ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts gab es im Säumniswege dem Ansuchen des Revisionswerbers vom 7. August 2020 statt und forderte die belangte Behörde auf, dem Revisionswerber die im Spruch näher bezeichneten Umweltinformationen binnen zwei Wochen ab Zustellung des Erkenntnisses mitzuteilen. Gleichzeitig sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
7 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, aus Anlass eines näher bezeichneten Bauvorhabens sei im Stadtgemeindeamt H. ein Akt mit der Bezeichnung Raumordnungskonzept Nr. X angelegt worden, welcher aus zwei Aktenordnern bestehe. Darin seien alle Entscheidungsgrundlagen für den Gemeinderat zu etwaigen raumordnungsrechtlichen Beschlussfassungen abgelegt worden, welche auch alle umweltrelevanten Daten im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben umfassten. Beide Aktenordner seien dem Gericht in der Verhandlung am 25. Oktober 2023 vorgelegt worden. Die in beiden Ordnern abgelegten Aktenstücke seien durchnummeriert und in einer eingangs des jeweiligen Ordners beigegebenen Tabelle wiedergegeben.
8 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht soweit für die Revision wesentlich aus, § 4 Abs. 1 TUIG 2005 normiere das Recht jeder natürlichen oder juristischen Person auf freien Zugang zu Umweltinformationen, die bei einer informationspflichtigen Stelle vorhanden seien oder für sie bereitgehalten würden und zwar ohne notwendigen Nachweis eines Rechtsanspruchs oder eines rechtlichen Interesses. Dem freien Zugang unterlägen jedenfalls Informationen über den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft, Atmosphäre, Wasser, Boden, natürliche Lebensräume, die Artenvielfalt und ihre Bestandsteile einschließlich genetisch veränderter Organismen sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen, die Lärmbelastung oder die Belastung durch Strahlen einschließlich der durch radioaktiven Abfall verursachten, Emissionen im Sinn des § 2 lit. b leg. cit. in die Umwelt in zeitlich aggregierter oder statistisch dargestellter Form, eine Überschreitung von Emissionsgrenzwerten und den Verbrauch der natürlichen Ressourcen Luft, Wasser und Boden in aggregierter oder statistisch dargestellter Form.
Laut Ennöckl/Maitz , UIG Umweltinformationsgesetz2 (2010) § 5, Seite 48, seien die Gründe für eine Verweigerung der begehrten Information, 1. dass es sich dabei um keine Umweltinformation handle, 2. die informationspflichtige Stelle hierüber nicht verfüge und eine Weiterleitung nicht möglich sei, oder 3. dass dem Begehren Mitteilungsschranken oder Ablehnungsgründe nach § 6 entgegenstünden.
Im vorliegenden Fall habe sich die belangte Behörde im Beschwerdevorlageschreiben unter Verweis auf nicht näher zitierte Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes gegen die Stattgabe des Antrages des Beschwerdeführers auf Übermittlung von Umweltdaten ausgesprochen.
Bei den rot ausgewiesenen Nummern in der Tabelle handle es sich um Aktenteile, die aus Sicht der säumigen Behörde entweder keine umweltrelevanten Daten beinhalteten oder deren Mitteilung Mitteilungsschranken oder Ablehnungsgründe nach § 6 TUIG 2005 entgegenstünden. Diese Rechtsansicht der belangten Behörde werde vom Gericht geteilt. Darüber hinaus sei festzuhalten: Die in den Ordnern unter 9, 26, 33, 34, 62 und 63 enthaltenen Akenbestandteile enthielten Auszüge aus Niederschriften von nichtöffentlichen Sitzungen von bei der Stadtgemeinde H. eingerichteten Gemeinderatsausschüssen, die keine Umweltinformationen beinhalteten, weil (reine) Beratungen als solche keine Umweltinformationen darstellten. Die in den Ordnern unter 35 und 36 enthaltenen Aktenbestandteile enthielten ebenfalls keine Umweltdaten. Bei den in den Ordnern unter 81, 82 und 83 enthaltenen Aktenbestandteilen handle es sich um behördeninterne E Mails, die ebenfalls keine umweltrelevanten Informationen beinhalteten. Gleiches gelte für die unter 98 in den Ordnern enthaltene Vereinbarung.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
10 Die belangte Behörde erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
11 Die Revision macht zur Zulässigkeit mit näher begründeten Ausführungen einen Verstoß gegen das zitierten Vorerkenntnis VwGH 6.12.2022, Ra 2022/06/0080, geltend, wonach nachvollziehbare Feststellungen über die bei der Behörde vorhandenen Umweltdaten zu treffen seien und offengelegt werden müsse, weshalb Dokumente nicht herausgegeben werden würden.
