Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer, die Hofräte Dr. Faber, Dr. Himberger und Dr. Chvosta als Richter sowie die Hofrätin Dr. in Sabetzer als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über den Antrag des Avereins G, vertreten durch Dr. Gert Folk, Rechtsanwalt in 8605 Kapfenberg, Lindenplatz 4a, auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes zwischen dem Landesverwaltungsgericht Steiermark und dem Bundesverwaltungsgericht betreffend Zuerkennung einer Entschädigung nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (belangte Behörde vor den Verwaltungsgerichten: Steiermärkische Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. E AG in G, und 2. V AG in W), zu Recht erkannt:
Das Bundesverwaltungsgericht ist zur Entscheidung über die Säumnisbeschwerde des Antragstellers vom 27. September 2022 zuständig.
Der entgegenstehende Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. August 2023, Zl. W177 2267565-1/3E, wird aufgehoben.
1 1.1. Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 10. August 2012 wurde den beiden mitbeteiligten Parteien nach Durchführung eines Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens somit nach § 17 Abs. 1 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP G 2000) unter Anwendung unter anderem von § 9 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Vorhabens „Wasserkraftanlage K“ erteilt.
2 Der Antragsteller hat im vorangehenden UVP Verfahren in einer Stellungnahme vom 26. Mai 2010 gegen dieses Vorhaben Einwendungen erhoben und dabei unter anderem als Fischereiberechtigter Maßnahmen zum Schutz der Fischerei im Sinne des § 15 Abs. 1 WRG 1959 begehrt. Für die aus einem bewilligungsfähigen Projekt resultierenden Nachteile beantragte er zugleich die Zuerkennung einer angemessenen Entschädigung.
3 Der Umweltsenat hat mit Bescheid vom 26. November 2013 die Berufung des Antragstellers gegen den erstinstanzlichen UVP Bescheid, soweit damit nicht Maßnahmen zum Schutz der Fischerei geltend gemacht wurden, als unzulässig zurückgewiesen. Im Übrigen wurde die Berufung mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Ansprüche des Fischereiberechtigten auf Entschädigung einer gesonderten Entscheidung „der Behörde erster Instanz“ vorbehalten werden.
4 1.2. Mit an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung adressiertem Schriftsatz vom 27. September 2022 erhob der Antragsteller Säumnisbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B VG und stellte darin „im Hinblick auf die mangelnde Entscheidung durch die zuständige Behörde erster Instanz im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren“ den Antrag, „das Verwaltungsgericht möge über unseren Antrag auf Entschädigung in der Sache selbst erkennen und uns für die Beeinträchtigung unseres Fischereirechtes als Folge der Bewilligung der Errichtung und des Betriebes des K gemäß Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 10. August 2012, ..., eine Entschädigung in der Höhe von € 1,5 Mio. zuerkennen.“
5 Die Steiermärkische Landesregierung legte diese Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Steiermark vor.
6 In Entsprechung eines Mängelbehebungsauftrages des Landesverwaltungsgerichts Steiermark brachte der Antragsteller unter anderem vor, dass gemäß § 39 UVP G 2000 die zuständige Behörde erster Instanz die Landesregierung sei, weshalb auch Adressat der Säumnisbeschwerde im vorliegenden Fall die Steiermärkische Landesregierung sei.
7 1.3. Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 23. Februar 2023, Zl. LVwG 80.34 8107/2022 6, wurde die Säumnisbeschwerde gemäß § 31 VwGVG „wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen“ und unter einem gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 AVG an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet.
8 Begründend erwog das Landesverwaltungsgericht Steiermark im Wesentlichen, dass der Antrag auf Festsetzung einer Entschädigung gemäß § 117 WRG 1959 vom Antragsteller (ausschließlich) im Rahmen des UVP Genehmigungsverfahrens bei der UVP-Behörde eingebracht worden sei. Auch die gegenständliche Säumnisbeschwerde richte sich ausdrücklich an die UVP Behörde (Steiermärkische Landesregierung), weil diese aus Sicht des Antragstellers über den Antrag auf Festsetzung der Entschädigung zu entscheiden hätte. Die Säumnisbeschwerde hätte auf Grund von § 40 Abs. 1 UVP G 2000 daher dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt werden müssen, welches (zumindest) über die Frage der Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde zu entscheiden habe. Die Beschwerde, die ausschließlich dem Landesverwaltungsgericht Steiermark vorgelegt worden sei, sei daher wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen.
