Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des M V, vertreten durch Mag. Nicole Feucht, Rechtsanwältin in 2020 Hollabrunn, Rapfstraße 41A, diese vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7 11/15, gegen das am 26. November 2021 mündlich verkündete und mit 31. März 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, I401 2171448 1/58E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Nigeria, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 18. Februar 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 In der Folge wurde der Revisionswerber mehrfach straffällig.
3 Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 7. Juli 2015 wurde der Revisionswerber wegen des Vergehens des gewerbsmäßig begangenen unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 Monaten verurteilt, wobei der unbedingte Strafteil fünf Monate betrug und eine Probezeit von drei Jahren festgesetzt wurde.
4 Am 23. Februar 2016 wurde der Revisionswerber vom Landesgericht für Strafsachen Wien erneut rechtskräftig wegen des Vergehens des gewerbsmäßig begangenen unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und die Probezeit des bedingt nachgesehenen Strafteils der Verurteilung vom 7. Juli 2015 auf fünf Jahre verlängert.
5 Mit Bescheid vom 8. September 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag vom 18. Februar 2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters erteilte es dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid erkannte es die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.), sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt V.), der Revisionswerber nach § 13 Abs. 2 AsylG 2005 ab dem 7. Juli 2015 sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verloren habe (Spruchpunkt VI.), und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).
6 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, der vom Bundesverwaltungsgericht zunächst mit Beschluss vom 3. September 2017 die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde (richtig: aufgrund der Beschwerde wurde mit Erkenntnis der behördliche Ausspruch über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung behoben).
7 Am 7. November 2017 wurde der Revisionswerber vom Landesgericht für Strafsachen Wien rechtskräftig wegen der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 und 84 Abs. 2 StGB, des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt und der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe vom 7. Juli 2015 widerrufen.
8 Mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 27. Jänner 2022 wurde der Revisionswerber wegen Taten, die ihm im Fall der Zurechnungsfähigkeit im Tatzeitpunkt als Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§15, 269 Abs. 1 zweiter Fall StGB und als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zuzurechnen gewesen wären, gemäß § 21 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
9 Mit mündlich verkündetem Beschluss vom 25. November 2021 (schriftlich ausgefertigt am 31. März 2022) stellte das Bundesverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wegen Zurückziehung der Beschwerde in diesem Punkt ein. Den Ausspruch über die Versagung der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten änderte das Bundesverwaltungsgericht mit dem am selben Tag mündlich verkündeten Erkenntnis dahingehend ab, dass diese auf § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 gestützt und dieser Ausspruch „mit der Feststellung verbunden“ wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung des Revisionswerbers nach Nigeria unzulässig sei [Spruchpunkt C) III.]. Im Übrigen wurde die Beschwerde gegen den Spruchpunkt III. erster und zweiter Satz, V., VI. und VII. als unbegründet abgewiesen [Spruchpunkt C) II.].
10 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aus, dem Revisionswerber drohe zwar, im Fall einer Rückkehr nach Nigeria in eine aussichtslose, die Existenz bedrohende Notlage zu geraten, weil von ihm aufgrund der Art und Schwere seiner psychischen Erkrankung eine Selbst und Fremdgefährdung ausgehe und er in Nigeria auch über kein (familiäres) Netzwerk verfüge. Der Revisionswerber stelle aber aktuell unter Hinweis auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. Jänner 2022, einer näher bezeichneten Stellungnahme der ärztlichen Leitung einer Justizanstalt vom 5. Oktober 2021 und eines psychiatrischen, neurologischen und kriminalprognostischen Fachgutachtens vom 1. November 2021 auch eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich dar. Es liege daher ein Ausschlussgrund im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 vor, der zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führe, wobei gleichzeitig die Unzulässigkeit der Abschiebung festzustellen sei. Im weiteren schloss das Bundesverwaltungsgericht eine nachhaltige Stabilisierung des psychischen Gesundheitszustandes des Revisionswerbers in Zukunft nicht aus.
11 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 29. November 2022, E 1143/2022 13, deren Behandlung ablehnte und sie über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers mit Beschluss vom 11. Jänner 2023, E 1143/2022 15, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
12 In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 In der gegen die Versagung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der darauf aufbauenden Spruchpunkte gerichteten Rechtsrüge stützt sich der Revisionswerber zur Zulässigkeit seiner Revision darauf, dass sich schon aus den von ihm näher ins Treffen geführten Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Gesundheitszustand des Revisionswerbers ergebe, dass im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verletzung seiner nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe und die angefochtene Entscheidung daher von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.
17 Der Revisionswerber übersieht mit diesem Vorbringen, dass sich das Bundesverwaltungsgericht umfassend mit dem Gesundheitszustand des Revisionswerbers auseinandergesetzt hat und explizit davon ausgegangen ist, dass im Fall der Rückführung des Revisionswerbers infolge dessen Krankheit die Sicherung der lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht gewährleistet und eine maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes anzunehmen sei, weshalb die Rückführung gegen Art. 3 EMRK verstoße.
18 Die Versagung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gründete das Verwaltungsgericht auf das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs 2 Z 2 AsylG 2005.
19 Für den Fall, dass ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 oder aus den Gründen des § 8 Abs. 3 AsylG 2005 (weil eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht) oder § 8 Abs. 6 AsylG 2005 (weil der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann) abzuweisen ist, ordnet § 8 Abs. 3a AsylG 2005 an, dass eine Abweisung auch dann zu erfolgen hat, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, weil dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt nach § 8 Abs. 3a letzter Satz AsylG 2005 sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
20 Gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen, wenn der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt. Ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 darstellt, erfordert eine Gefährdungsprognose, wie sie in ähnlicher Weise auch in anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt ist (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Z 3 und § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005; § 53 Abs. 2 und Abs. 3 FPG; § 66 Abs. 1 FPG; § 67 FPG). Dabei ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Einer Bejahung einer vom Fremden ausgehenden Gefährdung steht nicht entgegen, dass er sein Verhalten nicht schuldhaft zu vertreten hat (vgl. zum Ganzen VwGH 22.10.2020, Ro 2020/20/0001, mwN).
21 Das Bundesverwaltungsgericht führte eine fallbezogene Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 durch, in welche es neben den medizinischen Gutachten auch die Straftaten des Revisionswerbers, die er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad, beruhte, miteinbezog.
22 Zu diesen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts enthält die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung kein Vorbringen. Somit zeigt die Revision auch nicht auf, dass sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Beurteilung der Gefährlichkeit des Revisionswerbers von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien entfernt und damit in unvertretbarer Weise das Begehren auf subsidiären Schutz versagt hätte.
23 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 28. März 2023
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