Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofräte Dr. Faber, Dr. Himberger und Dr. Chvosta als Richter sowie die Hofrätin Dr. in Sabetzer als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Dr. E K in G, vertreten durch Dr. Edmund Kitzler und Mag. Martin Wabra, Rechtsanwälte in 3950 Gmünd, Stadtplatz 43, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 22. Februar 2023, Zl. LVwG AV 358/001 2022, betreffend Vergütung für Verdienstentgang nach § 32 Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gmünd), zu Recht erkannt:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Schriftsatzaufwand wird abgewiesen.
1 Der Revisionswerber ist Rechtsanwalt und betreibt gemeinsam mit einem anderen Rechtsanwalt in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR) eine Rechtsanwaltskanzlei. Nach seiner gemäß § 7 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) erfolgten Absonderung von 20. bis 29. Oktober 2020 beantragte der Revisionswerber gemäß § 32 EpiG eine Vergütung wegen Verdienstentgangs in Höhe von € 24.391,15.
2 Diesem Antrag gab die Bezirkshauptmannschaft Gmünd mit Bescheid vom 23. Februar 2022 in Bezug auf den Betrag von € 12.627,91 (somit teilweise) statt und wies den Antrag hinsichtlich des darüber hinaus geltend gemachten Betrags ab. Die gegen den abweisenden Teil des Bescheids erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass eine ordentliche Revision zulässig sei.
3 In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Partnerschaftsvertrag zwischen dem Revisionswerber und seinem Kanzleipartner in Bezug auf die als GesbR geführte Rechtsanwaltskanzlei eine Gewinnaufteilung im Verhältnis 50:50 vorsehe. Der Revisionswerber habe seiner beruflichen Tätigkeit im Zeitraum seiner Absonderung nicht nachgehen können, wogegen sein Kanzleipartner im Monat Oktober 2020 nicht abgesondert worden sei. Die Berechnung des Umsatzes und des EBITDA sei für die GesbR gesamthaft, also für beide Gesellschafter zusammen, erfolgt. Eine Zuordnung von Umsätzen auf die einzelnen Gesellschafter finde nicht statt. Schließlich stellte das Verwaltungsgericht das von der GesbR erwirtschaftete EBITDA im zeitlichen Umfeld der Absonderung und der Vergleichsperiode des Vorjahres fest.
4 Rechtlich hielt das Verwaltungsgericht soweit für das Revisionsverfahren wesentlich fest, dass dem Revisionswerber aufgrund seiner Absonderung eine Vergütung lediglich in jenem Ausmaß zustehe, in dem ihm ein Verdienstentgang entstanden sei, somit in Höhe von 50% des gesamten errechneten Betrags. Dagegen könne er den Verdienstentgang seines (in keinem Arbeitsverhältnis zu ihm stehenden) Kanzleipartners nicht nach § 32 Abs. 1 EpiG beanspruchen. Da die GesbR keine juristische Person darstelle, könne sie auch nicht im eigenen Namen einen Vergütungsanspruch erwerben.
5 Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob ein abgesonderter Gesellschafter einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit deren gesamten Verdienstentgang oder nur den laut Gesellschaftsvertrag auf ihn entfallenden Verdienstentgang geltend machen könne.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der im Wesentlichen der Standpunkt eingenommen wird, dass der Revisionswerber zur Geltendmachung des aufgrund seines Arbeitsausfalles entstandenen Verdienstentgang für die Kanzleigemeinschaft, die keine Rechtspersönlichkeit besitze, legitimiert sei.
7 Im vom Verwaltungsgericht durchgeführten Vorverfahren erstattete die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die Revision ist zulässig, weil es zum Umfang der Vergütung des Verdienstentgangs eines Gesellschafters einer GesbR noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt. Sie ist aber nicht begründet.
9 Im Revisionsverfahren ist allein strittig, ob der Revisionswerber berechtigt ist, den gesamten Verdienstentgang der Rechtsanwaltskanzlei oder wegen der im Partnerschaftsvertrag vorgesehenen Gewinnaufteilung zu gleichen Teilen lediglich die Hälfte davon geltend zu machen.
10 § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG), BGBl. Nr. 186/1950 in der Fassung BGBl. I Nr. 89/2022, lautet (auszugsweise):
„Vergütung für den Verdienstentgang.
§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit
1. sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder
2. ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder
3. ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder
4. sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder
5. sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder
6. sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder
7. sie in einem Epidemiegebiet, über das Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind, aufhältig sind oder Beschränkungen hinsichtlich des Betretens unterworfen sind,
und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.
