Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. I. Zehetner als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, in der Revisionssache der N P, vertreten durch Mag. Eva Velibeyoglu, Rechtsanwältin in 1100 Wien, Columbusgasse 65/22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. März 2022, W241 2227150 2/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Zur Vorgeschichte wird auf VwGH 28.5.2020, Ra 2020/18/0076, verwiesen.
2 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Beschwerdeverfahren den Antrag der aus Georgien stammenden Revisionswerberin auf Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Georgien ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Georgien zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
3 Das BVwG stellte unter anderem Folgendes fest:
„[...] Bei der BF wurde Brustkrebs diagnostiziert, der in Österreich operativ und mittels Bestrahlung behandelt wurde. Die Bestrahlung wurde im April 2020 abgeschlossen. Derzeit besteht keine Tumorsymptomatik. Die BF erhält der Zeit folgende medikamentöse Behandlung:
- Aromasin (Aromatasehemmer zur Reduzierung des Östrogenspiegels, täglich)
- Zoladex (verhindert die Bildung des weibliche Sexualhormons Östradiol, alle vier Wochen als Spritze)
- Zometa (hemmt den Abbau von Knochengewebe, alle sechs Monate als Infusion)
Hinweise auf eine notwendige stationäre Behandlung liegen nicht vor. Eine ambulante Kontrolle erfolgt alle sechs Monate. Die medikamentöse Behandlung und die halbjährlichen Kontrollen sind bis 2025 vorgesehen, danach erfolgt eine jährliche Kontrolle.
[...] Die Wirkstoffe der Medikamente sind in Georgien verfügbar. Auch relevante Behandlungen, wie die stationäre und ambulante Behandlung und Nachsorge durch einen Onkologen und durch einen Facharzt für Innere Medizin (Internist) sind verfügbar. Ebenso verfügbar sind bildgebende Diagnostik mittels Mammographie und mittels MRT.
Alle Behandlungen (Konsultationen, medizinische Bildgebung, Laboranalysen, Verfahren usw.) und Medikamente werden von der öffentlichen Krankenversicherung für georgische Bürger je nach Einkommen teilweise übernommen:
[...]
Die Kosten der Wirkstoffe betragen:
- Exemestan (Aromasin): 50 GEL (ca. 14 €) für 30 Tabletten
- Zoladex: 182 GEL (Ca. 50 €) pro Injektion
- Zoldedronsäure (Zometa): 550 GEL (ca. 150 €) pro Infusion
Die monatlichen Kosten für die Medikation der BF würden daher umgerechnet ca. 89 € betragen, wobei die staatliche Krankenversicherung 80%, also ca. 71 €, übernimmt. Die BF müsste daher Kosten von ca. 18 € im Monat selbst tragen. Hinzu kommen die Kosten für die fachärztliche Kontrolle alle sechs Monate, wobei die staatliche Krankenversicherung auch hier 80% der Kosten trägt. [...]“
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wendet sich die Revision unter mehreren Aspekten gegen die Nicht-Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten, der der Revisionswerberin aufgrund der mangelnden Behandlungsmöglichkeiten ihrer Krebserkrankung in Georgien hätte zuerkannt werden müssen.
9 Soweit es Erkrankungen betrifft, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt.
10 Zum Erkrankungen betreffenden Aspekt hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Urteil (der Großen Kammer) vom 7. Dezember 2021, Savran/Dänemark, 57467/15 (auszugsweise in deutscher Sprache wiedergegeben in NLMR 6/2021, 508 ff), neuerlich (unter Hinweis auf EGMR [Große Kammer] 13.12.2016, Paposhvili/Belgien, 41738/10) betont, dass es Sache des Fremden ist, Beweise vorzulegen, die zeigen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, er werde im Fall der Durchführung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme einem realen Risiko einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung ausgesetzt sein. Erst wenn solche Beweise erbracht werden, ist es Sache der Behörden des ausweisenden Staats, im Zuge der innerstaatlichen Verfahren jeden dadurch aufgeworfenen Zweifel zu zerstreuen und die behauptete Gefahr einer genauen Prüfung zu unterziehen, im Zuge derer die Behörden im ausweisenden Staat die vorhersehbaren Konsequenzen der Ausweisung auf die betroffene Person im Empfangsstaat im Lichte der dort herrschenden allgemeinen Lage und der persönlichen Umstände des Betroffenen erwägen müssen (Rn. 130). Die Verpflichtungen des ausweisenden Staats zur näheren Prüfung werden somit erst dann ausgelöst, wenn die oben genannte (hohe) Schwelle überwunden wurde und infolge dessen der Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK eröffnet ist (Rn. 135; vom EGMR in der Rn. 140 auch als „Schwellentest“ [„threshold test“] bezeichnet, der bestanden werden muss, damit die weiteren Fragen, wie etwa nach der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit einer angemessenen Behandlung, Relevanz erlangen; vgl. zum Ganzen etwa VwGH 14.8.2023, Ra 2023/14/0005, mwN).
11 Die Revision zeigt jedoch mit ihren Ausführungen die zudem nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehen keine unvertretbare Beurteilung des BVwG hinsichtlich der Nicht Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten oder eine mangelhafte Beweiswürdigung des BVwG in diesem Zusammenhang auf.
12 Insoweit die Revision in der Zulässigkeitsbegründung weiters die Verletzung der Verhandlungspflicht geltend macht, legt sie mit ihrem pauschalen Vorbringen nicht dar, weshalb fallbezogen die Voraussetzungen für die Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung nicht gegeben gewesen wären (vgl. zu diesen Voraussetzungen VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 bis 0018; aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 20.2.2024, Ra 2023/14/0194 bis 0195, Rn. 10, mwN). Darüber hinaus vermag dieses Vorbringen schon deswegen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, weil darauf in den Revisionsgründen nicht mehr zurückgekommen wird (vgl. VwGH 6.4.2023, Ra 2023/14/0064 bis 0065, mwN).
13 Soweit die Revision zudem die Heranziehung veralteter Länderberichte hinsichtlich Georgiens als vom Krieg Russlands mit der Ukraine betroffenes Nachbarland moniert, zeigt sie die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensfehlers nicht auf (zur nötigen Relevanzdarstellung von Verfahrensfehlern vgl. etwa VwGH 12.3.2024, Ra 2023/14/0483 bis 0484, Rn. 13, mwN).
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 3. Juni 2024