Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des A B, vertreten durch Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Jänner 2023, Zl. W108 2253719 1/10E, betreffend die Zurückweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in einer datenschutzrechtlichen Angelegenheit gemäß Art. 130 Abs. 2a B VG, (mitbeteiligte Partei: Präsident des Bundesverwaltungsgerichts) den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1. Aus dem angefochtenen Beschluss ergibt sich folgender unbestrittener Sachverhalt:
2 Der Revisionswerber brachte am 6. August 2021 bei der Datenschutzbehörde durch seine Rechtsvertretung eine gegen den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes gerichtete unter anderem auf die DSGVO gestützte Beschwerde wegen Verletzung im Grundrecht auf Geheimhaltung und Verstoßes gegen die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit ua. gegen den Revisionswerber gerichteten Disziplinaranzeigen des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. August 2020 und 16. September 2020 ein.
3Mit Bescheid vom 2. Dezember 2021, dem Revisionswerbervertreter zugestellt am 3. Dezember 2021, setzte die Datenschutzbehörde das Verfahren betreffend diese Beschwerde gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) über das Vorabentscheidungsverfahren zur Rechtssache C 245/20 aus.
4 Mit Schriftsatz vom 7. April 2022 brachte der Revisionswerber beim Bundesverwaltungsgericht den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 2a B VG gegen den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes ein. Dort führte er aus, es seien aufgrund des Urteils des EuGH vom 24. März 2022, C 245/20, Zweifel an der Zuständigkeit der Datenschutzbehörde in Bezug auf Datenverarbeitungen betreffend die Disziplinaranzeigen entstanden. Er sei durch einen allfälligen Rechtsirrtum durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Einbringung einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 130 Abs. 2a B VG gehindert gewesen.
5 Der Mitbeteiligte (Beschwerdegegner im datenschutzrechtlichen Verfahren) erstattete am 20. Mai 2022 eine Stellungnahme und brachte vor, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf den Aussetzungsbescheid der Datenschutzbehörde jedenfalls verspätet eingebracht worden und im Übrigen unbegründet sei.
6 2. Mit dem angefochtenen Beschluss wurden (I.) der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und (II.) die Beschwerde jeweils zurückgewiesen.
7 Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht jeweils für nicht zulässig.
8 Die vorliegende Revision richtet sich ausdrücklich nur gegen die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung, sodass allein diese Gegenstand des Revisionsverfahrens ist.
9Im Wesentlichen ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt führte das Bundesverwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus, gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG sei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter anderem zu bewilligen, wenn eine Partei glaubhaft mache, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt habe und dadurch einen Rechtsnachteil erleide. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liege, hindere die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handle. Der Antrag sei beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen und die versäumte Handlung gleichzeitig nachzuholen.
10 Im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag mache der anwaltlich vertretenerechtskundige Revisionswerber als Hindernis gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG die Rechtsunkenntnis bzw. den Rechtsirrtum bezüglich der Zuständigkeit für die Behandlung einer Beschwerde wegen Verletzung von datenschutzrechtlichen Bestimmungen durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes im Zusammenhang mit Disziplinaranzeigen geltend; er sei dadurch an der fristgerechten Einbringung einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 130 Abs. 2a B VG gehindert gewesen. Der Revisionswerber gehe davon aus, dass der Umstand, der die Fristeinhaltung verhindert habe, mit dem Urteil des EuGH vom 24. März 2022, C 245/20, weggefallen sei.
11 Dieser Rechtsansicht des Revisionswerbers sei jedoch nicht zu folgen: Der rechtskundige Revisionswerber sowie auch sein Rechtsvertreter hätten schon aufgrund des beim EuGH mit Vorabentscheidungsersuchen vom 29. Mai 2020 in Gang gesetzten, die monokratische Justizverwaltung betreffenden Vorabentscheidungsverfahrens zur Rechtssache C245/20 und der Ausführungen des Generalanwalts in den Schlussanträgen vom 6. Oktober 2021 Zweifel ob der Zuständigkeit der Datenschutzbehörde haben müssen. Spätestens aber aufgrund des Bescheides der Datenschutzbehörde vom 2. Dezember 2021 über die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung durch den EuGH über das genannte Vorabentscheidungsverfahren hätten sie bei gehöriger Aufmerksamkeit davon in Kenntnis sein können und müssen, dass sie möglicherweise eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 130 Abs. 2a B VG einzubringen gehabt hätten. Es wäre daher bereits mit der Zustellung des Aussetzungsbescheids ein Antrag auf Wiedereinsetzung zu stellen gewesen und es sei ab diesem Zeitpunkt eine Berufung des Revisionswerbers bzw. dessen Rechtsvertreters darauf, dass ihr Rechtsirrtum bloß auf einem minderen Gard des Versehens beruhe, nicht mehr möglich. Das vorgebrachte Hindernis sei spätestens zu diesem Zeitpunkt weggefallen, weshalb sich der Wiedereinsetzungsantrag als verspätet erweise.
3. Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision.
12 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
13Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
154.1. Zur Zulässigkeit der Revision wird in der gemäß § 28 Abs. 3 VwGG ausgeführten Begründung zunächst vorgebracht, der angefochtene Beschluss weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern ab, als im Zusammenhang mit der Versäumung einer Rechtsmittelfrist aufgrund einer unrichtigen Rechtsbelehrung der Beginn der Wiedereinsetzungsfrist erst mit dem Zeitpunkt anzunehmen sei, zu dem der Rechtsmittelwerber gesicherte Kenntnis von der Zulässigkeit des versäumten Rechtsmittels habe.
16 Hinsichtlich dieses Vorbringens genügt der Hinweis darauf, dass es sich fallbezogen nicht um die Erhebung eines Rechtsmittels in einem laufenden Verfahren, sondern vielmehr um einen verfahrenseinleitenden Antrag handelte und in diesem Zusammenhang auch keine Rechtsmittelbelehrung erteilt wurde. Die vom Revisionswerber zur Begründung der Zulässigkeit ins Treffen geführte Rechtsprechung erweist sich daher als nicht einschlägig.
174.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann jegliches Geschehen, also auch so genannte psychologische Vorgänge, wie Vergessen, Verschreiben, sich irren usw., als „Ereignis“ gewertet werden. Um die Wiedereinsetzung zu rechtfertigen, muss das Ereignis aber für den Antragsteller unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen sein. Unabwendbar ist ein Ereignis jedenfalls dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann, unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Das im Begriff der „Unvorhergesehenheit“ gelegene Zumutbarkeitsmoment ist dahin zu verstehen, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn der Partei in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens unterläuft. Ein solcher minderer Grad des Versehens liegt nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht. Der Wiedereinsetzungswerber darf aber nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und Behörden und für die Aufklärung des Irrtums innerhalb des maßgeblichen Zeitraumes erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. zu § 71 AVG etwa VwGH 27.9.2013, 2010/05/0202; vgl. zur Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung auf § 33 VwGVG etwa VwGH 29.7.2021, Ra 2021/05/0096).
18 Die Frage, ob das Verwaltungsgericht ausgehend vom fallbezogenen in den maßgeblichen Aspekten unstrittigen Sachverhalt zu Recht das Vorliegen eines minderen Grads des Versehens verneint hat, ist aber grundsätzlich keine Rechtsfrage, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG zukommt. Eine solche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn die Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 22.11.2023, Ra 2023/13/0056, mwN). Dabei ist fallbezogen unter anderem zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Prüfung der Frage, ob die Rechtsunkenntnis oder der Rechtsirrtum auf einem über den minderen Grad des Versehens hinausgehenden Verschulden beruht, bei rechtskundigen Parteien wie dem Revisionswerber oder wenn ein rechtskundiger Parteienvertreter einschreitet, nach einem strengeren Maßstab zu erfolgen hat als bei Rechtsunkundigen. Eine bloß leichte Fahrlässigkeit, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu rechtfertigen vermag, wird nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden können (vgl. VwGH 24.6.2010, 2010/15/0001).
19 Dass die Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts, dass bei gehöriger Aufmerksamkeit der selbst rechtskundige und überdies vertretene Revisionswerber die Anbringung einer Beschwerde nach Art. 130 Abs. 2a B VG bereits bei Erhalt des Aussetzungsbescheids der Datenschutzbeschwerde in Erwägung zu ziehen gehabt hätte, vor diesem rechtlichen Hintergrund krass rechtswidrig sei, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
20 Insoweit die Revision zur Zulässigkeit darauf verweist, dass keine Rechtsprechung zu den ganz spezifischen fallbezogenen Umständen vorliege, ist sie auf die obigen Ausführungen betreffend die im Einzelfall vorzunehmende rechtliche Beurteilung zu verweisen, die in der Regel nicht revisibel ist.
214.3. Mit Blick auf die vom Revisionswerber nach Ablauf der Revisionsfrist eingebrachte Revisionsergänzung genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes hinzuweisen, nach der ein in einem erst nach Ablauf der Revisionsfrist eingebrachten Schriftsatz erstattetes (ergänzendes) Vorbringen bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht zu berücksichtigen ist (vgl. etwa VwGH 17.5.2024, Ra 2024/06/0003, mwN).
22 4.4. Angesichts der keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfenden Entscheidung über den verfahrensgegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag und der somit verspäteten Beschwerde erübrigt sich ein Eingehen auf die in der Revision aufgeworfene Rechtsfrage, ob justizielle Tätigkeit im Sinne des Art. 55 Abs. 3 DSGVO ausgeübt werde, wenn der Präsident eines Gerichtes Disziplinaranzeigen gegen einen Richter und einen nichtrichterlichen Mitarbeiter erstatte.
23 4.5. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. November 2025