Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache 1. der Kongregation der B in I und 2. der S GmbH, beide in I, beide vertreten durch DI Mag. Nikolaus Gratl, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Südtirolerplatz 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 6. März 2023, LVwG 2023/38/0377 1, betreffend Änderung von Grundstücksgrenzen nach der Tiroler Bauordnung 2022 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtmagistrat der Stadt Innsbruck; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerber haben der Stadt Innsbruck zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Eingabe vom 18. Juli 2022 stellten die Revisionswerber das Ansuchen um Bewilligung der Änderung von Grundstücksgrenzen gemäß § 14 Tiroler Bauordnung 2022 in der hier maßgeblichen Fassung des LGBl. Nr. 44 (TBO 2022). Zwei Teilflächen (im Folgenden: Teilfläche 1 und 3) aus dem Grundstück der Erstrevisionswerberin (im Folgenden: Grundstück A) sollten dem Grundstück der Zweitrevisionswerberin (im Folgenden: Grundstück B) zugeschrieben werden und im Gegenzug sollte eine Teilfläche (im Folgenden: Teilfläche 2) aus dem Grundstück B dem Grundstück A zugeschrieben werden.
2 Mit Bescheid vom 23. Dezember 2022 wies die belangte Behörde dieses Ansuchen gemäß § 16 Abs. 4 lit. b und c TBO 2022 ab.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (Verwaltungsgericht) wurden die dagegen erhobenen Beschwerden der Revisionswerber als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die Teilflächen 1 und 3 stellten Teile des Gebäudes dar, das in der Hauptsache auf dem Grundstück B errichtet sei. Mit der Abschreibung der Teilfläche 2 aus dem Grundstück B werde die Grundstücksgrenze direkt an die Mauer des Bestandsgebäudes zurückversetzt. Die Gebäudeaußenwand, an der die Grundstücksgrenze zwischen den beiden Grundstücken neu festgelegt werden solle, sei nicht als brandabschnittsbildende Wand ausgeführt. Durch die beabsichtigte neue Grenzführung werde die offene Bauweise, wie im Bebauungsplan vorgesehen, nicht eingehalten.
5 Rechtlich erwog das Verwaltungsgericht, § 16 Abs. 4 letzter Absatz TBO 2022 gehe davon aus, dass aufgrund eines Altbestandes, der bereits einen geringeren Abstand zu den angrenzenden Grundstücksgrenzen aufweise, eine Teilungsbewilligung nur dann erteilt werden dürfe, wenn dieser verringerte vorhandene Abstand nicht weiter reduziert werde. Aus der Heranziehung der Bestimmung des § 6 Abs. 9 und 10 „TBO 2022“ sei deshalb nichts zu gewinnen, weil mit der beantragten Abschreibung der Teilfläche 2 des Grundstücks B der zu geringe Abstand nunmehr so weit verkürzt werde, dass die Grundstücksgrenze direkt an der Gebäudeaußenwand des Bestandsgebäudes verlaufen solle. Damit werde jedenfalls der bereits zu geringe Abstand noch massiv verringert. Zudem werde von Seiten der Revisionswerber auch übersehen, dass auch mit dieser Abschreibung dem Bebauungsplan widersprochen werde, der eine offene Bauweise vorsehe.
6 Die momentane Situation des Grundstücks A sei nicht derart gestaltet, dass eine Verbauung für die Zukunft ausgeschlossen wäre. Feuerwehraufstellflächen könnten jederzeit verlegt werden. Zudem könnten im Mindestabstandsbereich bauliche Anlagen im Sinne des § 6 Abs. 4 TBO 2022 errichtet werden. Die Außenwand des Bestandsgebäudes müsse daher als brandabschnittsbildende Wand ausgeführt werden.
7 In der Beweiswürdigung des angefochtenen Erkenntnisses hielt das Verwaltungsgericht (disloziert) fest, es könne von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden, weil der Sachverhalt unbestritten feststehe und „Sache“ des gegenständlichen Verfahrens die rechtliche Beurteilung der neuen Grenzziehung sei.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 In der Zulässigkeitsbegründung rügen die Revisionswerber zunächst das Unterbleiben einer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht.
12 Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann eine mündliche Verhandlung ungeachtet eines Parteienantrages unterbleiben, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) entgegenstehen.
13 Im vorliegenden Fall war über den Antrag der Revisionswerber auf Bewilligung der Änderung von Grundstücksgrenzen gemäß § 14 Abs. 1 iVm § 16 Abs. 4 TBO 2022 als jeweilige Eigentümer der betroffenen Grundstücke zu entscheiden.
14 Das Recht auf Bewilligung einer Änderung von Grundstücksgrenzen gemäß § 14 Abs. 1 TBO 2022 hat Einfluss auf den Wert des Eigentums der betroffenen Grundstücke und wirkt sich somit unmittelbar auf die Zivilrechtsposition der Eigentümer der betroffenen Grundstücke aus, dass es als „civil right“ anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne VwGH 19.5.2015, Ro 2015/05/0004, wonach Nachbarrechte im Baubewilligungsverfahren in so engem Zusammenhang mit Auswirkungen des Bauvorhabens auf das Nachbargrundstück und dessen Wert bzw. auf den ungestörten Genuss des Eigentums am Nachbargrundstück haben, dass sie als „civil rights“ anzusehen sind; siehe auch VwGH 12.8.2014, 2011/06/0121, wonach die Entscheidung über die Frage des Grenzverlaufes dort durch ein Gericht unter Art. 6 EMRK fällt).