9 1.4. Das Bundesverwaltungsgericht hat die ihm sohin weitergeleitete Säumnisbeschwerde mit Beschluss vom 28. August 2023, Zl. W177 2267565 1/3E, gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG „als unzulässig zurückgewiesen“.
10 Es begründete seinen Beschluss im Wesentlichen damit, dass das Verwaltungsgericht in jeder Lage des Verfahrens seine Zuständigkeit zu prüfen und eine etwaige Unzuständigkeit wahrzunehmen habe.
Maßgebliche Rechtsgrundlage im vorliegenden Fall stelle § 117 WRG 1959 dar. Diese sei zweifellos dem Kompetenztatbestand „Wasserrecht“ zuzuordnen, der zwar nach Art. 10 Abs. 1 Z 10 B VG in Gesetzgebung und Vollziehung in die Bundeskompetenz falle, jedoch nicht in Art. 102 Abs. 2 B VG als Angelegenheit, die im Rahmen des verfassungsmäßig festgestellten Wirkungsbereichs unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werde, angeführt sei. Eine Besorgung in unmittelbarer Bundesverwaltung ergebe sich im gegenständlichen Fall auch nicht aus anderen Bestimmungen, sodass keine Angelegenheit vorliege, welche „unmittelbar von Bundesbehörden“ im Sinne von Art. 131 Abs. 2 erster Satz B VG besorgt werde (sodass die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes nicht auf diese Bestimmung gestützt werden könne).
Über Beschwerden gegen wasserrechtliche Bescheide der Wasserrechtsbehörden iSd § 98 Abs. 1 WRG 1959 sowie über Säumnisbeschwerden im Falle ihrer Untätigkeit würden gemäß Art. 131 Abs. 1 B VG vielmehr die Verwaltungsgerichte der Länder und nicht das Bundesverwaltungsgericht erkennen.
Es liege auch kein Fall der Mitanwendung wasserrechtlicher Regelungen in Angelegenheiten der unmittelbaren Bundesverwaltung vor, weil im gegenständlichen Fall das UVP Genehmigungsverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen worden sei und auch der der Säumnisbeschwerde zugrundeliegende Antrag ausschließlich auf § 117 WRG 1959 beruhe.
Der Rechtszug im Falle der gegenständlichen Säumnisbeschwerde gehe somit nicht an das Bundesverwaltungsgericht, sondern gemäß der Art. 131 Abs. 1 B VG inhärenten Generalklausel an das (örtlich zuständige) Landesverwaltungsgericht - im konkreten Fall das Landesverwaltungsgericht Steiermark.
Die dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegte Beschwerde sei daher wegen Unzuständigkeit durch förmlichen Beschluss zurückzuweisen. Die förmliche Beschlussfassung sei auch deshalb geboten, weil dies Voraussetzung dafür sei, dass der gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 3 B VG über Kompetenzkonflikte zwischen Verwaltungsgerichten erkennende Verwaltungsgerichtshof die Zuständigkeit bindend beurteilen könne.
11 1.5. Beide Zurückweisungsbeschlüsse sind rechtskräftig und wurden nicht mit Revision bekämpft.
12 1.6. Daraufhin wurde der vorliegende Antrag auf Entscheidung eines negativen (verneinenden) Kompetenzkonfliktes gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 3 B VG gestellt, der im Wesentlichen damit begründet ist, dass beide in Betracht kommenden Verwaltungsgerichte eine Entscheidung in derselben Sache aus dem Grund der Unzuständigkeit abgelehnt hätten.
