Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Mag. Brandl sowie Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des F B, in W, vertreten durch Mag. Clemens Lahner, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Bruno Marek Allee 5/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Jänner 2023, Zl. L507 2188696 1/41E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber ist türkischer Staatsangehöriger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe. Er stellte am 9. Oktober 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 6. Februar 2018 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 2 Z 13 und § 6 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab (Spruchpunkt I.), ebenso bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers in die Türkei für unzulässig (Spruchpunkt II.) und erteilte gemäß § 57 AsylG 2005 keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.).
3 Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das BFA zusammengefasst dahin, dass der Revisionswerber als Mitglied der syrischen Kurdenmiliz „YPG“ in Syrien gekämpft habe. Der Revisionswerber habe zwar in der Türkei aufgrund seiner Mitgliedschaft zur „YPG“ eine Verfolgung aus politischen Gründen zu befürchten, es liege jedoch ein Asylausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 bzw. ein Grund für die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 vor, weil die „YPG“ und ihre Mitglieder für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich seien.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis hinsichtlich der beiden Spruchpunkte I. und III. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass Spruchpunkt I. zu lauten hat: „Der Antrag auf internationalen Schutz vom 09.10.2017 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen.“ (Spruchpunkt A 1.). Im Übrigen behob das Verwaltungsgericht Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids gemäß § 28 Abs. 1 und 5 VwGVG (Spruchpunkt A 2.) und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei (Spruchpunkt B).
5 Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das Verwaltungsgericht zusammengefasst dahin, dass der Revisionswerber im Jahr 2011 die Eingangstür eines Gymnasiums und eine Schutzmauer an einem Bahnhof durch Beschriftungen („der einzige Weg ist die Revolution, aus mit Drogenkonsum“) verschmutzt habe, er sich deswegen von 6. August 2011 bis 13. Dezember 2011 in Haft befunden habe und er mit Urteil des 5. Gerichts für schwere Strafsachen YY vom 5. November 2013 verurteilt worden sei. Zum Zeitpunkt der Tatbegehung sei der Revisionswerber noch nicht Mitglied einer bewaffneten Terrororganisation gewesen. Das türkische Strafgericht sei jedoch davon ausgegangen, dass der Revisionswerber die Sachbeschädigung „in deren Namen“ begangen habe. In Folge der vom Revisionswerber erhobenen Berufung sei dieses Urteil mit Urteil der 16. Strafabteilung des 5. Gerichts für schwere Strafsachen YY vom 20. März 2017 behoben und für den 12. Oktober 2017 eine Verhandlung anberaumt worden, zu der der Revisionswerber nicht erschienen sei. Am 12. Oktober 2017 sei gegen den Revisionswerber ein Haftbefehl zum Zweck seiner Einvernahme erlassen worden, weil er auch sonst nicht auffindbar gewesen sei. Der Revisionswerber habe sich damals jedoch bereits in Österreich befunden.
Nach seiner Haftentlassung habe sich der Revisionswerber von 2012 bis Ende 2014 nach Syrien sowie in den Irak begeben. Dort habe er sich der PKK, einer auch von den EU Staaten eingestuften Terrororganisation, angeschlossen und er sei an Waffen ausgebildet worden. Der Revisionswerber sei nicht Mitglied der „YPG“ gewesen. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass er sich als Mitglied der „YPG“ im Zuge von Kampfhandlungen Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu Schulden habe kommen lassen oder an solchen Handlungen beteiligt gewesen sei, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen.
Bei seiner Rückkehr in die Türkei sei er am 7. Dezember 2014 wegen des Verdachtes der Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation festgenommen, einvernommen und zeitnah zu seiner Festnahme wieder freigelassen worden. Mit Urteil des 2. Schwurgerichts XX vom 10. Dezember 2015 sei der Revisionswerber wegen Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Der Verurteilung sei zugrunde gelegt worden, dass der Revisionswerber 2012 von der Türkei nach Syrien gereist sei, um sich dort der bewaffneten Terrororganisation PKK anzuschließen und mit dieser einen Teil des türkischen Territoriums mit Waffengewalt abzutrennen und in dieser Region einen kurdischen Staat mit der Führung einer marxistisch leninistischen Ideologie zu gründen. Gegen dieses Urteil habe der Revisionswerber Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren sei bis dato nicht abgeschlossen. In der Gerichtsverhandlung am 12. Oktober 2017 zur angeklagten Sachbeschädigung seien die Verfahren wegen Sachbeschädigung und Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation beim 5. Gericht für schwere Strafsachen YY wegen faktischer und rechtlicher Verbindung zusammengefasst worden.