15 Bei einer Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen haben die Parteien grundsätzlich ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheit in einer im vorliegenden Fall auch beantragten öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem in der Sache entscheidenden Gericht erörtert wird, außer wenn weder eine Tatsachen noch eine Rechtsfrage aufgeworfen wurde, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. VwGH 16.2.2022, Ra 2021/09/0252 bis 0253, mwN).
16 Bei maßgeblichem sachverhaltsbezogenen Vorbringen einer beschwerdeführenden Partei ist ebenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. VwGH 19.10.2023, Ro 2020/04/0028, mwN).
17 Die Revision zeigt in ihrem Zulässigkeitsvorbringen jedoch nicht auf, aus welchen Gründen fallbezogen eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG hätte erwarten lassen.
18 Soweit die Revisionswerber dazu ausführen, sie hätten in ihrer Beschwerde samt entsprechender Beweisanbote vorgebracht, dass durch die neue Grenzziehung tatsächlich keine Verschlechterung, sondern eine Verbesserung/Bereinigung zum rechtskräftig bewilligten Bestand herbeigeführt werde sowie die „Sachverhaltsfeststellung“, wonach eine künftige Bebauung im 2m Abstandsbereich nicht ausgeschlossen sei, bekämpft, übersehen sie, dass es sich dabei nicht um eine substantiierte Bestreitung der entscheidungsrelevanten Tatsachenannahmen oder die Behauptung eines neuen maßgeblichen Sachverhaltes handelt; die Revisionswerber sind mit diesem Vorbringen vielmehr der rechtlichen Würdigung des festgestellten Sachverhaltes durch die belangte Behörde entgegengetreten.
19 Vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts des § 16 Abs. 4 letzter Absatz TBO 2022, wonach eine Bewilligung der Änderung von Grundstücksgrenzen gemäß § 14 Abs. 1 TBO 2022 für eine auf dem Grundstück bestehende bauliche Anlage, die aufgrund früherer bau oder raumordnungsrechtlicher Vorschriften einen geringeren Abstand zu den angrenzenden Grundstücken aufweist, unter anderem nur erteilt werden darf, „wenn dieser Abstand durch die Teilung oder Abschreibung nicht verringert“ wird, zeigt die Revision aber nicht auf, dass eine komplexe Rechtsfrage zu beantworten gewesen wäre, die eine Erörterung in einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erfordert hätte (vgl. etwa VwGH 26.6.2018, Ra 2018/05/0189, 25.9.2018, Ra 2018/05/0229, jeweils mwN).
20 Angesichts dieses eindeutigen Wortlauts des § 16 Abs. 4 letzter Absatz TBO 2022 gelingt es der Revision insoweit auch nicht, mit der in der der Zulässigkeitsbegründung zu Punkt 4.3. formulierten Rechtsfrage, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur „Anwendbarkeit von § 14 Abs 1, § 16 Abs 1, 4 letzter Satz TBO 2022 in Fällen wie dem gegenständlichen, in denen die Grundstücksgrenze durch ein Gebäude verläuft und daher an die Gebäudeaußenwand verlegt werden und in denen eine Teilfläche durch die Grundstückgrenzverlegung dem Nachbargrundstück zugeschrieben werden soll, weil sie nur von diesem aus erreichbar ist“ eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG auch im Fall fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei eindeutiger Rechtslage vgl. etwa VwGH 1.8.2022, Ro 2020/06/0010, mwN).
21 Vor dem Hintergrund, dass im vorliegenden Fall die Bewilligung der Änderung von Grundstücksgrenzen gemäß § 14 Abs. 1 TBO 2022 nach dem klaren Wortlaut § 16 Abs. 4 letzter Absatz TBO 2022 voraussetzt, dass der aufgrund früherer bau oder raumordnungsrechtlicher Vorschriften bereits zu geringe Abstand des Bestandes „durch die Teilung oder Abschreibung nicht verringert und den Erfordernissen des Brandschutzes entsprochen wird“, darf die Bewilligung schon bei Fehlen einer dieser Voraussetzungen nicht erteilt werden. Da die Revision insoweit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen vermochte, ist in Bezug auf die weiteren Zulässigkeitsausführungen betreffend die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu den fehlenden Erfordernissen des Brandschutzes auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine Revision unzulässig ist, wenn das angefochtene Erkenntnis wie hier auf einer tragfähigen Begründung beruht und dieser Begründung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt (vgl. VwGH 31.10.2023, Ra 2022/04/0061, mwN).
22 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
23 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auch auf § 51 und § 53 Abs. 1 letzter Satz VwGG, in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 28. Mai 2024
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