12 Die Revision erweist sich angesichts dessen als zulässig.
13 Hinsichtlich der Darstellung der maßgeblichen Rechtslage ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Dezember 2022, Ra 2022/06/0080, zu verweisen.
14 Hat der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben, sind gemäß § 63 Abs. 1 VwGG die Verwaltungsgerichte verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Erfolgte die Aufhebung einer angefochtenen Entscheidung, weil es das Verwaltungsgericht unterlassen hat, die für die Beurteilung des Rechtsfalles wesentlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen, so besteht die Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustandes darin, dass das Verwaltungsgericht jene Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durchführt und die Feststellungen trifft, die eine erschöpfende Beurteilung des maßgebenden Sachverhaltes ermöglichen (vgl. etwa VwGH 19.10.2023, Ra 2021/06/0195, mwN).
15 Gegen diese Bindungswirkung hat das Verwaltungsgericht mit dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis verstoßen.
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat im ersten Rechtsgang festgehalten, das angefochtene Erkenntnis lasse nicht erkennen, von welchem Sachverhalt das Verwaltungsgericht ausgehe, weil es in seiner Begründung keine Feststellungen darüber treffe, welche Umweltdaten, insbesondere ob die vom Revisionswerber in seiner Revision näher angeführten Stellungnahmen von Beteiligten, bei der Behörde überhaupt vorhanden gewesen seien und dieser dahingehend eine Mitteilungspflicht zugekommen wäre (vgl. § 5 TUIG 2005), oder ob der Mitteilungspflicht möglicherweise allfällige Mitteilungsschranken und Ablehnungsgründe entgegengestanden wären (vgl. § 6 TUIG 2005).
17 Das Verwaltungsgericht verweist in seiner rechtlichen Beurteilung auf rot gekennzeichnete Aktenbestandteile, die aus Sicht der belangten Behörde keine umweltrelevanten Daten beinhalteten oder deren Mitteilung Mitteilungsschranken oder Ablehnungsgründe nach § 6 TUIG 2005 entgegenstünden. Diesen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, um welche näher bezeichneten Unterlagen es sich dabei handelt. Darüber hinaus mangelt es an einer nachvollziehbaren Begründung, weswegen diese Unterlagen keine umweltrelevanten Daten beinhalten oder deren Mitteilung Mitteilungsschranken oder Ablehnungsgründe nach § 6 TUIG 2005 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht hielt dazu lediglich ohne weitere Begründung fest, dass es sich der Sicht der Behörde anschließe. Wenn das Verwaltungsgericht im Folgenden „darüber hinaus“ weitere Aktenbestandteile mit konkreten Ordnungszahlen anführt, so fehlt zumindest teilweise die Feststellung, um welche Unterlagen es sich hierbei handelt und eine nachvollziehbare Begründung, warum diese keine Umweltinformationen darstellen. Das angefochtene Erkenntnis lässt somit neuerlich nicht erkennen, von welchem Sachverhalt das Verwaltungsgericht ausging.
18 Demgemäß wurden die im Vorerkenntnis beanstandeten Feststellungsmängel und Begründungsmängel nicht behoben. Das Verwaltungsgericht hat das angefochtene Erkenntnis dadurch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
19 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
20 Vor dem Hintergrund dieses Verfahrensergebnisses erübrigte sich auch ein Eingehen auf die Anregung der Revision zur Vorlage näher bezeichneter Fragen zur Vorabentscheidung an den EuGH.
21 Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 13. Juni 2024
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