Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision der Z in K, vertreten durch Burgstaller Partner Rechtsanwälte, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Landstraße 12/Arkade, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 28. März 2023, LVwG 050242/9/ER, betreffend Verbot der Haltung von Ziegen und Schafen auf Dauer gemäß § 39 Abs. 1 TSchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Urfahr Umgebung; mitbeteiligte Partei: Tierschutzombudsperson des Landes Oberösterreich Dr. in Cornelia Rouha Mülleder in 4021 Linz, Bahnhofplatz 1), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Revisionswerberin Aufwendungen in Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 26. August 2022 wurde der Revisionswerberin die Haltung von Ziegen und Schafen gemäß § 39 Abs. 1 Tierschutzgesetz (TSchG) auf Dauer verboten.
2 Begründet wurde dieses Verbot mit den gegen die Revisionswerberin ergangenen rechtskräftigen, noch nicht getilgten einschlägigen Bestrafungen aus den Jahren 2021 und 2022 wegen Übertretungen (u.a.) des § 5 TSchG, die in Zusammenhang mit der von ihr betriebenen Tierhaltung in A standen und der Prognose, dass nur durch ein Verbot der Haltung der angeführten Tiere eine Tierquälerei oder ein Verstoß gegen die §§ 5, 6, 7 oder 8 TSchG in Zukunft verhindert werden könne.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (Verwaltungsgericht) wurde die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet abgewiesen und eine Revision an den Verwaltungsgerichthof für zulässig erklärt.
4 Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, die Revisionswerberin halte seit 30. März 2016 Ziegen an einer näher bezeichneten Adresse in A. Eine weitere Tierhaltung betreibe die Revisionswerberin im Bezirk F. Zudem traf das Verwaltungsgericht ausführliche Feststellungen zu den durchgeführten Kontrollen der Ziegenhaltung in A und den in der Folge über die Revisionswerberin verhängten Verwaltungsstrafen durch die belangte Behörde.
5 Zu der im vorliegenden Revisionsverfahren relevanten Frage der örtlichen Zuständigkeit für die Erlassung eines Tierhaltungsverbots gemäß § 39 Abs. 1 TSchG führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, mangels einer materiell-rechtlichen Regelung der örtlichen Zuständigkeit für die Erlassung eines Tierhaltungsverbots sei auf die Zuständigkeitsregeln des AVG zurückzugreifen. Gemäß § 3 AVG richte sich die örtliche Zuständigkeit mangels eigener materiell rechtlicher Regelung 1. in Sachen, die sich auf ein unbewegliches Gut beziehen: nach der Lage des Gutes; 2. in Sachen, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen: nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll; 3. in sonstigen Sachen: zunächst nach dem Hauptwohnsitz des Beteiligten. Da § 39 Abs. 1 TSchG das Verbot der Tierhaltung regle, die nicht an ein unbewegliches Gut gebunden sei, scheide § 3 Z 1 AVG aus. Im Hinblick darauf, dass sich die örtliche Zuständigkeit für die Überwachung und Kontrolle der Tierhaltung (somit hinsichtlich der Ermittlung allfälliger Missstände), die Abnahme von Tieren, die Verhängung von Strafen nach dem TSchG und den Ausspruch des Verfalls am Ort der Tierhaltung orientiere und hinsichtlich der Erlassung eines Tierhaltungsverbotes keine abweichende Regelung bestehe und auch der Verwaltungsgerichtshof einen Bezug zu einer „sonstigen dauernden Tätigkeit“ bei einem Antrag auf Bewilligung der Haltung von Wildtieren in einem Zoo angenommen habe (Hinweis auf VwGH 9.9.1993, 92/01/0996), komme das erkennende Gericht zu dem Ergebnis, dass sich § 39 Abs. 1 TSchG auf eine dauernde Tätigkeit nämlich die Haltung von Tieren iSd § 3 Z 2 AVG beziehe. Es sei daher die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde gegeben.
Das Verwaltungsgericht erklärte die Revision für zulässig, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zur Frage der örtlichen Zuständigkeit für die Erlassung eines Tierhaltungsverbotes gemäß § 39 TSchG existiere und die gesetzlichen Bestimmungen nicht als eindeutig bezeichnet werden könnten.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende ordentliche Revision
7 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 In der Revision wird zur Zulässigkeit auf die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage Bezug genommen und begründend unter anderem ausgeführt, die Tiere der Revisionswerberin seien nur vorübergehend (wenn auch seit 2016) an der Adresse in A zur Weidewirtschaft auf einem fremden Gut eingesetzt gewesen. Sie seien aber stets beim Betrieb in K gemeldet gewesen, zu dem sie gehörten. In K befinde sich auch der Hauptwohnsitz der Revisionswerberin. Da K im Bezirk F liege, sei für die Erlassung eines Tierhaltungsverbotes die Bezirkshauptmannschaft F zuständig.
