Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer, den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Dr. in Gröger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, in der Revisionssache des G A, vertreten durch die Jarolim Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/2. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juli 2022, W242 2253895 1/9E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der aus dem Jemen stammende Revisionswerber stellte am 22. August 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass in seinem Herkunftsland Krieg herrsche. Zudem habe ihn die Huthi Miliz zwangsrekrutieren wollen. Er sei von dieser entführt und gefoltert worden und erst nach der Zustimmung, sich ihnen anzuschließen, freigelassen worden.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies mit Bescheid vom 13. Jänner 2022 den Antrag auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
3 Die gegen den abweisenden Teil des Bescheides erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
4 Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, der Revisionswerber habe eine asylrelevante Bedrohung durch die Huthi Miliz aufgrund näher dargestellter Widersprüche und Steigerungen in seinem Vorbringen sowie vager Angaben nicht glaubhaft machen können. Soweit der Revisionswerber eine Narbe habe, könne nicht auf eine tatsächliche Folter, welche einen Kieferbruch verursacht habe, rückgeschlossen werden. Der Revisionswerber habe eine Bedrohung aufgrund politischer Aktivitäten erstmals in der Beschwerdeverhandlung vorgebracht, weshalb diese ebenfalls nicht glaubwürdig sei. Auch darüber hinaus ergebe sich aus den Angaben des Revisionswerbers keine Gefahr einer individuell gegen ihn gerichteten asylrelevanten Verfolgung.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorbringt, weil sich das BVwG nicht mit den einschlägigen Länderberichten auseinandergesetzt habe, denen Zwangsrekrutierungen durch die Huthi Miliz zu entnehmen seien. Zudem habe es das BVwG unterlassen, medizinische Sachverständigengutachten zum Kieferbruch des Revisionswerbers und zu seinem psychischen Gesundheitszustand einzuholen, wodurch sich die Traumatisierung des Revisionswerbers durch Folter ergeben hätte. Darüber hinaus mangle es an Feststellungen, aufgrund welchen Verhaltens - etwa einer Weigerung, sich von der Huthi Miliz rekrutieren zu lassen - und unter welchen Umständen dem Revisionswerber eine Inhaftierung drohe, um eine asylrelevante Verfolgung beurteilen zu können. Das BVwG hätte ferner festzustellen gehabt, dass es sich beim Revisionswerber um eine vulnerable und besonders schutzwürdige Person handle. Letztlich habe das BVwG eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen, tatsächlich liege im Fall des Revisionswerbers wegen der drohenden Zwangsrekrutierung und Inhaftierung im Falle einer Weigerung, sich rekrutieren zu lassen, eine asylrelevante Verfolgung vor.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Soweit in der Revision zunächst eine mangelnde Auseinandersetzung des BVwG mit den Länderberichten bei der Beurteilung, ob dem Revisionswerber eine Zwangsrekrutierung durch die Huthi Miliz drohe, geltend gemacht wird, richtet sie sich erkennbar gegen die Beweiswürdigung.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 18.7.2022, Ra 2022/18/0069, mwN).
12 Das BVwG führte in seiner Beweiswürdigung aus, das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers sei aufgrund näher bezeichneter Widersprüche und einem gesteigerten Vorbringen als nicht glaubhaft zu beurteilen. So habe er die näheren Umstände seiner Entführung im Verfahren und in den vorgelegten Unterlagen unterschiedlich angegeben und zunächst keine Folter vorgebracht, im Weiteren die Entführung und die Misshandlungen gegen ihn mit seiner Weigerung, sich rekrutieren zu lassen, begründet und schließlich mit Demonstrationsteilnahmen in den Jahren 2011 bis 2012 und der Tätigkeit seines Vaters als Polizist. Das BVwG hielt fest, dass der Revisionswerber sein Vorbringen somit stetig gesteigert habe, was gegen dessen Glaubwürdigkeit spreche. Auch aus den in der Verhandlung vorgelegten Facebook-Beiträgen in Zusammenschau mit den Angaben des Revisionswerbers in der Verhandlung könne auf keine relevante politische Aktivität geschlossen werden. Die Revision tritt diesen beweiswürdigenden Argumenten des BVwG nicht entgegen und vermag daher schon deshalb keine Unvertretbarkeit der Beurteilung durch das BVwG aufzuzeigen.
Soweit die Revision Länderfeststellungen zur Lage im Jemen ins Treffen führt, nach denen Huthi Rebellen auch Zwangsrekrutierungen vornehmen und ihnen Folter und Misshandlung zur Last zu legen seien, vermag die Revision nicht hinreichend aufzuzeigen, dass diese Vorgänge den Revisionswerber auch unter Bedachtnahme auf sein nicht glaubhaftes Vorbringen zu angeblichen Geschehnissen in der Vergangenheit bei Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit und in asylrelevanter Weise betreffen könnten. Der instabilen Sicherheitslage im Jemen wurde im Übrigen durch die Gewährung von subsidiärem Schutz ohnedies Rechnung getragen.
13 Die Revision rügt darüber hinaus, das BVwG habe es unterlassen, ein medizinisches Sachverständigengutachten zum Kieferbruch des Revisionswerbers sowie zu seinem psychischen Gesundheitszustand und seiner Vulnerabilität einzuholen. Ein diesbezüglicher Beweisantrag wurde im Asylverfahren jedoch nicht gestellt, weshalb fallbezogen nur die Verletzung amtswegiger Ermittlungspflichten im Sinne des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 („Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen“) in Betracht käme.
14 Die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein „ausreichend ermittelter Sachverhalt“ vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, begründet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern stellt eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar (vgl. VwGH 29.8.2022, Ra 2022/18/0152, mwN).
15 Das BVwG führte hinsichtlich des Vorbringens des Revisionswerbers, wonach er einen Kieferbruch durch Folter erlitten habe neben den schon darlegten Gründen für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens aus, dass auch aus der vorhandenen Narbe des Revisionswerbers kein Rückschluss auf einen Kieferbruch möglich sei und er zudem keine Befunde zu der von ihm in diesem Zusammenhang behaupteten Operation vorgelegt habe, weshalb nicht auf das tatsächliche Vorliegen einer Folterverletzung geschlossen werden könne. Zudem berücksichtigte das BVwG den im Verfahren vorgelegten ärztlichen Befund, wonach keine Hinweise auf einen Bruch des Kiefers bzw. einen chirurgischen Eingriff im Kieferbereich vorliegen würden. Zum vorgelegten Befundbericht, in dem aus ärztlicher Sicht zur Abklärung einer möglichen Traumatisierung ein ergänzendes psychologisches Gutachten empfohlen wurde, hielt das BVwG fest, dass der Revisionswerber in der Untersuchung von seinem Vorbringen im Verfahren abweichende Angaben gemacht habe. Ausgehend davon gelingt es der Revision nicht aufzuzeigen, dass dem BVwG bei der Beurteilung der Notwendigkeit von medizinischen Sachverständigengutachten ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen wäre und dem BVwG unter Berücksichtigung der ihm vorliegenden Beweisergebnisse weitere amtswegige Ermittlungen erforderlich erscheinen mussten.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 31. Oktober 2022
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