Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk-Leisch sowie den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Dr. J M in K, vertreten durch Dr. Anke Reisch, Rechtsanwältin in 2500 Baden, Schinzlgasse 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. November 2022, W208 2253900 1/2E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsidentin des Landesgerichtes St. Pölten), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber brachte am 24. Oktober 2017 im Grundverfahren beim Landesgericht P als Arbeits- und Sozialgericht eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung und auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis zwischen den Parteien aufrecht sei, gegen seinen (ehemaligen) Dienstgeber ein.
2 Mit Schriftsatz vom 27. November 2017 dehnte der Revisionswerber das Klagebegehren folgendermaßen aus:
„[...] Zusammenfassend besteht zwischen der Beklagten und mir das aufrechte Dienstverhältnis über meine Anstellung als [...]. Die im Schreiben der Beklagten vom 05. Oktober 2017 getroffene Feststellung, dass das Dienstverhältnis beendet sei, weil ich vom Dienst ferngeblieben sei, hat keine Berechtigung. [...] Dementsprechend schuldet mir die Beklagte das vertragsmäßige Gehalt. Mittlerweile ist das Gehalt für Oktober 2017 fällig. Nachdem die Klage auf Leistung möglich geworden ist, dehne ich aus prozessualer Vorsicht die Klage aus um das Eventualbegehren auf Zahlung des Gehalts für Oktober 2017 von rund EURO 6.264,00 brutto [...]. Das eventualiter erhobene Urteilsbegehren lautet sohin:
die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EURO 6.264,00 brutto samt 9 % Zinsen über dem Basissatz ab 30. Oktober 2017 binnen 14 Tagen zu bezahlen. [...]“
3 Das Landesgericht P wies die Klage des Revisionswerbers mit Urteil vom 13. März 2018 ab.
4 Gegen dieses Urteil brachte der Revisionswerber am 3. Juli 2018 Berufung ein und bewertete das Berufungsbegehren mit 263.124,72 €. Für die Berufung entrichtete der Revisionswerber im Wege des Gebühreneinzuges die Pauschalgebühr iHv 8.587 €.
5 Das Oberlandesgericht W gab der Berufung mit Urteil vom 29. Jänner 2019 nicht Folge.
6 Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts W brachte der Revisionswerber am 6. März 2019 außerordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof ein und bewertete das Revisionsbegehren mit 263.124,72 €. Für die Revision an den Obersten Gerichtshof entrichtete der Revisionswerber im Wege des Gebühreneinzuges die Pauschalgebühr iHv 11.452 €.
7 Mit (nach Erhebung einer Vorstellung gegen den zuvor ergangenen Mandatsbescheid erlassenen) Bescheid vom 27. Jänner 2022 schrieb die Präsidentin des Landesgerichtes P dem Revisionswerber folgende Gebühren zu Zahlung vor:
„Pauschalgebühren TP 1
iVm §§ 14, 15, 16, 18 Abs. 2 Z 2 GGG
(Klagsausdehnung) - Wert Euro 877.710,-- 14.021,00 EUR
Pauschalgebühren TP 2 iVm §§ 14, 15, 16 GGG
Wert Euro 877.710,-- 12.239,00 EUR
Pauschalgebühren TP 3 iVm §§ 14, 15, 16 GGG
Wert Euro 877.710,-- 16.317,00 EUR
Einhebungsgebühr § 6a Abs.1 GEG 8,00 EUR
Offener Gesamtbetrag 42.585,00 EUR“
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen den Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab (Spruchpunkt A) I.) und den in der Beschwerde gestellten Antrag auf Kostenersatz zurück (Spruchpunkt A) II.). Das Bundesverwaltungsgericht erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
9 Das Bundesverwaltungsgericht stellte über den wiedergegebenen Verfahrensgang hinaus fest, der Revisionswerber habe mit Schriftsatz vom 27. November 2017 seine Feststellungsklage auf Zahlung seines Monatsgehaltes iHv 6.264 € auf unbestimmte Zeit ausgedehnt, weil er davon ausgegangen sei, dass das Dienstverhältnis mit der beklagten Partei nach wie vor aufrecht bzw. zu Unrecht aufgelöst worden sei.
10 Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht soweit hier relevant aus, die Feststellung, dass die Klage auf Weiterzahlung des Gehaltes iHv 6.264 € auf unbestimmte Zeit gerichtet gewesen sei und sich nicht bloß, wie die der Revisionswerber vermeine, auf das Oktobergehalt beschränkt habe, ergebe sich einerseits aus der Formulierung des Urteilsbegehrens „[...] EURO 6.264 brutto samt 9 % Zinsen über dem Basissatz ab 30. Oktober 2017 [...]“ und andererseits daraus, dass der Revisionswerber nach wie vor von einem aufrechten Dienstverhältnis ausgehe. Eine Einschränkung auf Bezahlung des Gehalts nur für den Monat Oktober 2017 sei dem Urteilsbegehren gerade nicht zu entnehmen.