Aus den vorgelegten Unterlagen zu den türkischen Strafverfahren würden keine stichhaltigen Anhaltspunkte hervorgehen, dass das Vorgehen der türkischen Strafbehörden auf die Zugehörigkeit des Revisionswerbers zur Volksgruppe der Kurden zurückzuführen sei. Vielmehr liege diesen Verfahren die Bekämpfung terroristischer Aktivitäten zur gewaltsamen Durchsetzung der Ziele der PKK, einer auch von den USA und der Europäischen Union eingestuften terroristischen Organisation, bzw. die Verhinderung der Beschädigung von öffentlichem Eigentum zugrunde.
Angesichts des Unrechtsgehalts der vom Revisionswerber begangenen Straftaten sei im Rahmen des existierenden Strafrahmens und des Präventivbedürfnisses nicht von einer unverhältnismäßig hohen verhängten Strafe auszugehen. Den vorgelegten gerichtlichen Unterlagen sei zu entnehmen, dass in den Strafverfahren die Grundsätze der Mündlichkeit und der Öffentlichkeit gewahrt worden seien und der Revisionswerber anwaltlich vertreten gewesen sei. Der Grundsatz des Anklageprozesses sei gewahrt. Der Revisionswerber habe die Gelegenheit zum Vorbringen seines Standpunktes gehabt.
Vor diesem Hintergrund könne eine mit unverhältnismäßigen Mitteln geführte oder diskriminierende Strafverfolgung gegen den Revisionswerber nicht erkannt werden. Es sei nicht von einer Strafverfolgung auszugehen, die einer willkürlichen Verurteilung des Revisionswerbers dienen solle. Die Unabhängigkeit der türkischen Gerichte werde in den Länderberichten zwar kritisiert. Allerdings würden diese Berichte im Wesentlichen Vorfälle nach dem versuchten Militärputsch im Jahr 2016 betreffen. Die gegen den Revisionswerber ergangenen noch nicht rechtskräftigen Urteile würden sich als Akte legitimer staatlicher Strafverfolgung durch die türkischen Behörden und nicht als „Verfolgung im asylrechtlichen Sinn“ darstellen.
6 Die vorliegende außerordentliche Revision richtet sich ausschließlich gegen die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten.
7 In dem vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren erstattete die belangte Behörde keine Revisionsbeantwortung.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die Revision moniert ein Abweichen von näher dargelegter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht sowie betreffend die Beweiswürdigung in Bezug auf eine asylrechtlich relevante Verfolgung des Revisionswerbers hinsichtlich der gegen ihn noch offenen strafrechtlichen Rechtsmittelverfahren.
12 Bei Behauptung einer asylrelevanten Verfolgung durch die Strafjustiz im Herkunftsstaat bedarf es einer Abgrenzung zwischen der legitimen Strafverfolgung („prosecution“) einerseits und der Asyl rechtfertigenden Verfolgung aus einem der Gründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) („persecution“) andererseits.
Im Allgemeinen ist in der staatlichen Strafverfolgung keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn zu erblicken. Allerdings kann auch die Anwendung einer durch Gesetz für den Fall der Zuwiderhandlung angeordneten, jeden Bürger des Herkunftsstaates gleich treffenden Sanktion unter bestimmten Umständen „Verfolgung“ im Sinne der GFK aus einem dort genannten Grund sein; etwa dann, wenn das den nationalen Normen zuwiderlaufende Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt.
Um feststellen zu können, ob die strafrechtliche Verfolgung wegen eines auf politischer Überzeugung beruhenden Verhaltens des Asylwerbers einer Verfolgung im Sinne der GFK gleichkommt, kommt es somit entscheidend auf die angewendeten Rechtsvorschriften, aber auch auf die tatsächlichen Umstände ihrer Anwendung und die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe an.
