Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision 1. des W in W und 2. der Ö in W, beide vertreten durch Mag. Dr. Gerit Katrin Jantschgi, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Bischofplatz 3/1. Stock, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 14. Februar 2023, Zl. KLVwG 1993/3/2022, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde iA Ausnahme von der Schonzeit für den Wolf (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kärntner Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten die Beschwerde der Revisionswerber gegen eine Erledigung der Kärntner Landesregierung vom 7. November 2022 als unzulässig zurück und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
2 Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass es sich bei den Revisionswerbern um Vereine handle, die mit Bescheiden des zuständigen Bundesministers als Umweltorganisationen gemäß § 19 Abs. 6 und 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 anerkannt worden seien, und die ihren Tätigkeitsbereich in ganz Österreich hätten.
3 Zur Bescheidqualität der in Beschwerde gezogenen Erledigung führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, die Erledigung enthalte die Elemente des § 18 Abs. 4 AVG, nämlich die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden, weise jedoch weder die Bezeichnung als Bescheid, noch die Gliederung in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung iSd § 58 Abs. 1 und 2 AVG auf.
4 Der Betreff („Information zur Erlegung eines Wolfes iSd § 5 Abs 3 der oa. Verordnung“) sei ein Indiz dafür, dass es sich bei der gegenständlichen Erledigung um kein autoritatives Wollen handle, da eine Information keinen normativen Gehalt, sondern nur den Zweck habe, gewisse Umstände und Tatsachen mitzuteilen.
5 Im ersten Absatz der Erledigung werde unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung betreffend die vorübergehende Ausnahme von der Schonzeit für den Wolf (Canis lupus), LGBl. Nr. 8/2022 (im Folgenden: die Verordnung), bloß die Tatsache wiedergegeben, dass beide Vergrämungen (akustisches Signal und Warnschuss) in der Gemeinde M stattgefunden hätten. Dabei handle es sich lediglich um eine Wiedergabe von Tatsachen. Auch der folgende Absatz, welcher nur den Normtext des § 5 Abs. 3 der Verordnung wiedergebe, enthalte kein normatives Wollen.
6 Im Folgenden werde ausgeführt, dass, sollte sich innerhalb von vier Wochen nach der zweiten Vergrämung, sohin bis zum 5. Dezember 2022, innerhalb eines Radius von 10 km vom Ort der ersten oder zweiten Vergrämung neuerlich ein Wolf im Umkreis von weniger als 200 Meter von vom Menschen genutzten Gebäuden, Stallungen und Viehweiden oder beschickten Fütterungsanlagen für Rotwild aufhalten, eine weidgerechte Erlegung des Wolfes durch den zuständigen Jäger erfolgen könne. Damit werde lediglich die Rechtsfolge des § 5 Abs. 3 der Verordnung im Fall der Erfolglosigkeit der durchgeführten Vergrämungen wiedergegeben, was im Einklang mit dem Betreff als „Information“ stehe.
7 Auch die folgenden Ausführungen der gegenständlichen Erledigung, nämlich das „Ersuchen“ an die Hegeringleiter, die im Hegering betroffenen Jagdausübungsberechtigten zu informieren, sowie der „Hinweis“, dass die weidgerechte Erlegung iSd. § 5 Abs. 3 der Verordnung unverzüglich zu melden sei, stellten keine normativen Anordnungen dar bzw. würde nur § 8 Abs. 3 der Verordnung wiedergegeben und würden die konkreten Meldestellen präzisiert.
8 Insgesamt könne dem Inhalt der gegenständlichen Erledigung kein normativer Wille entnommen werden. Die Erledigung sei nicht auf eine rechtsgestaltende Handlung gerichtet, sondern begnüge sich mit der Mitteilung, dass zufolge erfolgter Vergrämungen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 der Verordnung vorlägen.
9 Zudem enthalte § 5 der Verordnung keine Verpflichtung einer Behörde, einen Bescheid zu erlassen. Vielmehr enthalte diese Bestimmung selbst eine klare Regelung, wann ein Wolf entnommen werden dürfe. Eine individuell-hoheitliche Anordnung bzw. Bewilligung der Entnahme von Risikowölfen sei weder vorgesehen noch als zwingende Voraussetzung erforderlich.
