Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Linz Land gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 17. August 2023, LVwG 605807/15/KHa/SNI, betreffend Übertretungen des KFG (mitbeteiligte Partei: K in S, vertreten durch die Hochleitner Rechtsanwälte GmbH in 4070 Eferding, Kirchenplatz 8), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Strafverfügung der amtsrevisionswerbenden belangten Behörde vom 9. November 2022 wurden über den Mitbeteiligten wegen näher konkretisierter Übertretungen 1. des § 102 Abs. 1 KFG sowie 2. des § 103 Abs. 1 Z 1 KFG jeweils gemäß § 134 Abs. 1 KFG Geld- sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.
2 In Folge des vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen Einspruchs, den die amtsrevisionswerbende belangte Behörde lediglich als Einspruch gegen die Strafhöhe wertete, setzte diese mit Straferkenntnis vom 18. November 2022 die Geldstrafen herab und verpflichtete den Mitbeteiligten zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) der gegen das Straferkenntnis erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt, behob das Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass der Mitbeteiligte weder einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens noch zu jenen des behördlichen Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten habe und erklärte eine Revision gegen diese Entscheidung für unzulässig.
4 Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, die Verständigung über die Hinterlegung des Straferkenntnisses sei am 22. November 2022 in die Abgabeeinrichtung des Mitbeteiligten eingeworfen worden, das Straferkenntnis ab 23. November 2022 abholbereit gewesen und am 25. November 2022 vom Mitbeteiligten persönlich übernommen worden. Dies ergebe sich aus dem im Behördenakt befindlichen Zustellnachweis. Die vierwöchige Beschwerdefrist habe demnach mit 23. November 2022 zu laufen begonnen und am 21. Dezember 2022 geendet. Dem ebenso im Behördenakt befindlichen Postvermerk (Journaldetail vom 27. Jänner 2023) sei zu entnehmen, dass der Mitbeteiligte seine Beschwerde vom 16. Dezember 2022 am selben Tag bei der Post aufgegeben habe. Da der Mitbeteiligte sein Beschwerdeschreiben bereits am 16. Dezember 2022 und somit innerhalb offener Beschwerdefrist zur Übermittlung an die belangte Behörde zur Post gegeben habe und nach § 33 Abs. 3 AVG der Postlauf nicht in die Frist einzurechnen sei, sei die Beschwerde trotz ihres Einlangens bei der belangten Behörde am 2. Februar 2023 rechtzeitig gewesen.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision mit dem Begehren, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
6 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, die Revision kostenpflichtig als unzulässig zurückzuweisen, in eventu sie als unbegründet abzuweisen. Begründend wurde ausgeführt, die Tage des Postlaufes seien nicht in die Frist einzurechnen. Es reiche daher, wenn das Anbringen innerhalb der Frist an die richtige Einbringungsstelle adressiert werde. Die Beschwerde des Mitbeteiligten sei rechtzeitig gewesen, weil sie „am 16.12.2023“ an die richtige Einbringungsstelle adressiert bei der Postabgabestelle abgegeben worden sei. Die Beschwerde sei der Verwaltungsstrafbehörde auch zugestellt worden, wenn auch erst am 2. Februar 2023. Sofern der Verlust der Bescheidbeschwerde am Postweg dem Beteiligten zuzurechnen sei, sei sein erneutes Einbringen der Beschwerde am 31. Jänner 2023 jedenfalls als Antrag auf Wiedereinsetzung zu werten. Der Mitbeteiligte sei nicht rechtskundig. Als Beweis für die rechtzeitige Einbringung sei der Postaufgabeschein vom „16.12.2023“ beigelegt worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Revision erweist sich mit ihrem Vorbringen, ausgehend vom Poststempel sei die Beschwerde nicht innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist zur Post gegeben worden, weshalb das Verwaltungsgericht keine meritorische Entscheidung hätte treffen dürfen, als zulässig und begründet.
8 Gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde wegen Rechtswidrigkeit vier Wochen und beginnt gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 VwGVG in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung zu laufen.
9 Nach § 33 Abs. 3 Z 1 AVG werden die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst iSd § 2 Z 7 Zustellgesetz hier etwa die Post - zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) nicht in die Beschwerdefrist eingerechnet. Um rechtzeitig zu sein, muss der Beschwerdeschriftsatz bei postalischer Einbringung somit spätestens am letzten Tag der Frist dem Zustelldienst übergeben werden und in der Folge tatsächlich bei der Behörde einlangen (vgl. VwGH 21.8.2020, Ra 2019/02/0093, mwN).
