Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des V, vertreten durch Ing. Dr. Stefan Krall und Dr. Oliver Kühnl, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Oktober 2023, Zl. W245 2250950 1/15E, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz; mitbeteiligte Partei: A S, vertreten durch Univ. Doz. Dr. Thomas Walzel von Wiesentreu, Rechtsanwalt in Innsbruck), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 1. Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2020 erhob der Mitbeteiligte eine (ua.) gegen den Revisionswerber (einen Verein) gerichtete Datenschutzbeschwerde. Begründend brachte er im Wesentlichen vor, der Revisionswerber habe in einem an den Landeshauptmann von Kärnten bzw. das Amt der Kärntner Landesregierung adressierten Schreiben Teile eines ihn betreffenden Bescheides sowie weitere personenbezogene Daten des Mitbeteiligten wiedergegeben und dieses Schreiben in Kopie unter anderem an den Landeshauptmann von Tirol, das Amt der Tiroler Landesregierung (Abteilung Sport) und den Tiroler Bergsportführerverband sowie dessen Sektion Kitzbühel versendet.
2 Mit Bescheid vom 9. Dezember 2021 gab die belangte Behörde dieser Datenschutzbeschwerde teilweise statt und stellte fest, der Revisionswerber habe den Mitbeteiligten in seinem Recht auf Geheimhaltung insoweit verletzt, als er die im gegenständlichen Schreiben enthaltenen personenbezogenen Daten dem Landeshauptmann von Tirol, dem Amt der Tiroler Landesregierung (Abteilung Sport) und dem Tiroler Bergsportführerverband sowie dessen Sektion Kitzbühel übermittelt habe (Spruchpunkt I.). Im Übrigen wies die belangte Behörde die Datenschutzbeschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt II.).
3 Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, es bestehe zwar ein überwiegendes berechtigtes Interesse des Revisionswerbers, den Kärntner Landeshauptmann sowie den Kärntner Landesverband auf die „problematische Praxis“ der Kärntner Landesregierung (im Zusammenhang mit der Zulassung des Mitbeteiligten als Berg und Schiführer) hinzuweisen. Es sei aber nicht ersichtlich, weshalb das Schreiben des Revisionswerbers auch an die (oben genannten) Tiroler Stellen ergangen sei. Diesbezüglich sei auch kein entsprechendes Vorbringen erstattet worden. Vielmehr habe der Revisionswerber selbst vorgebracht, dass es Zweck des Schreibens gewesen sei, die Kärntner Landesregierung von weiteren Berufszulassungen wie im Fall des Mitbeteiligten abzuhalten.
4 Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), in der er auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie seine Einvernahme ua. zum Zweck der Datenverarbeitung beantragte.
5 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG diese Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Unter einem erklärte es die Revision für nicht zulässig.
6 2.1. Im Zuge der Darlegung des Verfahrensganges stellte das BVwG ua. die in der Bescheidbeschwerde erstatteten Ausführungen des Revisionswerbers zum Zweck der gegenständlichen Datenverarbeitung sowie die Stellungnahme des Mitbeteiligten vom März 2023 dar, in der sich dieser zu den an ihn gerichteten Fragen des BVwG zu seiner „(Nicht )Aufnahme in den Tiroler Bergsportführerverband“ geäußert hat.
7 Anschließend traf das BVwG soweit relevant folgende Feststellungen: Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hermagor vom 10. Dezember 2019 sei dem Mitbeteiligten die Genehmigung zur Ausübung der Tätigkeit eines Berg und Schiführers für das Bundesland Kärnten erteilt worden. Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 27. April 2020 sei ihm die Berg und Schiführerbewilligung für das Bundesland Salzburg erteilt worden. Die Befugnis als Berg und Schiführer nach dem Tiroler Berg und Schiführergesetz sei dem Mitbeteiligten hingegen wiederholt (im Februar 2020 sowie im Mai 2021) verweigert worden.
8 Im (hier zugrundeliegenden) Schreiben vom 12. Februar 2020 habe der Revisionswerber behauptet, dass die Anerkennung des Mitbeteiligten als Bergsportführer für Kärnten auf einer fachlich falschen Begründung beruhe und dass er nicht als österreichischer Berg und Schiführer hätte anerkannt werden dürfen. Es sei darin ausdrücklich auf den den Mitbeteiligten betreffenden Bescheid der Kärntner Landesregierung, welcher auszugsweise zitiert werde, Bezug genommen worden. Weiters sei darin festgehalten worden, dass die mehrmals vom Mitbeteiligten in Tirol versuchte Anerkennung von der zuständigen Behörde zurecht abgelehnt worden sei. Der Revisionswerber sei so das BVwG mit diesem Schreiben bestrebt gewesen, den Kärntner Landeshauptmann auf den aus seiner Sicht problematischen Bescheid der Kärntner Landesregierung hinzuweisen.