10 Das von den Beschwerdeführern bezogene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 2020, V 93/2019, sei „nicht mit der gegenständlichen Angelegenheit vergleichbar“, weil nach der dort maßgeblichen Rechtslage als Voraussetzung für einen Abschuss die Freigabe des Bezirksjägermeisters bei Vorliegen bestimmter Umstände vorgesehen gewesen sei. Das ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. März 2022, Ra 2020/10/0101, nach welchem die Beschwerde einer anerkannten Umweltorganisation nicht aus Gründen eines mangelnden Rechtsschutzinteresses „bei Ablauf der Rechtswirkungen eines Bescheides“ zurückgewiesen werden dürfe, ändere nichts daran, dass für eine gerichtliche Überprüfung durch das Verwaltungsgericht ein Bescheid vorliegen müsse, was hier nicht der Fall sei.
11 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 In der demnach für die Zulässigkeit der Revision ausschließlich maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung wird geltend gemacht, der angefochtene Beschluss weiche von der (näher genannten) Rechtsprechung ab, nach welcher ein Bescheid auch ohne förmliche Bezeichnung als solcher vorliege könne, wenn eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift bzw. Beglaubigung enthalte. Mit der gegenständlichen Erledigung werde gegenüber den im betreffenden Gebiet zur Jagdausübung berechtigten Personen in einer der Rechtskraft fähigen Weise über eine Verwaltungssache iSd Kärntner Jagdgesetzes 2000 normativ abgesprochen. Die Erledigung enthalte nämlich verbindliche Feststellungen, an welche sich Rechtsfolgen knüpften. Während die Verordnung lediglich die allgemeinen Voraussetzungen zur Entnahme eines Risikowolfes regle, werde erst durch den Bescheid der Behörde verbindlich festgelegt, dass die Voraussetzungen zur Entnahme des Wolfes vorlägen, sowie wann und in welchem Gebiet die Vergrämungsmaßnahmen stattgefunden hätten. Die Erledigung enthalte in weiterer Folge die Ermächtigung, den Risikowolf in einem konkret bestimmten Zeitraum und einem konkret bestimmten Gebiet zu entnehmen. Ebenso werde die Verpflichtung zur Meldung der Entnahme normiert.
16 Der Verwaltungsgerichtshof habe die anzuwendende Rechtslage lediglich dann als Deutungsschema für die Frage der Bescheidqualität herangezogen, wenn es sich um äußerst formlose Schreiben gehandelt habe, was hier nicht der Fall sei.
17 Jedenfalls sei bei unionsrechtskonformer Auslegung die Erlassung eines weiteren Rechtsaktes geboten, weil allein anhand der Verordnung nicht beurteilt werden könne, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom strengen Schutzsystems des Art. 12 iVm. Art. 16 FFH Richtlinie erfüllt seien. So gehe etwa aus der Verordnung nicht hervor, auf welchen Ausnahmegrund des Art. 16 Abs. 1 lit. a bis e FFH-Richtlinie die Entnahme des Wolfes gestützt werde; es fehle auch die erforderliche Einzelfallprüfung. Nach der (näher genannten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei das nationale Recht im Hinblick auf die Gewährung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes im unionsrechtlich determinierten Umweltrecht so auszulegen, dass es so weit wie möglich im Einklang mit der Aarhus Konvention stehe. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ergebe sich die aus der FFH-Richtlinie iVm Art. 9 Abs. 2 und 3 Aarhus Konvention und Art. 47 GRC abzuleitende Verpflichtung, der betroffenen Öffentlichkeit (Umweltorganisationen) Rechtsschutz einzuräumen.
18 Das Verfahren zur Entnahme von Wölfen sei ein Verfahren mit unionsrechtlichem Bezug, da ein Eingriff in eine nach der FFH-Richtlinie geschützte Art vorgenommen werden solle, weswegen Umweltorganisationen in diesem Verfahren Rechtsschutz einzuräumen sei. Dieser Rechtsschutz sei nur gewährleistet, wenn die gegenständliche Erledigung als Bescheid qualifiziert werde, weil die betroffene Öffentlichkeit andernfalls keine Möglichkeit habe, gegen die Entnahme von Wölfen vorzugehen.
