Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Seiler, über die Revision des A A, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juli 2022, W293 2249151 1/9E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 15. Juli 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er unter anderem damit begründete, dass ihm im Fall der Rückkehr die Gefahr drohe, als Reservist zum Militärdienst herangezogen zu werden.
2 Mit Bescheid vom 5. November 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsgenehmigung.
3 Die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zusammenfassend vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, weil die rechtliche Beurteilung vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen nicht nachvollziehbar sei. Das BVwG habe festgestellt, dass syrische Männer nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes Reservisten blieben und bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden könnten. Da der Revisionswerber im Ausreisezeitpunkt 37 Jahre alt gewesen sei, drohe ihm somit die Gefahr, als Reservist einberufen zu werden. Überdies sei allein der Umstand, dass sich der Revisionswerber dauerhaft dem Militärdienst entzogen habe, ausreichend, um ihm eine oppositionelle Gesinnung zu unterstellen.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründungspflicht der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte gemäß § 29 VwGVG bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Begründung jenen Anforderungen entsprechen muss, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. VwGH 12.1.2022, Ra 2021/19/0350, mwN).
7 Das BVwG stellte soweit hier maßgeblich fest, der Revisionswerber sei 46 Jahre alt und habe seinen Wehrdienst als Wache bereits von 1995 bis 1998 abgeleistet. Im Übrigen traf es aktuelle Länderfeststellungen, wonach ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, Reservist bleibe und bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden könne. Es würden einzelne Berichte vorliegen, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht werde, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen habe.
Diese Feststellungen legte das BVwG seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde und führte aus, es könne keine Gefahr einer Einberufung als Reservist durch die syrische Armee für den 46 jährigen Revisionswerber, der den Wehrdienst bereits abgeleistet habe, erkannt werden, zumal dieser über keine besonderen Qualifikationen verfüge. Dem Revisionswerber sei es somit nicht gelungen, sein Fluchtvorbringen glaubhaft zu machen.
8 Sofern die Revision in diesem Zusammenhang vorbringt, das BVwG habe das Alter des Revisionswerbers im Zeitpunkt der Ausreise nicht berücksichtigt, ist darauf hinzuweisen, dass der Revisionswerber im Entscheidungszeitpunkt des BVwG bereits 46 Jahre alt war und es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung ankommt. Es ist demnach für die Zuerkennung des Asylstatus zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person vor dem Hintergrund der zu treffenden aktuellen Länderfeststellungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 25.3.2021, Ra 2021/19/0057, mwN).
9 Das BVwG verkannte auch nicht, dass auch einer Wehrdienstverweigerung Asylrelevanz zukommen könne, wenn dem Betroffenen wegen seiner Wehrdienstverweigerung vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde. Allerdings kam das BVwG fallbezogen zum Ergebnis, es sei nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die syrische Regierung dem Revisionswerber eine oppositionelle Gesinnung unterstellen werde und ihm im Fall einer Rückkehr eine asylrelevante Verfolgung drohe, weil dem Revisionswerber keine Gefahr einer neuerlichen Einberufung durch das syrische Regime drohe.
10 Ausgehend davon ist nicht ersichtlich, dass das BVwG gegen die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes festgelegten Leitlinien zur Begründungspflicht verstoßen hätte. Dass der Revisionswerber besondere Qualifikationen (im oben beschriebenen Sinn) aufweisen würde, wird von der Revision auch nicht behauptet.
11 Soweit die Revision lediglich pauschal vorbringt, dem Revisionswerber drohe auf Grund seiner unerlaubten Ausreise eine unverhältnismäßige Bestrafung, übersieht sie, dass das BVwG unter Heranziehung der Länderfeststellungen zu dem Ergebnis kam, eine illegale Ausreise aus Syrien habe nur früher eine Haftstrafe und/oder eine Geldbuße zur Folge gehabt und seien derartige Strafen mittlerweile aufgehoben worden. Dieser Feststellung tritt die Revision auch nicht entgegen.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 21. September 2022
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