9 Die Revision ist zulässig und begründet.
10 Dem Verwaltungsgericht ist darin beizupflichten, dass das TSchG die örtliche Zuständigkeit der Behörde für die Erlassung eines Tierhaltungsverbotes nicht regelt; diese bestimmt sich daher nach dem AVG.
11 Die maßgeblichen Bestimmungen des AVG lauten auszugsweise:
„ Zuständigkeit
§ 1. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Behörden richtet sich nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Verwaltungsvorschriften.
[...]
§ 3. Soweit die in § 1 erwähnten Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen, richtet sich diese
1. in Sachen, die sich auf ein unbewegliches Gut beziehen: nach der Lage des Gutes;
2. in Sachen, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen: nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll;
3. in sonstigen Sachen: zunächst nach dem Hauptwohnsitz (Sitz) des Beteiligten, [...].“
12 Die Beurteilung, ob sich eine Sache auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer sonstigen dauernden Tätigkeit bezieht, richtet sich nach der den jeweiligen Gegenstand des Verfahrens bildenden Verwaltungsangelegenheit (vgl. VwGH 23.3.2017, Ro 2017/11/0002, mwN). Die Frage des Gegenstandes der Verwaltungsangelegenheit ist eine solche des materiellen Rechts (vgl. VwGH 26.2.2016, Ko 2015/03/0004, mwN), im vorliegenden Fall somit eine Frage, die anhand des TSchG zu beurteilen ist.
13 Gemäß § 39 Abs. 1 TSchG kann die Behörde einer Person, die vom Gericht wegen Tierquälerei wenigstens einmal oder von der Verwaltungsbehörde wegen Verstoßes gegen die §§ 5, 6, 7 oder 8 mehr als einmal rechtskräftig bestraft wurde, die Haltung und Betreuung von Tieren aller oder bestimmter Arten für einen bestimmten Zeitraum oder auf Dauer verbieten, soweit dies mit Rücksicht auf das bisherige Verhalten der betreffenden Person erforderlich ist, damit eine Tierquälerei oder ein Verstoß gegen die §§ 5, 6, 7 oder 8 in Zukunft voraussichtlich verhindert wird.
14 Fallbezogen handelt es sich bei der verfahrensgegenständlichen Verwaltungssache um die Erlassung eines Tierhaltungsverbotes betreffend Schafe und Ziegen, welches gemäß § 39 Abs. 5 TSchG für das gesamte Bundesgebiet gilt.
15 Die Tierhaltung der Revisionswerberin in A war zwar Ausgangspunkt in tatörtlicher Hinsicht für die dem gegenständlichen Verfahren vorangegangenen einschlägigen Anlasstaten, sie bildet aber nicht den Verfahrensgegenstand der vorliegenden Verwaltungssache, zumal sich das zu erlassende Tierhaltungsverbot auch nicht (ausschließlich) auf diese Tierhaltung in A bezieht.
16 Das Tierhaltungsverbot bezieht sich vielmehr auf die Person der Revisionswerberin sowie deren bisheriges und zukünftiges Verhalten, unabhängig von einem bestimmten Ort.
17 In diesem wesentlichen Punkt unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von jenem Fall, der dem vom Verwaltungsgericht zur Begründung herangezogenen hg. Erkenntnis vom 9. September 1993, 92/01/0966, zugrunde lag. Dort wurde nämlich eine Ausnahmegenehmigung für die Haltung von Tieren in einem Zoo an einem bestimmten Ort beantragt. Ein Tierhalteverbot gemäß § 39 TschG bezieht sich demgegenüber auf das gesamte Bundesgebiet.
18 Die örtliche Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung eines Tierhaltungsverbotes richtet sich fallbezogen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts daher nicht nach § 3 Z 2 AVG.
19 Da auch die Bestimmung des § 3 Z 1 AVG unstrittig nicht in Betracht kommt, richtet sich die örtliche Zuständigkeit der Behörde im vorliegenden Fall nach § 3 Z 3 AVG und somit nach dem Hauptwohnsitz der Revisionswerberin.
20 Das Verwaltungsgericht ging somit zu Unrecht von der örtlichen Zuständigkeit der belangten Behörde aufgrund der Tierhaltung in A aus, weshalb das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 19. März 2024