Für die Beurteilung einer Asylrelevanz der staatlichen Strafverfolgung (seitens der türkischen Justiz) ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Feststellung erforderlich, aufgrund welchen von den (türkischen) Gerichten als erwiesen angenommenen tatsächlichen Verhaltens die (türkischen) Strafgerichte von der Erfüllung welcher Straftatbestände (einschließlich ihrer Strafdrohung) ausgegangen sind und welche Sanktion dafür jeweils verhängt wurde. Erst diese Feststellung bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob den verhängten Sanktionen für die verwirklichten Straftatbestände jede Verhältnismäßigkeit fehlte (vgl. zu alldem etwa VwGH 2.2.2023, Ro 2022/18/0002, Rn. 14 bis 16, jeweils mwN).
13 Nach den in der Revision unbekämpft gebliebenen Feststellungen wurde der Revisionswerber in der Türkei jeweils erstinstanzlich wegen Sachbeschädigung und der Mitgliedschaft in der PKK, einer bewaffneten Terrororganisation, strafgerichtlich verurteilt, und zwar betreffend die Mitgliedschaft in der PKK zu einer mehrjährigen Haftstrafe. Beide Urteile sind nicht rechtskräftig. Die Verurteilung wegen Sachbeschädigung wurde infolge Berufung des Revisionswerbers aufgehoben. Beide noch offenen Strafverfahren wurden „zusammengefasst“.
14 Soweit sich die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen gegen die Beweiswürdigung richtet, ist sie darauf zu verweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren soll (vgl. ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 30.3.2022, Ra 2021/01/0281, mwN). Eine derart die Rechtssicherheit beeinträchtigende und unvertretbare Beweiswürdigung insbesondere in Bezug auf die Feststellungen zu den in der Türkei gegen den Revisionswerber anhängigen Strafverfahren, vor allem wonach der Revisionswerber nicht Mitglied der „YPG“ gewesen sei und dessen Geständnis, Mitglied der PKK zu sein, nicht erzwungen worden sei, zeigt die Revision nicht auf.
15 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele VwGH 21.2.2022, Ra 2021/01/0330 0331, mwN).
16 Eine solche fallbezogene Relevanz legt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen zum behaupteten Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von näher dargestellter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermittlungspflicht zu den strafrechtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers in der Türkei nicht dar.
17 Soweit etwa die Revision die mangelhafte Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit den in der Türkei geführten Strafverfahren durch die unterlassene Beiziehung eines Sachverständigen für türkisches Strafrecht moniert und dazu auf das nach dem Vorbringen des Revisionswerbers durch Folter erzwungene Geständnis der Mitgliedschaft in der PKK verweist, entfernt sich das Zulässigkeitsvorbringen von der wenngleich disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen Feststellung, dass das Geständnis des Revisionswerbers, sich in Syrien und im Nordirak aufgehalten zu haben, um für die PKK am Krieg gegen den IS teilzunehmen und dazu an Waffen ausgebildet worden zu sein, nicht erzwungen wurde. Ebenso unzureichend ist der Hinweis, dass der Revisionswerber „durch einen vom Staat zur Verfügung gestellten Rechtsanwalt vertreten“ worden sei und dies „in der Türkei keine adäquate Vertretung“ darstelle, ohne konkret vorzubringen, dass der Revisionswerber aus asylrelevanten Gründen daran gehindert gewesen sei, sich durch einen frei gewählten Rechtsanwalt vertreten zu lassen.
18 Der erstinstanzlichen Verurteilung des Revisionswerbers wegen Mitgliedschaft in der PKK, einer bewaffneten Terrororganisation, liegt zugrunde, dass sich der Revisionswerber in Syrien und im Nordirak aufhielt, um für die PKK am Krieg gegen den IS teilzunehmen und dazu an Waffen ausgebildet wurde. Ebenso war die Sachbeschädigung, weswegen der Revisionswerber verurteilt wurde, zwar Ausdruck einer politischen Überzeugung des Revisionswerbers. Kern seiner strafrechtlichen Verurteilungen war jedoch einerseits eine von ihm begangene Sachbeschädigung und andererseits die Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation. Eine unverhältnismäßig hohe erstinstanzliche Bestrafung des Revisionswerbers in Bezug auf diese beiden Straftatbestände zeigt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf. Schließlich wurde die erstinstanzliche Verurteilung des Revisionswerbers wegen Sachbeschädigung infolge seiner Berufung sogar aufgehoben.