13 Die zweitmitbeteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie vorbrachte, ein negativer Kompetenzkonflikt liege nicht vor, weil beide Verwaltungsgerichte zutreffend ihre Unzuständigkeit ausgesprochen hätten: Das Landesverwaltungsgericht Steiermark sei unzuständig, weil ausdrücklich eine Säumnis der UVP Behörde geltend gemacht worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe die Säumnisbeschwerde wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen gehabt, weil für die Zuerkennung der Entschädigung gemäß § 117 Abs. 1 WRG 1959 nicht die UVP Behörde, sondern die Wasserrechtsbehörde (im konkreten Fall: der Landeshauptmann von Steiermark) zuständig sei.
14 Die Verwaltungsgerichte legten jeweils die Akten vor. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark verwies in einer Stellungahme auf seine Entscheidungsgründe und führte ergänzend aus, dass es nicht dazu berufen sei, über eine Säumnisbeschwerde zu entscheiden, die sich gegen die UVP Behörde richte. Es teile jedoch die Rechtsansicht, dass für die Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung einer Entschädigung nach § 117 WRG 1959 nicht die UVP Behörde, sondern fallbezogen der Landeshauptmann als Wasserrechtsbehörde zu entscheiden habe, wobei der weitere Rechtszug zum Landesverwaltungsgericht führe. Ein verneinender Kompetenzkonflikt liege folglich nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 2.1. Gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 3 B VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof (unter anderem) über Kompetenzkonflikte zwischen Verwaltungsgerichten. Gemäß § 71 VwGG sind im Verfahren zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten zwischen Verwaltungsgerichten die §§ 43 bis 46, 48, 49, 51 und 52 des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 (VfGG) sinngemäß anzuwenden.
16 2.2. Das Bundes-Verfassungsgesetz (B VG) lautet auszugsweise:
„ Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden ...
3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.
...
Artikel 131. (1) Soweit sich aus Abs. 2 und 3 nicht anderes ergibt, erkennen über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 die Verwaltungsgerichte der Länder.
(2) Soweit sich aus Abs. 3 nicht anderes ergibt, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. ...
...
(4) Durch Bundesgesetz kann ...
2. eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes vorgesehen werden:
a) in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist (Art. 10 Abs. 1 Z 9 und Art. 11 Abs. 1 Z 7);
...“
17 Das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP G 2000) lautet auszugsweise:
„Entscheidung
§ 17. (1) Die Behörde hat bei der Entscheidung über den Antrag die in den betreffenden Verwaltungsvorschriften und im Abs. 2 bis 6 vorgesehenen Genehmigungsvoraussetzungen anzuwenden. Die Zustimmung Dritter ist insoweit keine Genehmigungsvoraussetzung, als für den betreffenden Teil des Vorhabens in einer Verwaltungsvorschrift die Möglichkeit der Einräumung von Zwangsrechten vorgesehen ist. Die Genehmigung ist in diesem Fall jedoch unter dem Vorbehalt des Erwerbs der entsprechenden Rechte zu erteilen.
...
Zuständigkeitsübergang
§ 21. (1) Mit Rechtskraft des Abnahmebescheides geht die Zuständigkeit der Behörde auf die nach den Verwaltungsvorschriften zur Vollziehung der für die Genehmigungen nach den §§ 17 bis 18b relevanten Vorschriften zuständigen Behörden über, sofern nicht Abs. 2 anzuwenden ist.
...
Behörden und Zuständigkeit
§ 39. (1) Für die Verfahren nach dem ersten und zweiten Abschnitt ist die Landesregierung zuständig. Die Zuständigkeit der Landesregierung erstreckt sich auf alle Ermittlungen, Entscheidungen und Überwachungen nach den gemäß § 5 Abs. 1 betroffenen Verwaltungsvorschriften und auf Änderungen gemäß 18b. Sie erfasst auch die Vollziehung der Strafbestimmungen. Die Landesregierung kann die Zuständigkeit zur Durchführung des Verfahrens, einschließlich der Verfahren gemäß § 45, und zur Entscheidung ganz oder teilweise der Bezirksverwaltungsbehörde übertragen. Gesetzliche Mitwirkungs- und Anhörungsrechte werden dadurch nicht berührt.
