Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revisionen der Finanzmarktaufsichtsbehörde gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 3. August 2023, W158 2252667 1/18E (hg. prot. zu Ra 2023/02/0179) und W158 2245399 1/18E (hg. prot. zu Ra 2023/02/0180), jeweils betreffend eine Angelegenheit nach dem AIFMG (mitbeteiligte Partei: L GmbH in W, vertreten durch die ALIANT Helml Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Volksfeststraße 15; weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:
Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 19. Jänner 2021 wurde der mitbeteiligten Partei aufgetragen, die unerlaubte Verwaltung eines Alternativen Investmentfonds (AIF) gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 AIFMG zu unterlassen. Dies durch Unterlassung der Verwaltung des Genussrechtskapitals, das durch die Emission von unverbrieften und nachrangigen Genussrechten mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 2023 laut Kapitalmarktprospekt vom 5. Juli 2017 über das öffentliche Angebot von Genussrechten eingesammelt wurde (Spruchpunkt 1.). Dies sei der Finanzmarktaufsichtsbehörde binnen sechs Wochen ab Zustellung dieses Bescheides durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachzuweisen (Spruchpunkt 2.). Bei Nichtbefolgung werde über die mitbeteiligte Partei eine Zwangsstrafe in Höhe von € 10.000, (jeweils für die Nichtbefolgung der Spruchpunkte 1. und 2.) verhängt werden (Spruchpunkt 3.). Der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Akteneinsicht in den gesamten Akt eines Verfahrens der Finanzmarktaufsichtsbehörde wurde abgewiesen (Spruchpunkt 4.). Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt 5.).
2 Mit Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 1. Juni 2021 wurde über die mitbeteiligte Partei die angedrohte Zwangsstrafe in Höhe von insgesamt € 20.000, verhängt. Gleichzeitig wurde der mitbeteiligten Partei für die Erbringung der im Bescheid vom 19. Jänner 2021 auferlegten Verpflichtung der Unterlassung der unerlaubten Verwaltung eines AIF und der Vorlage geeigneter Unterlagen zum Nachweis der Unterlassung eine erneute Frist von vier Wochen ab Bescheidzustellung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes gesetzt und für den Fall des ergebnislosen Verstreichens dieser Frist weitere Zwangsstrafen von jeweils € 15.000, angedroht.
3 Mit Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 13. Jänner 2022 wurden über die mitbeteiligte Partei die angedrohten Zwangsstrafen in Höhe von insgesamt € 30.000, verhängt. Gleichzeitig wurde der mitbeteiligten Partei für die Erbringung der im Bescheid vom 19. Jänner 2021 auferlegten Verpflichtung der Unterlassung der unerlaubten Verwaltung eines AIF und der Vorlage geeigneter Unterlagen zum Nachweis der Unterlassung eine erneute Frist von acht Wochen ab Bescheidzustellung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes gesetzt und für den Fall des ergebnislosen Verstreichens dieser Frist weitere Zwangsstrafen von jeweils € 17.000, angedroht.
4 Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2023, W158 2240383 2/25E, wurde der Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 19. Jänner 2021 in seinen Spruchpunkten 1. bis 3. ersatzlos behoben.
5 Mit den angefochtenen Erkenntnissen gab das Bundesverwaltungsgericht den gegen die Bescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 1. Juni 2021 und 13. Jänner 2022 erhobenen Beschwerden jeweils statt und behob die Bescheide ersatzlos. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht jeweils für nicht zulässig.
6 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht jeweils gleichlautend aus, da der Titelbescheid ersatzlos behoben worden sei, fehle es an einer Grundlage für die Verhängung und Androhung der Zwangsstrafen.
7 Dagegen richten sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen der Finanzmarktaufsichtsbehörde, in denen zur Zulässigkeit unter anderem gleichlautend vorgebracht wird, eine Aufhebung des (ebenfalls angefochtenen und hg. zu Ra 2023/02/0178 protokollierten) Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2023, W158 2240383 2/25E, im Untersagungsverfahren würde bedeuten, dass das Bundesverwaltungsgericht in den hier angefochtenen Erkenntnissen von einer unrichtigen rechtlichen Prämisse nämlich der Aufhebung des Untersagungsbescheids als Titelbescheid für die verhängten Zwangsstrafen ausgegangen sei.
8 Nach Einleitung des Vorverfahrens erstattete die mitbeteiligte Partei jeweils eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revisionen aufgrund ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber in einem § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
9 Die Revisionen sind jeweils zulässig und berechtigt.
10 Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2023, W158 2240383 2/25E, mit dem der Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 19. Jänner 2021 in den Spruchpunkten 1. bis 3. ersatzlos behoben worden war, wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag, Ra 2023/02/0178, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
11 Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG wirkt die Aufhebung eines Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichts durch den Verwaltungsgerichtshof „ex tunc“. Das bedeutet, dass der Rechtszustand im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob das aufgehobene Erkenntnis von Anfang an nicht erlassen worden wäre (vgl. etwa VwGH 18.12.2020, Ra 2020/08/0148, mwN).
12 Die rechtliche Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, es läge den gegenständlich verhängten Zwangsstrafen kein Titelbescheid zugrunde, auf den sie aufbauen könnten, erweist sich im Lichte dessen als unzutreffend.
13 Die angefochtenen Erkenntnisse waren daher wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 15. Februar 2024
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