11 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit hier relevant - aus, die Zahlungspflicht hinsichtlich der Pauschalgebühren nach TP 1 bis TP 3 entstehe gemäß § 2 Z 1 Gerichtsgebührengesetz (GGG) mit dem Zeitpunkt der Erweiterung des Klagebegehrens bzw. mit der Überreichung der Rechtsmittelschriften.
12 Mit Schriftsatz vom 27. November 2017 sei eine Klagsausdehnung erfolgt, die die ursprünglich unter die Gebührenbefreiung der Anm. 8 der TP 1 GGG fallende Feststellungsklage kostenpflichtig mache. Die Feststellungsklage sei mit einer Bemessungsgrundlage von 750 € zu bewerten gewesen. Die Bemessungsgrundlage für das Leistungsbegehren berechne sich nach § 18 Abs. 2 Z 2 GGG iVm § 58 Abs. 1 JN, bei zeitlich unbestimmter Dauer nach dem Zehnfachen der Jahresleistung. Da der Revisionswerber einen Monatsbezug iHv 6.264 € ab dem 30. Oktober 2017 gefordert und diese Forderung zeitlich nicht eingeschränkt habe, sei die im Bescheid angeführte Berechnung der Bemessungsgrundlage korrekt und betrage 877.710 €. Der Revisionswerber habe verkannt, dass für die Beurteilung des Inhaltes eines Klagebegehrens der Wortlaut des Schriftsatzes bei objektiver Betrachtungsweise maßgebend sei; es komme auf subjektive Momente, wie der Kläger sein Klagebegehren verstanden wissen wollte, nicht an (VwGH 29.4.2014, 2012/16/0199). Das Gerichtsgebührengesetz knüpfe bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Hier ergebe sich dieser äußere Tatbestand aus dem Urteilsbegehren, aus dem keine Einschränkung nur auf das Oktobergehalt erkennbar sei.
13 Ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 877.710 € betrage die Gerichtsgebühr für die erste Instanz 1,2 % des Streitwertes (=10.532,52 €) plus 3.488 €. Dies ergebe gerundet 14.021 €, die vom Revisionswerber zu entrichten seien, da die Gebührenbefreiung aufgrund des 2.500 € übersteigenden Streitwertes nicht mehr greife.
14 Für die zweite Instanz seien 1,8 % des Streitwertes (= 15.798,78 €) plus 5.022 € zu veranschlagen. Dies ergebe gerundet 20.826 € an geschuldeten Gebühren, wovon der Revisionswerber bereits 8.587 € beglichen habe, was einen Restbetrag von gerundet 12.239 € ergebe.
15 Für die dritte Instanz seien 2,4 % des Streitwertes (= 21.065,04 €) plus 6.703 € zu veranschlagen. Dies ergebe gerundet 27.769 € an geschuldeten Gebühren, wovon der Revisionswerber bereits 11.452 € beglichen habe, was einen Restbetrag von gerundet 16.317 € ergebe.
16 Die vorgeschriebenen Gebühren würden daher den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Der Revisionswerber habe keinen Rückzahlungsanspruch und müsse vielmehr den noch geschuldeten Restbetrag iHv 42.585 € (die oben genannten Summen der jeweiligen TP plus 8 € Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz [GEG]) begleichen. Die Beschwerde sei daher abzuweisen.
17 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein. Die Präsidentin des Landesgerichtes P erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, der Revision nicht Folge zu geben, sowie ihr den Ersatz des Schriftsatzaufwandes zuzuerkennen.
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
19 Der Revisionswerber bringt zur Begründung der Zulässigkeit der Revision vor, in der Klageerweiterung sei ein Begehren über das Oktobergehalt hinaus nicht erkennbar, weil es auf Zahlung des Gehaltes für Oktober 2017 und nicht ab Oktober 2017 gelautet habe. Hinzu komme die Begründung für die Ausdehnung, die sich auf das bereits fällig gewordene Gehalt für Oktober 2017 bezogen habe, nicht auf sonstiges künftiges Gehalt. Verdeutlicht werde das durch das Zinsbegehren. Das Bundesverwaltungsgericht habe eine Fehlbeurteilung vorgenommen, weshalb die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision im Sinne näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegen würden.
20 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.
21 Der Anspruch des Bundes auf die Gebühr wird gemäß § 2 Z 1 lit. b Gerichtsgebührengesetz (GGG), BGBl. Nr. 501/1984, hinsichtlich der Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren, wenn das Klagebegehren erweitert wird, mit dem Zeitpunkt der Überreichung des Schriftsatzes begründet.