(2) In Verfahren nach dem zweiten Abschnitt beginnt die Zuständigkeit der Landesregierung mit der Rechtskraft einer Entscheidung gemäß § 3 Abs. 7, dass für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist, oder sonst mit dem Antrag auf ein Vorverfahren gemäß § 4 oder, wurde kein solcher Antrag gestellt, mit Antragstellung gemäß § 5. Ab diesem Zeitpunkt ist in den Angelegenheiten gemäß Abs. 1 die Zuständigkeit der nach den Verwaltungsvorschriften sonst zuständigen Behörden auf die Mitwirkung an der Vollziehung dieses Bundesgesetzes eingeschränkt. Die Zuständigkeit der Landesregierung endet, außer in den im § 21 Abs. 4 zweiter Satz genannten Fällen, zu dem in § 21 bezeichneten Zeitpunkt.
...
Rechtsmittelverfahren
§ 40. (1) Über Beschwerden in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Dies gilt nicht in Verfahren nach § 45. ...“
18 Das Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) lautet auszugsweise:
„ Besondere Wasserbenutzung an öffentlichen Gewässern und privaten Tagwässern.
§ 9. (1) Einer Bewilligung der Wasserrechtsbehörde bedarf jede über den Gemeingebrauch (§ 8) hinausgehende Benutzung der öffentlichen Gewässer sowie die Errichtung oder Änderung der zur Benutzung der Gewässer dienenden Anlagen. ...
...
Einschränkung zugunsten der Fischerei.
§ 15. (1) Die Fischereiberechtigten können anläßlich der Bewilligung von Vorhaben mit nachteiligen Folgen für ihre Fischwässer Maßnahmen zum Schutz der Fischerei begehren. Dem Begehren ist Rechnung zu tragen, insoweit hiedurch das geplante Vorhaben nicht unverhältnismäßig erschwert wird. Für sämtliche aus einem Vorhaben erwachsenden vermögensrechtlichen Nachteile gebührt den Fischereiberechtigten eine angemessene Entschädigung (§ 117).
...
Zuständigkeit.
§ 98. (1) Wasserrechtsbehörden sind, unbeschadet der in den einzelnen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgelegten Zuständigkeit des Bürgermeisters, die Bezirksverwaltungsbehörde, der Landeshauptmann und der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. ...
...
Entschädigungen und Beiträge.
§ 117. (1) Über die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten, die entweder in diesem Bundesgesetz oder in den für die Pflege und Abwehr bestimmter Gewässer geltenden Sondervorschriften vorgesehen sind, entscheidet, sofern dieses Bundesgesetz (§ 26) oder die betreffende Sondervorschrift nichts anderes bestimmt, die Wasserrechtsbehörde. In der Entscheidung ist auszusprechen, ob, in welcher Form (Sach- oder Geldleistung), auf welche Art, in welcher Höhe und innerhalb welcher Frist die Leistung zu erbringen ist. Gebotenenfalls können auch wiederkehrende Leistungen und die Sicherstellung künftiger Leistungen vorgesehen sowie die Nachprüfung und anderweitige Festlegung nach bestimmten Zeiträumen vorbehalten werden.
(2) Bei Ansuchen um Verleihung einer wasserrechtlichen Bewilligung oder um Einräumung eines Zwangsrechtes sind die im Abs. 1 bezeichneten Leistungen in der Regel schon in dem über das Ansuchen ergehenden Bescheide festzusetzen und nur, wenn dies nicht möglich ist, binnen angemessener, ein Jahr nicht überschreitender Frist durch Nachtragsbescheid zu bestimmen. Diesem Nachtragsbescheide kann eine eigene mündliche Verhandlung (§ 107) vorangehen.
...
(4) Gegen Entscheidungen der Wasserrechtsbehörde nach Abs. 1 ist eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht nicht zulässig. Die Entscheidung tritt außer Kraft, soweit vor Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides die gerichtliche Entscheidung beantragt wird. ...