10 Nach § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Bei der Prüfung der Rechtzeitigkeit einer Beschwerde handelt es sich um eine Rechtsfrage gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, die, wenn Anhaltspunkte für die Verspätung eines Rechtsmittels vorliegen, von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. VwGH 20.9.2023, Ra 2023/09/0129, mwN). Das Verwaltungsgericht hat dazu nach amtswegigen Erhebungen Tatsachen festzustellen (vgl. VwGH 17.8.2023, Ra 2023/02/0100, mwN).
11 Zur Feststellung des Zeitpunktes, in dem das Schriftstück der Post zur Weiterbeförderung übergeben wurde, ist grundsätzlich der auf der Briefsendung von der Post angebrachte Datumsstempel (Poststempel) als Beweismittel heranzuziehen (vgl. VwGH 23.10.2017, Ro 2017/17/0008; 24.11.2022, Ra 2021/08/0053, jeweils mwN). Allerdings ist der Gegenbeweis, dass der Postlauf nicht an dem im Poststempel bezeichneten Tag begonnen hat, zulässig. Bei Zweifeln an der Richtigkeit des Poststempels ist der Zeitpunkt der Postaufgabe von Amts wegen zu ermitteln (vgl. VwGH 17.10.2013, 2013/11/0178, mwN).
12 Das Verwaltungsgericht ging in Übereinstimmung mit dem im Verwaltungsakt erliegenden Zustellnachweis davon aus, dass die Zustellung des Straferkenntnisses an den Mitbeteiligten am 23. November 2022 bewirkt wurde, sodass die vierwöchige Beschwerdefrist mit Ablauf des 21. Dezember 2022 endete.
13 Demnach wäre eine wie vom Verwaltungsgericht angenommen am 16. Dezember 2022 zur Post gegebene Beschwerde unabhängig vom Tag ihres Einlangens bei der Behörde als rechtzeitig anzusehen. Allerdings findet sich worauf die amtsrevisionswerbende Partei zutreffend hinweist auf dem Briefkuvert der Beschwerde ein Poststempel vom 31. Jänner 2023. Diesen hat das Verwaltungsgericht entgegen der dargestellten Judikatur bei der Beurteilung der Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde jedoch gänzlich unberücksichtigt gelassen und im Hinblick auf die Frage, wann die mit 16. Dezember 2022 datierte Beschwerde des Mitbeteiligten der Post zur Weiterbeförderung übergeben wurde, lediglich auf die der Beschwerde beigelegten Ausdrucke („Journaldetail vom 27.01.2023“ und „Nachschau für Briefsendungen“) verwiesen, wonach eine Sendungsannahme am 16. Dezember 2022 durch die genannte Postfiliale erfolgt sei. Eine Auseinandersetzung mit diesen beiden divergierenden Zeitpunkten sowie eine nähere Begründung, weshalb von dem in den beigelegten Schriftstücken angeführten Übergabezeitpunkt auszugehen und nicht dem Poststempel zu folgen sei, blieb das Verwaltungsgericht schuldig. Dabei wäre bei der Beurteilung dieser Schriftstücke auch in Betracht zu ziehen gewesen, dass sich diese nicht nur auf eine andere als die am Briefkuvert der Beschwerde angebrachte Sendungsnummer beziehen, sondern zudem auch mit dem 27. Jänner 2023 datiert sind und daher nicht bereits einer am 16. Dezember 2022 der Post zur Weiterbeförderung übergebenen Beschwerde beigelegt werden konnten.
14 Ausgehend von dem am Briefkuvert angebrachten Poststempel vom 31. Jänner 2023 erwiese sich die Beschwerde jedenfalls als verspätet, weshalb sie nach Wahrung des rechtlichen Gehörs des Mitbeteiligten (gegebenenfalls) zurückzuweisen gewesen wäre. Eine sofortige meritorische Entscheidung über die Beschwerde kam hingegen auf Basis der Aktenlage nicht in Betracht (vgl. VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0118).
15 Indem das Verwaltungsgericht in Verkennung der Rechtslage dem auf der Briefsendung angebrachten Poststempel bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde keinerlei Bedeutung beimaß und in Folge die gebotene Auseinandersetzung mit diesem unterließ, belastete es die angefochtene Entscheidung mit einem sekundären Verfahrensmangel und daher mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes, weshalb diese gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 11. Jänner 2024
Rückverweise