22 Gemäß § 14 GGG ist Bemessungsgrundlage, soweit nicht im Folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN.
23 Wird nur ein Teil einer Kapitalsforderung begehrt, so ist gemäß § 15 Abs. 3 GGG nur der eingeklagte Teil der Gebührenermittlung zugrunde zu legen.
24 Gemäß § 16 Z 1 lit. a) GGG, BGBl. Nr. 501/1984 idF des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010 , beträgt die Bemessungsgrundlage bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten 750 €, soweit nicht ein Geldbetrag - sei es in einem Leistungs- oder in einem sonstigen Begehren, etwa einem Feststellungs- oder Unterlassungsbegehren - Gegenstand der Klage ist.
25 Gemäß § 18 Abs. 1 und 2 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Wenn jedoch der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert wird oder Gegenstand des Vergleiches eine Leistung ist, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr gemäß § 18 Abs. 2 Z 2 GGG unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.
26 Gemäß § 58 Abs. 1 Jurisdiktionsnorm (JN) ist als Wert des Rechtes auf den Bezug von Zinsen, Renten, Früchten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen bei immerwährender Dauer das Zwanzigfache, bei unbestimmter oder auf Lebenszeit beschränkter Dauer das Zehnfache, sofern es sich um Ansprüche auf Unterhalts- oder Versorgungsbeträge und auf Zahlung von Renten wegen Körperbeschädigung oder Tötung eines Menschen handelt, das Dreifache der Jahresleistung, bei bestimmter Dauer aber der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge, jedoch in keinem Fall mehr als das Zwanzigfache der Jahresleistung anzunehmen.
27 Ein in einem Geldbetrag bestehender Streitgegenstand liegt - wie sich aus § 56 Abs. 1 JN ergibt - immer dann vor, wenn im Klagebegehren selbst die begehrte Leistung mit einer Geldsumme ausgedrückt wird, also auch bei einem Eventualbegehren oder einem Alternativbegehren, falls zumindest eines dieser Begehren auf eine Geldsumme lautet (vgl. VwGH 25.3.2004, 2003/16/0485; vgl. auch VwGH 16.10.2014, 2011/16/0219, mit Verweis auf VwGH 18.9.2007, 2007/16/0033, mwN).
28 Da für die Berechnung der Pauschalgebühr auch der in einem Eventualbegehren angegebene Geldbetrag entscheidend ist, ist im Fall der Änderung des Wertes des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung in Gestalt eines Eventualbegehrens die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu bemessen (vgl. erneut VwGH 25.3.2004, 2003/16/0485).
29 Da für die Beurteilung des Inhaltes eines Klagebegehrens der Wortlaut des Schriftsatzes bei objektiver Betrachtungsweise maßgebend ist, kommt es auf subjektive Momente nicht an (vgl. VwGH 29.4.2014, 2012/16/0199).
30 Entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ließ das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Beurteilung der Höhe des Streitwertes aufgrund der Erweiterung des Klagebegehrens laut Schriftsatz vom 27. November 2017 gemäß § 18 Abs. 2 Z 2 GGG den - nach der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes maßgeblichen - Wortlaut des das Klagebegehren erweiternden Schriftsatzes außer Acht. Aus der darin gewählte Formulierung („dehne ich aus prozessualer Vorsicht die Klage aus um das Eventualbegehren auf Zahlung des Gehalts für Oktober 2017 von rund EURO 6.264,00 brutto“) ergibt sich, dass der Revisionswerber ausschließlich das im Zeitpunkt der Klageerweiterung fällig gewordene Gehalt „ für Oktober 2017“ geltend machen wollte. Die in dem Urteilsbegehren des Schriftsatzes vom 27. November 2017 enthaltene Formulierung „samt 9% Zinsen über dem Basiszinssatz ab Oktober 2017“ bezieht sich nur auf den Beginn des Zinsenlaufes, ohne auf eine monatliche wiederkehrende Leistung des Kapitalbetrages abzuzielen.
31 Angesichts des eindeutigen Wortlautes des Schriftsatzes vom 27. November 2017 bildete nach der Erweiterung des Klagebegehrens auch der Geldbetrag von 6.264 € den Gegenstand der Klage. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 2 GGG war dieser Geldbetrag als Bemessungsgrundlage für die gemäß § 2 Z 1 lit. b GGG mit der Überreichung des Schriftsatzes entstandene Pauschalgebühr unter Einrechnung der bereits entrichteten Pauschalgebühr heranzuziehen.
32 Damit erweist sich die darauf aufbauende Zugrundelegung des Zehnfachen der Jahresleistung nach § 58 Abs. 1 JN iVm § 18 Abs. 2 Z 2 GGG als Bemessungsgrundlage für die vom Revisionswerber für die Einbringung einer Berufung nach TP 2 und einer Revision nach TP 3 GGG ebenfalls als rechtswidrig.
33 Das angefochtene Erkenntnis war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 GGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
34 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung.
Wien, am 10. April 2024
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