Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie Hofrätin Mag. a Nussbaumer Hinterauer und Hofrat Mag. Cede als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17 19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 2021, W217 2247819 1/3E, betreffend Verlust pensionsrechtlicher Ansprüche (mitbeteiligte Partei: K H in G, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Kärntner Straße 7B/2. OG), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB = revisionswerbende Partei) vom 27. September 2021 wurde festgestellt, dass der Anspruch der Mitbeteiligten auf Versorgungsgenuss nach § 21 Abs. 1 lit. c Pensionsgesetz 1965 (PG 1965) mit 30. März 2021 erloschen sei und die Mitbeteiligte gemäß § 39 Abs. 1 und 2 PG 1965 verpflichtet sei, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution dem Bund den Betrag von € 5.233,03 zu ersetzen.
2 Begründend führte die belangte Behörde aus, die Mitbeteiligte sei mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Leoben vom 26. März 2021 wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) und des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15 Abs. 1, 269 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden. Gemäß § 46 Abs. 2 (richtig wohl: 1) StGB sei sie nach Verbüßung von zwei Dritteln der über sie verhängten Freiheitsstrafe (unter Anrechnung der Vorhaft) mit dem Tag der Hauptverhandlung bedingt entlassen worden. Auf die verhängte Freiheitsstrafe sei gemäß § 38 Abs. 1 StGB die in Vorhaft verbrachte Zeit von 23. September 2020 bis 26. März 2021 angerechnet worden. Somit sei die Mitbeteiligte sechs Monate und zwei Tage in Haft gewesen. Gemäß § 21 Abs. 1 lit. c sublit. bb PG 1965 erlösche der Anspruch auf Versorgungsgenuss durch Verurteilung durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe, wenn die nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe sechs Monate übersteige. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Leoben sei daher der Anspruch auf Versorgungsgenuss erloschen und die zu Unrecht und nicht im guten Glauben empfangenen Leistungen seien zurückzuzahlen.
3 Der dagegen von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis statt und hob den Bescheid der revisionswerbenden Partei ersatzlos auf. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte es für nicht zulässig.
4 Gestützt auf den bereits von der belangten Behörde festgestellten und unbestritten gebliebenen Sachverhalt führte das Bundesverwaltungsgericht aus, aus der Anrechnung der Vorhaft folge nicht, dass die nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe sechs Monate übersteige. Aus dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Leoben ergebe sich klar und eindeutig, dass die Mitbeteiligte nach Verbüßung von zwei Dritteln der über sie verhängten Freiheitsstrafe entlassen worden sei. Dass der Termin der Hauptverhandlung so angeordnet worden sei, dass die Dauer der Vorhaft zwei Tage länger als die nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe betragen habe, sei für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 PG 1965 nicht maßgeblich. Vielmehr komme es wie sich aus dem klaren und schlüssigen Wortlaut des § 21 Abs. 1 lit. c sublit. bb PG 1965 ergebe - ausschließlich darauf an, ob die nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe sechs Monate übersteige und nicht auf die faktische Dauer der Haft. Da die Mitbeteiligte nach Verbüßung von zwei Dritteln der über sie verhängten Freiheitsstrafe von neun Monaten, sohin nach genau sechs Monaten, bedingt entlassen worden sei, sei sie ihres Anspruches auf Versorgungsgenuss nicht verlustig geworden.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision der BVAEB. Die Mitbeteiligte machte von der im Vorverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eingeräumten Möglichkeit zur Erstattung einer Revisionsbeantwortung keinen Gebrauch.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 und 3 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, in jeder Lage des Verfahrens mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 In der Zulässigkeitsbegründung führt die belangte Behörde aus, es liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weil das Bundesverwaltungsgericht § 21 Abs. 1 lit. c sublit. bb PG 1965 unvertretbar ausgelegt habe. Aus der genannten Bestimmung ergebe sich unmissverständlich, dass der Anspruch auf Versorgungsgenuss erlösche, wenn die nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe, also die in Haft verbrachte Zeit, sechs Monate übersteige. Dies sei hier der Fall, weil sich die Mitbeteiligte sechs Monate und zwei Tage in Haft befunden habe. Entgegen der Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts sei auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, somit im vorliegenden Fall auf die tatsächliche Dauer der erlittenen Haft. Bei richtiger Auslegung hätte das Bundesverwaltungsgericht daher zum Ergebnis gelangen müssen, dass der Anspruch der Mitbeteiligten auf Versorgungsgenuss erloschen sei.
10 § 21 Pensionsgesetz 1965 (PG 1965), BGBl. Nr. 340/1965, in der Fassung BGBl. I Nr. 80/2005, lautet auszugsweise:
„ Verlust des Anspruches auf Versorgungsgenuß, Abfindung des überlebenden Ehegatten bei Wiederverehelichung, Wiederaufleben des Versorgungsanspruches des überlebenden Ehegatten
§ 21. (1) Der Anspruch auf Versorgungsgenuß erlischt durch
a) ...
...
c) Verurteilung durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe, wenn
aa) die verhängte Freiheitsstrafe ein Jahr übersteigt oder
bb) die nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe sechs Monate übersteigt.
Der Anspruch auf Versorgungsgenuss erlischt nicht, wenn diese Rechtsfolge bedingt nachgesehen wird, es sei denn, dass die Nachsicht widerrufen wird.
...“
11 § 46 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, in der Fassung BGBl. I Nr. 154/2015, lautet:
„ Bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe
§ 46. (1) Hat ein Verurteilter die Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe oder des nicht bedingt nachgesehenen Teils einer solchen Strafe, mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist ihm der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird.“
12 Die Voraussetzungen für die Erhebung einer außerordentlichen Revision fehlen, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergangen wäre (vgl. etwa VwGH 13.9.2017, Ra 2017/12/0079, mwN).
13 Unstrittig ist im vorliegenden Fall, dass die Mitbeteiligte wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB und des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15 Abs. 1, 269 Abs. 1 StGB und somit wegen mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden ist, wobei sie gemäß § 46 Abs. 1 StGB nach Verbüßung von zwei Dritteln der über sie verhängten Freiheitsstrafe bedingt entlassen worden ist.
14 Aus dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 21 Abs. 1 lit. c sublit. bb PG 1965 ergibt sich, dass für das Erlöschen des Anspruches auf Versorgungsgenuss bei Vorliegen der weiteren, im vorliegenden Fall von der revisionswerbenden Partei nicht in Frage gestellten Voraussetzungen allein maßgeblich ist, dass die nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe sechs Monate übersteigt.
15 Die Mitbeteiligte wurde zu neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe, also sechs Monaten, bedingt entlassen. Der nicht bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe überstieg daher nicht sechs Monate. Daran ändert die Anrechnung einer Vorhaft gemäß § 38 Abs. 1 StGB auf die insgesamt verhängte Freiheitsstrafe nichts. Dagegen, dass es für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 lit. c sublit. bb PG 1965 auf die tatsächlich verbüßte Haftdauer ankäme, spricht der eindeutige Gesetzeswortlaut.
16 Die vorliegende Revision war daher nach § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG mit Beschluss zurückzuweisen.
17 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 28. September 2023
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