Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel, Hofrätin Mag. I. Zehetner und Hofrätin Dr. Holzinger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des A S in Z, vertreten durch Dr. Herbert Marschitz, Dr. Georg Petzer und Dr. Clemens Telser, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Unterer Stadtplatz 24, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2022, W246 2248970 1/23E, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer dienstrechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Bundesverwaltungsgerichtes), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber steht als Beamter des Bundesverwaltungsgerichts in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist Referent in der Außenstelle Innsbruck des Bundesverwaltungsgerichts.
2 Der Revisionswerber erhob eine Maßnahmenbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht betreffend eine durch den Kammervorsitzenden und dessen Stellvertreter am 28. Juli 2020 durchgeführte Nachschau in seinem Büro. Er machte die Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK, einen unzulässigen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit gemäß Art. 87 Abs. 1 B VG, einen Verstoß gegen das Mobbingverbot gemäß § 57a Richter und Staatsanwaltsschaftsdienstgesetz (RStDG), einen Verstoß gegen das Verbot von Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren, gemäß § 76i RStDG und eine Verletzung des Rechts auf Nichtsetzung der angefochtenen Maßnahme geltend.
3 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Maßnahmenbeschwerde des Revisionswerbers gemäß § 31 VwGVG als unzulässig zurück und verpflichtete den Revisionswerber zum Aufwandersatz. Es sprach aus, die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig. Es gelangte zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass die erfolgte Nachschau (Sichtung von Aktendeckeln von auf dem Schreibtisch und in einem geöffneten Kasten im Büro des Revisionswerbers vorgefundenen Akten sowie die Aufnahme der entsprechenden Aktenzahlen in eine handschriftliche Liste) keinen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt darstelle. Dies würde selbst dann gelten, wenn die Schiebetüren des Kastens geöffnet worden wären.
4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision. In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren erstattete die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
6 Nach § 34 Abs. 1 und 3 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, in jeder Lage des Verfahrens mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die vorliegende Revision erweist sich schon deshalb als unzulässig, weil in deren Zulässigkeitsbegründung ein Eingriff in subjektive Rechte des Revisionswerbers durch die erfolgte Nachschau nicht aufgezeigt wird.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar das heißt ohne vorangegangenen Bescheid in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen (vgl. etwa VwGH 13.6.2022, Ra 2022/01/0085; 4.5.2022, Ra 2022/09/0029, jeweils mwN).
10 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) hat der Angestellte auch bezüglich des Büros eine legitime Erwartung der Privatheit, zumindest betreffend den Schreibtisch und die Kästen, wenn darin persönliche Dinge aufbewahrt werden. Das gilt auch für öffentlich Bedienstete, und wenn deren Büros in öffentlichen Gebäuden untergebracht sind. Eine Durchsuchung von Schreibtisch und Kästen durch staatliche Organe greift daher in das Recht auf Privatleben ein (EGMR 26.7.2007, Peev/Bulgarien, 64.209/01, vgl. auch VfSlg. 8299/1978).
11 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird nicht einmal die Möglichkeit des Eingriffes in das Privatleben des Art. 8 Abs. 1 EMRK aufgezeigt, weil nicht behauptet wird, dass persönliche Dinge etwa private Unterlagen in irgendeiner Art und Weise von der erfolgten Nachschau hätten betroffen sein können.
12 Soweit ein rechtswidriger Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit gemäß Art. 87 Abs. 1 B VG geltend gemacht wird, bezieht sich die Zulässigkeitsbegründung der Revision auf die richterliche Unabhängigkeit eines namentlich genannten Richters des Bundesverwaltungsgerichts. Damit wird ein Eingriff in ein subjektives Recht des Revisionswerbers, der kein Richter ist, nicht geltend gemacht.
13 Ebenso wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision vorgebracht, bei der erfolgten Nachschau habe es sich um ein Mobbing des bereits genannten Richters gehandelt. Auch damit wird jedenfalls kein Eingriff in ein dem Revisionswerber zukommendes subjektives Recht dargelegt.
14 Soweit in der Maßnahmenbeschwerde ein Verstoß gegen das in § 76i RStDG normierte Verbot der Einführung und Verwendung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen, welche die Menschenwürde berühren, geltend gemacht wird, wird darauf in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht mehr zurückgekommen.
15 Wenn in der Maßnahmenbeschwerde ein Eingriff in das Recht auf Nichtsetzung der angefochtenen Maßnahmen geltend gemacht wurde, ergibt sich schon aus der eingangs wiedergegebenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt nur dann vorliegt, wenn in ein subjektives Recht des Betroffenen eingegriffen wird. Ein Recht auf Unterlassung einer bestimmten Maßnahme, die ohne Eingriff in ein subjektives Recht des Betroffenen erfolgte, besteht sohin nicht.
16 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
17 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
18 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 14. Dezember 2023
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