19 Ausgehend von diesen dem Revisionswerber zur Last gelegten Straftatbeständen legt die Revision keine Asyl rechtfertigende Verfolgung aus einem der Gründe des Art. I Abschnitt A Z 2 GFK bzw. kein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Abgrenzung von legitimer Strafverfolgung einerseits und asylrechtsrelevanter Verfolgung andererseits in Bezug auf die wegen dieser Straftatbestände noch offenen Strafverfahren dar.
20 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit überdies vor, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit den Bedingungen in türkischen Haftanstalten und der Gefahr „einer massiven, rein politisch bzw. ethnisch motivierten Diskriminierung“ des Revisionswerbers als politischen Gefangenen, dem eine Verbindung zur PKK und damit zu Terrorismus unterstellt werde, im Vergleich zu anderen Häftlingen auseinandergesetzt.
21 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision nicht konkret auf, dass der Revisionswerber im Fall seiner Rückkehr in die Türkei und der Verbüßung einer Strafhaft wegen der ihm zur Last gelegten Straftaten der Gefahr einer „Verfolgung“ im Sinn des Art. I Abschnitt A Z 2 GFK ausgesetzt wäre (vgl. zum Verständnis einer „Verfolgung“ im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK als ungerechtfertigten Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, worunter nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person fällt, sondern nur eine solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führt, etwa VwGH 31.3.2023, Ra 2023/18/0024, Rn. 13, mwN).
22 Schließlich moniert die Revision einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot, weil es das Verwaltungsgericht unterlassen habe, den Revisionswerber mit der von der Argumentation des BFA abweichenden Auffassung zu konfrontieren, er sei nicht Mitglied der „YPG“, sondern in einem mängelfreien Verfahren berechtigterweise wegen der Mitgliedschaft in der PKK verurteilt worden. Diesbezüglich gelingt es ihr nicht, ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufzuzeigen. Nach der ständigen Rechtsprechung ist unter dem Überraschungsverbot das Verbot zu verstehen, dass das Verwaltungsgericht in seine rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren. Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgehalten, dass sich das zum Überraschungsverbot in Beziehung gesetzte Parteiengehör nur auf die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, nicht aber auf die von der Behörde vorzunehmende rechtliche Beurteilung erstreckt (vgl. etwa VwGH 19.6.2019, Ra 2019/02/0098, Rn. 16, mwN).
23 Vorliegend machte der Revisionswerber gegenüber dem BFA als Fluchtgrund unter anderem geltend, ihm sei von den türkischen Strafbehörden zu Unrecht die Mitgliedschaft in der PKK vorgeworfen worden. Er habe unter Druck ausgesagt, Mitglied der PKK zu sein, und habe dies später nicht mehr dementieren können, weswegen er zu einer mehrjährigen, nicht rechtskräftigen Haftstrafe verurteilt worden sei. Maßgeblicher festzustellender Sachverhalt war daher unter anderem, ob der Revisionswerber Mitglied in der PKK und deshalb zu Recht wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation verurteilt worden sei. Das Verwaltungsgericht hat somit keine Sachverhaltselemente in seine rechtliche Beurteilung einbezogen, die dem Revisionswerber nicht bekannt gewesen sind. Die Beweiswürdigung im Sinn des § 45 Abs. 2 AVG hingegen zählt nicht zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens. Es besteht keine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, dem Asylwerber im Weg eines Vorhalts beweiswürdigende Überlegungen zur Kenntnis zu bringen und ihm eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (vgl. VwGH 8.9.2023, Ra 2023/18/0299, Rn. 13, mwN). Letztlich gelingt es der Revision mit dem Hinweis im Zulässigkeitsvorbringen, der Revisionswerber hätte bei entsprechender Mitteilung noch rechtzeitig die fachkundige Überprüfung der Unterlagen aus dem türkischen Strafverfahren beantragen und damit darlegen können, dass er fälschlich und nur aus politischen Motiven verurteilt worden sei, nicht die Relevanz des wegen Verstoßes gegen das Überraschungsverbot geltend gemachten Verfahrensmangels aufzuzeigen.
24 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
25 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall VwGG abgesehen werden.
Wien, am 28. Mai 2024
Rückverweise