9 Dieses Schreiben sei in Kopie per E Mail auch an den Landeshauptmann von Tirol, das Amt der Tiroler Landesregierung (Abteilung Sport) und den Tiroler Bergsportführerverband sowie dessen Sektion Kitzbühel übermittelt worden. Dabei seien die personenbezogenen Daten des Mitbeteiligten nicht geschwärzt worden.
10 Weiters hielt das BVwG fest, der Revisionswerber habe als Zweck der Datenverarbeitung zunächst angegeben, die Kärntner Landesregierung von weiteren Berufszulassungen wie im Fall des Mitbeteiligten abzuhalten. In der Bescheidbeschwerde habe der Revisionswerber sodann angegeben, Zweck der Datenverarbeitung sei es auch gewesen, die Tiroler Behörden vor Berufszulassungen wie im Fall des Mitbeteiligten zu warnen.
11 Beweiswürdigend stützte sich das BVwG neben der Einsicht in den Verwaltungsakt dafür auch auf die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstattete Stellungnahme des Mitbeteiligten vom März 2023.
12 2.2. Rechtlich folgerte das BVwG, die im verfahrensgegenständlichen Schreiben angeführten Informationen seien als personenbezogene Daten des Mitbeteiligten zu qualifizieren. Für die Wahrnehmung des vom Revisionswerber vorgebrachten Interesses, die Kärntner Landesregierung von weiteren Berufszulassungen wie im Fall des Mitbeteiligten abzuhalten, um eine Gefährdung von durch solche Personen geführten Gästen zu vermeiden, sei es nicht erforderlich gewesen, das Schreiben an die (besagten) Tiroler Stellen weiterzuleiten. Es sei nicht erkennbar, warum der Revisionswerber die fraglichen personenbezogenen Daten des Mitbeteiligten auch gegenüber den genannten Tiroler Stellen offenlege, zumal dem Schreiben ein Verwaltungsverfahren des Bundeslandes Kärnten zugrunde liege. Daran ändere auch das Vorbringen des Revisionswerbers nichts, dem zufolge der Mitbeteiligte auch in Tirol versucht habe, als Berg und Schiführer anerkannt zu werden, sei dies doch von den zuständigen Tiroler Behörden abgelehnt worden. Es bestünden keine Anzeichen dafür, dass die Tiroler Landesregierung (wie die Kärntner Landesregierung) die Ausbildung des Mitbeteiligten anerkenne. Bis dato sei auch keine Aufnahme in den Tiroler Bergsportführerverband erfolgt. Eine nachvollziehbare Interessenlage für eine Übermittlung des Schreibens auch an die (besagten) Tiroler Stellen sei somit nicht erkennbar.
13 Zudem trage der datenschutzrechtlich Verantwortliche die Beweislast dafür, dass die Daten für festgelegte und legitime Zwecke erhoben und auf rechtmäßige Weise verarbeitet worden seien. Es sei daher Sache des Revisionswerbers, entsprechend konkrete Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten. Unter Berücksichtigung dieser Beweislast erachtete es das BVwG als nicht nachvollziehbar, wenn der Revisionswerber in seiner ersten Stellungnahme (im Verfahren vor der belangten Behörde) den nunmehr in der Bescheidbeschwerde geltend gemachten Zweck (Warnung auch der Tiroler Behörden vor Berufszulassungen wie im Fall des Mitbeteiligten) nicht erwähnt habe. Dem Revisionswerber sei es nicht gelungen, ein maßgebliches Interesse an der Übermittlung einer Kopie des fraglichen Schreibens auch an die besagten Tiroler Stellen aufzuzeigen.
14 2.3. Die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung begründete das BVwG damit, dass der maßgebliche Sachverhalt durch die Aktenlage hinreichend geklärt sei, in der Beschwerde keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen worden seien und gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen gewesen sei.
15 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
16 Sowohl der Mitbeteiligte als auch die belangte Behörde erstatteten eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Abweisung (die belangte Behörde zudem die Zurückweisung) der Revision beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
17 Soweit der Mitbeteiligte in seiner Revisionsbeantwortung das Fehlen eines tauglichen Revisionspunktes moniert, ist dazu vorweg Folgendes anzumerken: Mit dem Verweis auf sein Recht, personenbezogene Daten zur Wahrung seiner überwiegenden berechtigten Interessen (und somit gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO) verarbeiten zu dürfen, macht der Revisionswerber hinreichend klar sein Recht darauf geltend, dass die Datenschutzbeschwerde abgewiesen und keine Datenschutzverletzung festgestellt wird, wenn die Datenverarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO rechtmäßig ist.
