Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie Hofrätin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel, Hofrätin Mag. I. Zehetner und Hofrätin Dr. Holzinger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des Mag. Dr. F S in I, vertreten durch Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 27/DG, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juli 2022, W213 2248968 1/12E, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer dienstrechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Bundesverwaltungsgerichtes), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber ist Beamter und steht als Richter des Bundesverwaltungsgerichts in der Außenstelle Innsbruck in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
2 Er erhob eine Maßnahmenbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht betreffend eine durch den Kammervorsitzenden und dessen Stellvertreter am 28. Juli 2020 durchgeführte Nachschau im Büro des Referenten S. Er machte die Verletzung des Rechts auf Achtung seines Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK, einen unzulässigen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit gemäß Art. 87 Abs. 1 B VG, einen Verstoß gegen das Mobbingverbot gemäß § 57a Richter und Staatsanwaltsdienstgesetz (RStDG) und einen Verstoß gegen das Verbot von Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren, gemäß § 76i RStDG geltend.
3 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Maßnahmenbeschwerde des Revisionswerbers gemäß § 31 VwGVG als unzulässig zurück und verpflichtete den Revisionswerber zum Aufwandersatz. Es sprach aus, die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig. Es gelangte zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass die erfolgte Nachschau (am 28. Juli 2020 erfolgte Sichtung von Aktendeckeln von auf dem Schreibtisch und in einem Kasten im Büro des Referenten S vorgefundenen Akten sowie Aufnahme der entsprechenden Aktenzahlen in eine handschriftliche Liste) keinen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellte.
4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision.
5 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
6 Der Revisionswerber erstattete in der Folge eine Revisionsergänzung, in der er geltend machte, durch die Maßnahmen der Justizverwaltung in seinem Recht verletzt zu sein, als Hinweisgeber vor Vergeltungsmaßnahmen geschützt (Hinweis auf § 20 HinweisgeberInnenschutzgesetz) und nicht benachteiligt (Hinweis auf § 58b RStDG) zu werden.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
8 Nach § 34 Abs. 1 und 3 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, in jeder Lage des Verfahrens mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die vorliegende Revision erweist sich schon deshalb als unzulässig, weil in deren Zulässigkeitsbegründung ein Eingriff in subjektive Rechte des Revisionswerbers durch die erfolgte Nachschau nicht aufgezeigt wird.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar das heißt ohne vorangegangenen Bescheid in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen (vgl. etwa VwGH 13.6.2022, Ra 2022/01/0085; 4.5.2022, Ra 2022/09/0029, jeweils mwN).
12 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) hat der Angestellte auch bezüglich des Büros eine legitime Erwartung der Privatheit, zumindest betreffend den Schreibtisch und die Kästen, wenn darin persönliche Dinge aufbewahrt werden. Das gilt auch für öffentlich Bedienstete, und wenn deren Büros in öffentlichen Gebäuden untergebracht sind. Eine Durchsuchung von Schreibtisch und Kästen durch staatliche Organe greift daher in das Recht auf Privatleben ein (EGMR 26.7.2007, Peev/Bulgarien , 64209/01, vgl. auch VfSlg. 8299/1978).
13 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird nicht einmal die Möglichkeit des Eingriffes in das Privatleben des Revisionswerbers gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK aufgezeigt, weil nicht behauptet wird, dass persönliche Dinge etwa private Unterlagen in irgendeiner Art und Weise von der erfolgten Nachschau hätten betroffen sein können.
14 Zum behaupteten Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit wird in der Zulässigkeitsbegründung ausgeführt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob und inwieweit die politisch weisungsgebundene Justizverwaltung in Akten oder in sonstige dienstliche Unterlagen einer Gerichtsabteilung Einsicht nehmen dürfe und, bejahendenfalls, unter welchen Bedingungen eine solche Einsichtnahme unter Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit erfolgen könne. Außerdem sei insbesondere die Frage, ob dem unmittelbar fachvorgesetzten Richter Gelegenheit zu geben sei, persönliche Notizen zu einzelnen Beschwerdefällen oder Entscheidungsentwürfe aus den Akten zu nehmen, vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht geklärt worden.
15 Mit diesem Vorbringen wird nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgegangen, wonach in die von der Nachschau betroffenen Akten nicht eingesehen wurde. Weshalb bei Sichtung der Aktendeckel und handschriftlichem Notieren der Aktenzahlen im Zimmer des Referenten S in die richterliche Unabhängigkeit des Revisionswerbers hätte eingegriffen werden sollen, wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht dargetan.
16 Soweit in der Maßnahmenbeschwerde ein Verstoß gegen das in § 76i RStDG normierte Verbot der Einführung und Verwendung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen, welche die Menschenwürde berühren, geltend gemacht wurde, wird darauf in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht mehr zurückgekommen. Dasselbe gilt betreffend den geltend gemachten Verstoß gegen das Mobbingverbot gemäß § 57a RStDG.
17 Die nach Ablauf der Revisionsfrist eingebrachte Revisionsergänzung, in der unter Anführung von Gründen behauptet wird, der Revisionswerber sei im Recht verletzt, als Hinweisgeber vor Vergeltungsmaßnahmen geschützt (Hinweis auf § 20 HinweisgeberInnenschutzgesetz) und nicht benachteiligt (Hinweis auf § 58b RStDG) zu werden, ist verspätet und schon aus diesem Grund nicht zu beachten (vgl. VwGH 12.3.2020, Ra 2019/20/0035, mwN).
18 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
19 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
20 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 14. Dezember 2023