...
(6) Zuständig ist jenes Landesgericht, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung oder Belastung oder der für die Festlegung von Ersätzen, Beiträgen und Kosten maßgebliche Gegenstand befindet. Auf Verfahren betreffend die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen und Beiträgen finden die Bestimmungen des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes, BGBl. Nr. 71/1954 in der geltenden Fassung, sinngemäße Anwendung. ...“
19 3. Zur Zulässigkeit
20 3.1. Nach Art. 133 Abs. 1 Z 3 B VG iVm § 71 VwGG und § 46 Abs. 1 VfGG besteht ein verneinender Kompetenzkonflikt u.a. dann, wenn ein Landesverwaltungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht die Zuständigkeit in derselben Sache verneinen und dies in einem Fall zu Unrecht erfolgt. Ein vom Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 1 Z 3 B VG zu entscheidender negativer Kompetenzkonflikt setzt jedenfalls voraus, dass beide in Betracht kommenden Gerichte eine Entscheidung in derselben Sache aus dem Grund der Unzuständigkeit abgelehnt haben, wobei diese Voraussetzung allein durch die Weiterleitung der Akten iSd § 6 AVG noch nicht erfüllt wird (vgl. VwGH 20.3.2018, Ko 2018/03/0001, und 31.10.2017, Ko 2017/03/0004, je mwN).
21 Zu klären ist daher zunächst, ob beide Verwaltungsgerichte eine Entscheidung in derselben Sache jeweils aus dem Grund der Unzuständigkeit förmlich abgelehnt haben und ob Gründe vorliegen, aus denen keines dieser Verwaltungsgerichte zur Entscheidung zuständig wäre.
22 3.2. Eine Säumnisbeschwerde nach Art. 130 Abs. 1 Z 3 B VG kann beispielsweise auch zurückzuweisen sein, wenn sie vor Ablauf der Entscheidungsfrist erhoben wurde, der Beschwerdeführer nicht zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt ist oder deshalb keine Säumnis vorliegt, weil der Antrag bei der unzuständigen Behörde eingebracht wurde oder bereits erledigt ist (vgl. Köhler in Köhler/Brandtner/Schmelz , VwGVG § 28 Rn 206, je mwN). Von derartigen Zurückweisungsbeschlüssen unter Bejahung der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes ist für die Frage des Vorliegens eines Kompetenzkonfliktes ein Beschluss über die Zurückweisung einer Beschwerde wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes zu unterscheiden (vgl. zu dieser Unterscheidung VwGH 18.2.2015, Ko 2015/03/0001, Pkt. 9.6., mwN). Nur ein Zurückweisungsbeschluss, der auf die Unzuständigkeit des angerufenen Verwaltungsgerichts gegründet ist, vermag daher einen negativen Kompetenzkonflikt auszulösen.
23 Im vorliegenden Fall hat das Landesverwaltungsgericht Steiermark die Säumnisbeschwerde (auch nach seinem Spruch) aus dem Grunde der Unzuständigkeit zurückgewiesen. Nach dem Spruch des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichtes ist die Säumnisbeschwerde hingegen „als unzulässig zurückgewiesen“ worden. Aus dem Aufbau und dem Inhalt der Begründung ergibt sich jedoch unzweifelhaft, dass das Bundesverwaltungsgericht seine eigene Zuständigkeit gemäß Art. 131 B VG geprüft und diese verneint hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat vielmehr das Landesverwaltungsgericht Steiermark zur Entscheidung über die Säumnisbeschwerde als zuständig erachtet und aus diesem Grund die Zurückweisung vorgenommen, dies nicht zuletzt auch (ausdrücklich), um die Entscheidung des negativen Kompetenzkonfliktes durch den Verwaltungsgerichtshof zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund ist in der Spruchgestaltung des Bundesverwaltungsgerichtes lediglich ein unbeachtliches Vergreifen im Ausdruck zu erblicken (zu einem solchen vgl. etwa VwGH 27.4.2020, Ra 2020/08/0047 bis 0061, und 18.12.2020, Ra 2019/10/0163). Es liegen somit zwei förmliche Unzuständigkeitsentscheidungen in derselben Sache vor.