(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.
...
(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.
...“
11 Der erste Absatz des § 32 EpiG bezeichnet in der seit der Epidemiegesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 702, geltenden Fassung als Anspruchsberechtigte sowohl natürliche und juristische Personen als auch Personengesellschaften des Handelsrechts. Die GesbR ist gemäß § 1175 Abs. 2 ABGB nicht rechtsfähig und stellt weder eine natürliche noch eine juristische Person dar (vgl. dazu auch VwGH 30.5.2017, Ra 2015/07/0106, mwN). Sie ist auch keine Personengesellschaft des Handelsrechts (vgl. VwGH 22.11.1994, 93/04/0107).
12 Im vorliegenden Fall stellte der Revisionswerber einen Antrag gemäß § 32 Abs. 1 EpiG, machte aber nicht nur den aufgrund des Gesellschaftsvertrags auf ihn entfallenden Anteil des Verdienstentgangs der Rechtsanwaltskanzlei geltend, sondern auch jenen Anteil, der auf seinen Kanzleipartner entfiel. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes scheidet ein Ersatzanspruch nach § 32 EpiG aus, wenn keine der in § 32 Abs. 1 Z 1 bis 7 EpiG aufgezählten Maßnahmen vorliegt, die zu einem Verdienstentgang geführt hat (vgl. VwGH 28.2.2022, Ra 2021/09/0229, mit Hinweis auf VwGH 26.3.2021, Ra 2021/03/0017). Nach den Gesetzesmaterialien zu § 32 in der Fassung BGBl. Nr. 702/1974 soll nämlich eine Entschädigung für all jene vorgesehen werden, „die durch eine Erwerbsbehinderung lediglich infolge der im Gesetz aufgezählten behördlichen Maßnahmen einen Verdienstentgang erlitten haben“ (ErlRV 1205 BlgNR 13. GP, 3). In diesem Sinne wurden Ansprüche auf Vergütung für den Verdienstentgang verneint, wenn nicht eine der in § 32 Abs. 1 Z 1 bis 7 EpiG genannten Maßnahmen gegen den Anspruchswerber verhängt worden war, sondern Verordnungen über Betretungsverbote nach dem COVID 19 MG erlassen worden waren (vgl. nochmals VwGH 26.3.2021, Ra 2021/03/0017, mit Hinweis auf VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch mehrfach die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 20 Abs. 1 Z 5 EpiG auf mittelbare Beeinträchtigungen, etwa eines Stadionverwalters und Sportveranstalters durch ein Veranstaltungsverbot gemäß § 15 EpiG (vgl. VwGH 9.2.2022, Ro 2021/03/0019, mwN) oder eines Reisebüros durch die Schließung von Beherbergungsbetrieben gemäß § 20 EpiG abgelehnt (vgl. VwGH 28.11.2022, Ra 2022/09/0051, mit weiteren Hinweisen auf Judikatur bezüglich Fallkonstellationen, in denen es bloß de facto zu einem Wegfall des Geschäftsbetriebs eines Unternehmens durch andere Bereiche betreffende Maßnahmen kam).
13 Daraus folgt, dass Personen, gegen die eine der in § 32 Abs. 1 EpiG genannten Maßnahmen nicht verhängt wurde, sondern die von einer solchen Maßnahme lediglich mittelbar betroffen sind, kein subjektives öffentliches Recht auf Vergütung ihres Verdienstentgangs haben. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts trifft dies auf den Kanzleipartner des Revisionswerbers, der selbst nicht abgesondert wurde und bloß mittelbar von der Absonderung des Revisionswerbers betroffen war, zu. Umso weniger kann der Verdienstentgang des Kanzleipartners durch den Revisionswerber geltend gemacht werden.
14 Somit hat das Verwaltungsgericht zutreffend die im Partnerschaftsvertrag der GesbR vereinbarte Gewinnaufteilung berücksichtigt und den auf § 32 EpiG gestützten Entschädigungsanspruch des Revisionswerbers soweit der Betrag über den eigenen Verdienstentgang hinaus ging zu Recht verneint.
15 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
16 Auf dem Boden der §§ 47 ff VwGG war der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht der von ihr beantragte Aufwandersatz nicht zuzusprechen, weil sie sich in ihrer Revisionsbeantwortung im Wesentlichen darauf beschränkte, inhaltlich auf die Begründung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zu verweisen (vgl. VwGH 24.5. 2016, Ra 2016/03/0003, mwN).
Wien, am 17. April 2024
Rückverweise