19 § 5 Abs. 3 der Verordnung wäre unionsrechtswidrig, wenn die Genehmigung der Entnahme einer geschützten Art ohne Prüfung im Einzelfall erfolge und die Entnahme einer Überprüfung durch ein Gericht nicht zugänglich wäre. § 5 Abs. 3 der Verordnung sei daher unionsrechtskonform so auszulegen, dass eine Verpflichtung zur Erlassung eines Bescheides zur Ausnahme von Wölfen von der Schonzeit bestehe. Dazu fehle auch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
20 Mit diesem Zulässigkeitsvorbringen wird eine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B VG nicht dargetan:
21 Voraussetzung für die Qualifikation eines Verwaltungsakts als Bescheid ist, dass es im Willen des Organs liegt, den Akt in Ausübung der hoheitlichen Gewalt zu setzen, und das Organ diesen Willen entsprechend zum Ausdruck bringt. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch normativ rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der Erledigung, also in dem Sinn auch aus deren Form ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge im Verfahren, Rechtsbelehrungen und dergleichen können nicht als verbindliche Erledigung und damit als Spruch im Sinn des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden. Mangelt es einer Erledigung an der für Bescheide vorgesehenen Form, so muss deutlich hervorgehen, dass die Behörde dennoch den objektiv erkennbaren Willen hatte, mit der Erledigung gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen. An eine nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnete behördliche Erledigung ist hinsichtlich der Wertung als Bescheid ein strenger Maßstab anzulegen. Lässt der Inhalt einer Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essentiell (vgl. etwa VwGH 19.9.2023, Ra 2023/03/0088, mwN).
22 Die gegenständliche Erledigung ist weder als Bescheid bezeichnet, noch in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung gegliedert. Darin wird über die Vornahme der in den § 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung vorgesehenen Maßnahmen informiert und die Rechtsansicht mitgeteilt, unter welchen Voraussetzungen im Fall der Erfolglosigkeit dieser Maßnahmen die Erlegung eines Wolfes gemäß § 5 Abs. 3 der Verordnung zulässig wäre. Abschließend enthält die Erledigung das „Ersuchen“ an die Hegeringleiter, die betroffenen Jagdausübungsberechtigten entsprechend zu informieren, und einen „Hinweis“ über die Meldepflichten nach § 8 Abs. 3 der Verordnung. Es fehlt somit jeder Anhaltspunkt dafür, dass mit dieser Erledigung die überdies keinen individuell bestimmten Adressaten nennt und laut Zustellverfügung u.a. an mehrere Hegeringleiter und Gemeinden übermittelt wurde, eine konkrete Verwaltungsangelegenheit normativ geregelt werden sollte.
23 Die Revision zeigt somit fallbezogen nicht auf, dass das Verwaltungsgericht mit seiner Beurteilung, es liege - wenn auch bezogen auf einen bestimmten Anlassfall - eine bloße Information über den Inhalt der in der gegenständlichen Erledigung genannten Verordnung vor, von den Leitlinien der Rechtsprechung zur Qualifikation einer Erledigung als Bescheid abgewichen wäre.
24 Eine solche Qualifikation ist aber - entgegen dem Revisionsvorbringen - auch aus einem unionsrechtlichem Blickwinkel nicht geboten:
25 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. Juni 2023, Ra 2021/10/0162, mit näherer Begründung dargelegt, dass einer anerkannten Umweltorganisation, soweit der Schutz von Normen des Unionsumweltrechts auf dem Spiel steht, grundsätzlich ein Recht auf Teilnahme (bereits) am behördlichen Verfahren zusteht. Er hat weiter dargelegt, dass die Legitimation einer solchen Organisation zur Stellung eines Antrags auf Verordnungserlassung gegebenenfalls zu bejahen ist, und dass ungeachtet des Rechtstypenzwangs nach der österreichischen Rechtsordnung Konstellationen auftreten können, in denen die Verwaltung zur Erlassung einer Verordnung verpflichtet und ein entsprechendes Antragsrecht von Parteien zu bejahen ist. Da die österreichischen Gerichte und Behörden verpflichtet sind, für einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu sorgen, stelle die Bestätigung der behördlichen Zurückweisung des Antrags einer anerkannten Umweltorganisation auf inhaltliche Überprüfung einer Unionsumweltrecht umsetzenden Verordnung (dort: der NÖ Fischotter-Verordnung) die Verweigerung der Sachentscheidung und damit eine Rechtsverletzung dar (im Übrigen wird gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG auf das genannte Erkenntnis verwiesen).
26 Mit diesem Erkenntnis wurde bereits ein Weg gewiesen, wie anerkannten Umweltorganisationen im Anwendungsbereich von Unionsumweltrecht gerichtlicher Rechtsschutz auch bei der Überprüfung von Unionsumweltrecht umsetzenden Verordnungen gewährt werden kann (vgl. in Bezug auf die - auch in den Revisionsfällen vorliegende - Verordnung, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 6/2023, VwGH 8.11.2023, Ra 2023/03/0174), ohne dass es dafür der von der Revision behaupteten Qualifikation der gegenständlichen Erledigung als Bescheid bedürfte.
27 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 18. Dezember 2023
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