18 4.1. Die Revision bringt in der Zulässigkeitsbegründung ua. vor, das BVwG sei mit dem Entfall der mündlichen Verhandlung von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
19 Die Revision erweist sich aus diesem Grund als zulässig und auch berechtigt.
20 4.2.Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
21Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf § 24 Abs. 4 VwGVG bereits wiederholt festgehalten, dass als Zweck der mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör sowie darüber hinaus die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Verwaltungsgericht vor Augen stand. Ferner kommt eine ergänzende Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht regelmäßig erst nach einer mündlichen Verhandlung in Frage. Bei maßgeblichem sachverhaltsbezogenen Vorbringen einer beschwerdeführenden Partei ist ebenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. etwa VwGH 19.10.2022, Ra 2022/04/0080, Rn. 28, mwN).
22 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch schon wiederholt darauf hingewiesen, dass dann, wenn der Sachverhalt vor dem Verwaltungsgericht konkret und nicht nur allgemein inhaltsleerbestritten wird, nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Verwaltungsgericht ausschließlich rechtliche Fragen zu behandeln hat (vgl. etwa VwGH 6.7.2023, Ra 2022/07/0081 bis 0087, Rn. 14, mwN).
23 4.3. Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Auffassung des BVwG, der Sachverhalt sei vorliegend aufgrund der Aktenlage als geklärt anzusehen, nicht zu teilen:
24 In der gegenständlichen Beschwerde (in der die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Einvernahme des Revisionswerbers beantragt wurde) brachte der Revisionswerber unter dem Punkt „Ergänzendes Sachverhaltsvorbringen“ (ua.) vor, der Mitbeteiligte sei in Tirol wohnhaft und versuche seit Jahren, ohne Berufszulassungsprüfung als Berg und Schiführer tätig zu werden. Wegen seines Antrags, in den Tiroler Bergsportführerverband aufgenommen zu werden, sei der Revisionswerber dazu berechtigt und angehalten gewesen, diesen und die für ihren Wohnsitz zuständige Sektion zu informieren. Auch die Übermittlung an den Landeshauptmann von Tirol bzw. das Amt der Tiroler Landesregierung sei gerechtfertigt gewesen, weil der Landeshauptmann im Rahmen der Dienstaufsicht auf einen gleichmäßigen, gesetzeskonformen Vollzug des Bergsportführergesetzes zu achten habe und das Amt der Landesregierung sein Hilfsapparat sei.
25 Die belangte Behörde hat in ihrem Bescheid zu diesen Umständen keine eigenen Feststellungen getroffen, sondern insoweit lediglich das hier zugrundeliegende Schreiben des Revisionswerbers vom 12. Februar 2020 wiedergegeben. Dementsprechend stützte sich die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides auch darauf, es sei nicht ersichtlich, weshalb das Schreiben des Revisionswerbers auch an die oben genannten Tiroler Stellen ergangen sei, und hielt fest, dass diesbezüglich kein entsprechendes Vorbringen erstattet worden sei.
26 Das BVwG ist in Anbetracht des (oben dargestellten) Beschwerdevorbringens des Revisionswerbers offensichtlich davon ausgegangen, dass weitere Sachverhaltserhebungen notwendig sind, und hat den Mitbeteiligten mit dem Ersuchen um Stellungnahme vom 17. März 2023 aufgefordert, zu mehreren Fragen etwa „Haben Sie um Aufnahme in den Tiroler Bergsportführerverband angesucht?“ oder „Welche (sonstigen) Schritte haben Sie in Tirol gesetzt, um auf vergleichbare Weise wie in Kärnten als Berg und Schiführer anerkannt und zugelassen zu werden?“ Stellung zu nehmen. Auf die daraufhin vom Mitbeteiligten erstattete Stellungnahme vom 29. März 2023 hat sich das BVwG zur weiteren Feststellung des Sachverhalts betreffend die (bisherigen) Anträge bzw. Verfahren des Mitbeteiligten nach dem Tiroler Bergsportführergesetz auch beweiswürdigend gestützt.
27 Damit hat das BVwG aber im Ergebnis selbst angenommen, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt im vorliegenden Fall noch nicht feststand. Ausgehend davon hätte das BVwG nicht davon ausgehen dürfen, dass die Aktenlage hinreichend geklärt sei und in der Beschwerde keine noch zu klärenden Tatsachenfragen aufgeworfen worden seien, die eine mündliche Verhandlung erfordert hätten, bzw. dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht habe erwarten lassen.
28 Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte, belastete es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Eine Relevanzprüfung hinsichtlich dieses Verfahrensmangels ist entgegen der vom Mitbeteiligten in seiner Revisionsbeantwortung zum Ausdruck gebrachten Auffassungbei einem rechtswidrigen Unterlassen einer nach Art. 47 GRC erforderlichen mündlichen Verhandlung nicht vorzunehmen (vgl. etwa VwGH 23.1.2023, Ra 2021/04/0218, Rn. 18, mwN).
29 5.Ausgehend davon war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
30Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 25. November 2025
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