24 3.3. In materieller Hinsicht stützt sich der Antrag, dessen unterbliebene Erledigung mit der Säumnisbeschwerde geltend gemacht wird, auf § 117 Abs. 1 WRG 1959. Zwar ist in § 117 Abs. 4 und 6 WRG 1959 die Unzulässigkeit einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht und eine sukzessive Kompetenz der ordentlichen Gerichte im Falle von Entscheidungen der Wasserrechtsbehörden nach § 117 Abs. 1 WRG 1959 normiert. Daraus ergibt sich aber nicht die Unzuständigkeit der (also beider) Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über die Säumnisbeschwerde:
25 Im vorliegenden Fall ist die Zuerkennung der beantragten Entschädigung nämlich unterblieben, vielmehr wurde im Bewilligungsbescheid (Berufungsbescheid des Umweltsenates) ein solcher Ausspruch ausdrücklich einem Nachtragsbescheid im Sinne des § 117 Abs. 2 WRG 1959 vorbehalten, welcher (nach dem Beschwerdevorbringen) bislang nicht ergangen ist.
26 Das bloße Unterbleiben des Entschädigungsausspruches ist jedoch nicht als Abweisung des Entschädigungsbegehrens zu deuten. Es ist daher nicht durch Anrufung des ordentlichen Gerichtes, sondern im Wege der Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht zu bekämpfen (vgl. VwGH 29.10.2015, Ra 2014/07/0086, unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen gegenteiligen Rechtsprechung, vgl. dazu auch VfGH 11.3.2015, E 1193/2014, VfSlg 19963, OGH 22.10.2007, 1 Ob 135/07w, RIS Justiz RS0045837 [insb. T5, T12], und Bumberger/Hinterwirth , WRG 3 § 117 K 12).
27 3.4. Der Antrag ist daher zulässig.
28 4. In der Sache
29 4.1. Nach § 40 Abs. 1 erster Satz UVP G 2000 entscheidet über Beschwerden in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz das Bundesverwaltungsgericht. Damit wurde dem Bundesverwaltungsgericht auf der Grundlage einer ausdrücklichen verfassungsgesetzlichen Ermächtigung (Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. a B VG) eine Zuständigkeit zur Entscheidung über Beschwerden u.a. in Angelegenheiten übertragen, die nach Art. 11 Abs. 1 Z 7 B VG in den Bereich der Vollziehung der Länder fallen.
30 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass der Gesetzgeber das Bundesverwaltungsgericht für Beschwerden gegen Entscheidungen, die nach dem UVP G 2000 getroffen werden, als umfassend zuständig ansieht (vgl. VwGH 17.11.2015, Ra 2015/03/0058, Pkt. IV.C.1.2.1., unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien).
31 § 40 Abs. 1 UVP G 2000 erhielt seine aktuelle Fassung mit dem Verwaltungsreformgesetz BMLFUW, BGBl. I Nr. 58/2017. Damit sollte nach den Materialien (ErläutRV 1456 BlgNR 25. GP 6) „nunmehr auch legistisch eine Klarstellung der umfassenden Zuständigkeit in § 40, insbesondere auch bei Devolutionsverfahren, für das BVwG normiert “ werden. Anders als nach der Vorgängerfassung BGBl. I Nr. 95/2013 („Beschwerden gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz“, vgl. dazu VwGH 2.8.2016, Ro 2015/05/0008, 0013, 0014) umfasst die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes daher nunmehr auch die Entscheidung über Säumnisbeschwerden in Angelegenheiten nach dem UVP G 2000.
