Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofrätin Dr. Funk-Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Seiler, über die Revision des A A B, vertreten durch Mag. Dr. Dirk Just, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 54, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2022, W293 2249212 1/8E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 1. September 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, Syrien aufgrund des Krieges verlassen zu haben und dass ihm im Fall der Rückkehr die Gefahr drohe, von der syrischen Armee als Reservist zum Militärdienst herangezogen zu werden. Außerdem werde seine Herkunftsregion von der PKK kontrolliert, welche alle Personen, die zuvor in der Türkei gewesen seien, als Terroristen betrachten würde.
1 Mit Bescheid vom 8. November 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung.
2 Die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zunächst vor, das BVwG habe sich nicht mit den Angaben des Revisionswerbers auseinandergesetzt. Dies betreffe insbesondere sein Vorbringen, er habe an Demonstrationen teilgenommen, werde als Reservist gesucht und die PKK sehe ihn als Feind an. Im Zusammenhang mit der behaupteten Verfolgung durch die PKK sei das BVwG überdies von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung der Anwendbarkeit des Neuerungsverbotes abgewichen.
7 Soweit sich die Revision damit gegen die Beweiswürdigung wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht im Einzelfall die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 27.5.2021, Ra 2021/19/0162, mwN).
8 Das BVwG setzte sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinander und gelangte zum Ergebnis, dass das Vorbringen betreffend eine drohende Einberufung zum Reservedienst nicht glaubwürdig sei, weil der Revisionswerber die gesetzlich festgelegte Altersgrenze für den Militärdienst überschritten, seinen Wehrdienst bereits abgeleistet habe und über keine besonderen Qualifikationen verfüge, die eine nochmalige Einziehung wahrscheinlich machen würden. Auch seine Angaben dazu, ob er einen Einberufungsbefehl erhalten habe, seien vage und widersprüchlich gewesen. Schließlich setzte sich das BVwG auch mit dem Vorbringen des Revisionswerbers in der niederschriftlichen Einvernahme, wonach die Herkunftsregion des Revisionswerbers von der PKK kontrolliert werde und deren Mitglieder sagen würden, dass alle Terroristen seien, die in die Türkei gehen und wieder zurückkommen, auseinander und kam zum Schluss, dass dieses Vorbringen mangels entsprechender Konkretisierung unglaubwürdig sei. Das bloß pauschale Revisionsvorbringen zeigt nicht auf, dass die Beweiswürdigung fallbezogen unvertretbar wäre.
9 Das BVwG hat sich auch mit dem erstmals in der mündlichen Verhandlung erstatteten Vorbringen des Revisionswerbers zu seiner Teilnahme an Demonstrationen im Jahr 2012 dahingehend näher befasst, als es diesem Vorbringen zum einen die Glaubwürdigkeit abgesprochen hat, indem es dieses als spätes, gesteigertes und nicht nachvollziehbares Vorbringen qualifizierte und insbesondere auch den Umstand des fehlenden zeitlichen Konnexes zu seiner Flucht hervorhob. Zum anderen hat es das Vorbringen alternativ wegen der angenommenen Missbrauchsabsicht als gegen das Neuerungsverbot verstoßend gewertet. Soweit das BVwG das in der mündlichen Verhandlung erhobene Vorbringen neben der Missbrauchsabsicht auch als unglaubwürdig beurteilt hat, gelingt es der Revision mit ihrem pauschalen Vorbringen, der Revisionswerber habe an Demonstrationen teilgenommen und eine Verfolgung durch das syrische Regime sei bislang nur deshalb unterblieben, weil sein Heimatdorf nicht mehr unter der Kontrolle der syrischen Regierung stehe, nicht aufzuzeigen, dass diese Erwägungen unvertretbar wären. Vor diesem Hintergrund kommt es auf das Zulässigkeitsvorbringen, insoweit es sich gegen die Annahme des Neuerungsverbotes wendet, nicht mehr an (zur Unzulässigkeit der Revision im Fall einer tragfähigen Alternativbegründung vgl. allgemein VwGH 13.12.2017, Ra 2017/19/0417, mwN).
10 Wenn die Revision im Zusammenhang mit dem Vorbringen zu einer Verfolgung durch die PKK behauptet, das BVwG habe gegen das „Überraschungsverbot“ verstoßen, macht sie einen Verfahrensfehler geltend. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel konkret darzulegen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0534, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision nicht gerecht.
11 Insofern die Revision einen Verstoß gegen die Manuduktionspflicht auch in Zusammenhang mit § 19 Abs. 4 AsylG 2005 moniert, übersieht sie, dass es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entspricht, dass sich die Manuduktionspflicht nach § 13a AVG auf Verfahrenshandlungen und deren Rechtsfolgen bezieht. Weder die belangte Behörde noch das BVwG waren deshalb verhalten, den Revisionswerber anzuleiten, wie er sein Vorbringen zu gestalten habe, um einen von ihm angestrebten Erfolg zu erreichen (vgl. VwGH 10.9.2018, Ra 2018/19/0336, mwN).
12 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit des Weiteren vor, das BVwG hätte Ermittlungen zum Vorbringen des Revisionswerbers anstellen müssen und wäre dazu verpflichtet gewesen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, um die Aussagen des Revisionswerbers zu verifizieren.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt es der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 13.1.2021, Ra 2020/19/0435, mwN). Im vorliegenden Fall wird vom Revisionswerber allerdings nicht dargetan, auf Grund welcher konkreten Umstände das BVwG gehalten gewesen wäre, von der Notwendigkeit weiterer amtswegiger Erhebungen auszugehen. Weiters entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Angaben eines Asylwerbers zu den Gründen seiner Flucht nicht in das Aufgabengebiet eines Sachverständigen fällt, sondern dem Kernbereich der richterlichen Beweiswürdigung zuzurechnen ist (vgl. VwGH 29.9.2020, Ra 2020/19/0187, mwN).
14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 14. November 2022
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