32 4.2. Im vorliegenden Fall wurde der Entschädigungsantrag nach § 15 iVm 117 WRG 1959 im Rahmen eines Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens gestellt, in dem die UVP Behörde nach Maßgabe des § 17 UVP G 2000 zur Mitanwendung des WRG 1959 berufen war und auch über Einwendungen gegen das Vorhaben zu entscheiden hatte. Der Antragsteller hat ausdrücklich die Steiermärkische Landesregierung (UVP Behörde) als jene Behörde bezeichnet, gegen die sich die nunmehrige Säumnisbeschwerde richtet und sich dabei auf die Zuständigkeitsbestimmung des § 39 UVP G 2000 gestützt. Er hat damit die Säumnis einer UVP Behörde in dieser Eigenschaft geltend gemacht, daher liegt eine Säumnisbeschwerde in einer Angelegenheit nach dem UVP G 2000 vor.
33 Daraus ergibt sich, dass für die Behandlung der Säumnisbeschwerde vom 27. September 2022 das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist.
34 4.3. In seiner entgegenstehenden Entscheidung stützt sich das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen darauf, dass der verfahrenseinleitende Antrag ausschließlich auf § 117 WRG 1959 beruhe, welcher von den Wasserrechtsbehörden (§ 98 WRG 1959) in mittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehen sei, weshalb der Rechtszug nach Art. 131 Abs. 1 B VG an das Landesverwaltungsgericht führe. Es liege auch keine Mitanwendung wasserrechtlicher Regelungen in einem anderen Vollzugsbereich vor, weil das UVP Genehmigungsverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen worden sei.
35 Damit begründet das Bundesverwaltungsgericht zwar, dass für die Erledigung des Entschädigungsantrags seiner Ansicht nach die UVP Behörde nicht (mehr) zuständig sei und insofern keine Entscheidung nach dem UVP G 2000 begehrt werde.
36 Die Zuständigkeit eines Verwaltungsgerichts zur Entscheidung über eine Säumnisbeschwerde bestimmt sich jedoch danach, die Entscheidung welcher Verwaltungsbehörde nach den Angaben des Beschwerdeführers (vgl. § 9 Abs. 5 VwGVG) begehrt wurde, also die Säumnis welcher Verwaltungsbehörde (in welchem Vollzugsbereich bzw. Vollzugstyp) geltend gemacht wird, und nicht danach, welche Verwaltungsbehörde (in welchem Vollzugsbereich bzw. Vollzugstyp) die behauptetermaßen unterbliebene Entscheidung richtigerweise zu treffen gehabt hätte (vgl. entsprechend im Bescheidbeschwerdeverfahren VwGH 20.12.2023, Ko 2023/03/0002, Rn 38).
37 4.4. Die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde setzt die Säumnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde voraus, deren Entscheidungspflicht geltend gemacht wird, und somit die Verpflichtung dieser Behörde, über den bei ihr eingebrachten Antrag mittels Bescheid zu entscheiden. Fehlt es an der Säumnis der Behörde, so ist die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen. Liegt keine Fallkonstellation vor, in der über die Frage der Zuständigkeit ausnahmsweise bescheidmäßig - durch Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages - abzusprechen wäre, ist eine Säumnisbeschwerde daher vom Verwaltungsgericht im Falle der Unzuständigkeit der belangten Behörde mangels deren Säumnis zurückzuweisen (vgl. zum Ganzen VwGH 10.12.2018, Ro 2018/12/0017, mwN).
38 Wäre daher was an dieser Stelle nicht weiter zu prüfen ist die UVP Behörde für die Entscheidung über den offenen Antrag nicht (mehr) zuständig, so wäre die Säumnisbeschwerde zwar mangels Säumnis der Steiermärkischen Landesregierung vom Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen gewesen. Von einer solchen Zurückweisung ist aber wie oben unter Pkt. 3.2. dargestellt die vorliegende Zurückweisung aus dem Grund der Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zu unterscheiden.
39 5. Für die Entscheidung über die Säumnisbeschwerde des Antragstellers vom 27. September 2022 ist nach dem Gesagten das Bundesverwaltungsgericht zuständig. Dessen entgegenstehender Beschluss war daher gemäß § 71 VwGG iVm. § 51 VfGG aufzuheben.
Wien, am 31. Jänner 2024