Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätin Mag. Hainz Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des W R in T, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 10. März 2022, Zl. LVwG 652236/2/FP, betreffend Einstellung des Beschwerdeverfahrens iA Aufforderung nach § 24 Abs. 4 FSG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid vom 20. August 2021 forderte die belangte Behörde den Revisionswerber gemäß § 24 Abs. 4 Führerscheingesetz (FSG) auf, sich innerhalb von zwei Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides einer amtsärztlichen Untersuchung zur Überprüfung der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu unterziehen. Unter einem ordnete die belangte Behörde die für die Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens erforderliche Haaranalyse an.
2 Begründend führte die belangte Behörde aus, dem Revisionswerber sei eine Lenkberechtigung bis 31. Jänner 2022 befristet und unter der Auflage von forensisch-toxikologischen Harnkontrollen alle sechs Monate erteilt worden. Da im Zuge einer Harnkontrolle eine auffällige Probenqualität festgestellt worden sei, sei von der Amtsärztin eine Haaranalyse gefordert worden.
3 Gegen diesen Bescheid (zur Gänze) erhob der Revisionswerber Beschwerde.
4 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 10. März 2022 erklärte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - das Beschwerdeverfahren als gegenstandslos, stellte es gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG ein und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
5 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die befristete Lenkberechtigung des Revisionswerbers mit 1. Februar 2022 abgelaufen sei. Der Revisionswerber habe „am 3. Jänner 2022“ (richtig: 23. Dezember 2021) einen „Antrag auf Erteilung (Verlängerung)“ gestellt und eine amtsärztliche Untersuchung absolviert.
6 Das mit der Beschwerde verfolgte Rechtsschutzziel des Revisionswerbers sei in der Aufhebung des Aufforderungsbescheides gelegen. Dessen Anordnung sei jedoch obsolet geworden, weil die Lenkberechtigung des Revisionswerbers mittlerweile infolge Fristablaufs erloschen sei und nicht entzogen werden könne (Hinweis auf VwGH 28.5.2002, 2001/11/0284). Daran ändere weder der Verlängerungsantrag, welcher ein Neuerteilungsverfahren zur Folge habe, noch die Bestätigung gemäß § 8 Abs. 5 FSG etwas, weil die Lenkberechtigung des Revisionswerbers, im Rahmen derer er gemäß § 24 Abs. 4 FSG aufgefordert worden sei, nicht mehr existiere.
7 Das Rechtsschutzziel, sich der amtsärztlichen Untersuchung nicht unterziehen und dem weiteren Spruch nicht Folge leisten zu müssen, könne infolge zeitlicher Überholung nicht mehr erreicht werden. Eine Entziehung der Lenkberechtigung wegen Nichtbefolgung der Anordnung sei jedoch ausgeschlossen.
8 Die bekämpfte Anordnung könne auf das neue Verfahren zur Erteilung einer Lenkberechtigung, in welchem vergleichbare Anordnungen mittels Verfahrensanordnung zu erfolgen hätten, nicht durchschlagen. Im Verfahren zur Neuerteilung habe der Revisionswerber ohnehin von sich aus ein amtsärztliches Gutachten und allenfalls notwendige Befunde beizubringen.
9 Der Revisionswerber könne daher keinen Nutzen aus einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts mehr ziehen, weswegen sein Rechtsschutzinteresse weggefallen und das Beschwerdeverfahren einzustellen gewesen sei.
10 Gegen diesen Beschluss erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 29. April 2022, E 1050/2022 5, ablehnte und die Beschwerde mit Beschluss vom 5. Mai 2022, E 1050/2022 7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
11 Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10. März 2022 richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, das Rechtsschutzinteresse des Revisionswerbers sei schon deswegen nicht weggefallen, weil zumindest die Anordnung zur Abgabe einer Haarprobe noch nicht erledigt gewesen sei und bei deren Nichtbefolgung gemäß § 8 Abs. 5 dritter Satz iVm. § 24 Abs. 4 FSG die „Dreimonatsbestätigung widerrufen“ werde. Sei die Lenkberechtigung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bereits erloschen, hätte das Verwaltungsgericht den Aufforderungsbescheid schon deswegen aufheben müssen, weil dieser eine aufrechte Lenkberechtigung voraussetze. Das Verwaltungsgericht hätte auch eine mündliche Verhandlung durchführen müssen, weil es im Vergleich zum Bescheid der belangten Behörde die zusätzliche Feststellung getroffen habe, dass die Lenkberechtigung erloschen sei und der Revisionswerber sich im Führerscheinerteilungsverfahren einer amtsärztlichen Untersuchung unterzogen habe. Das Verwaltungsgericht habe durch die Annahme, das Rechtsschutzinteresse des Revisionswerbers sei weggefallen, auch gegen das Überraschungsverbot verstoßen.
16 Damit zeigt die Revision schon aus folgenden Gründen keine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B VG auf:
17 Aus den vom Verwaltungsgericht vorgelegten Verfahrensakten ergibt sich, dass sich der Revisionswerber im Verfahren zur Verlängerung seiner befristeten Lenkberechtigung, welches auf Grund seines Antrages vom 23. Dezember 2021 eingeleitet worden war, am 17. Jänner 2022 einer amtsärztlichen Untersuchung nach § 8 FSG unterzogen hat und dass am selben Tag eine Haarprobe entnommen wurde, deren forensisch-toxikologischer Kontrollbefund dem amtsärztlichen Gutachten vom 29. April 2022 zu Grunde gelegt wurde. Auf Grund dieses Gutachtens wurde dem Revisionswerber mit (mündlich verkündetem) Bescheid vom 2. Mai 2022 erneut eine befristete Lenkberechtigung erteilt.
18 Über Vorhalt dieses Sachverhaltes durch den Verwaltungsgerichtshof führte der Revisionswerber mit Stellungnahme vom 24. April 2023 aus, das Verwaltungsgericht habe die Abgabe einer Haarprobe nicht festgestellt und auch keine Feststellung dazu getroffen, ob die amtsärztliche Untersuchung abgeschlossen gewesen sei, „was auch nicht der Fall war, weil ich in der Folge wieder zum Amtsarzt musste“. Der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses sei vom Verwaltungsgerichtshof nur jener Sachverhalt zu Grunde zu legen, welcher festgestellt worden sei. Es sei somit nicht zu prüfen, ob es allenfalls andere oder weitere Umstände gegeben habe, welche zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses geführt hätten.Selbst wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts alle behördlichen Anordnungen bereits erfüllt gewesen seien, hätte das Verwaltungsgericht den Aufforderungsbescheid aufheben müssen, weil dieser dann keine Berechtigung mehr habe und das Verwaltungsgericht nicht nur über die Beschwerde entscheiden, sondern auch die Angelegenheit erledigen müsse.
19 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG nur dann zulässig, wenn bei der Behörde im Zeitpunkt seiner Erlassung (bzw. im Fall einer Rechtsmittelentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung derselben) nach wie vor begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in diese Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige aktuelle Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen (vgl. aus vielen VwGH 15.5.2019, Ra 2019/11/0032, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).
20 Der Revisionswerber ist dem Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofes, er habe sich im Verfahren zur Verlängerung seiner Lenkberechtigung am 17. Jänner 2022 einer amtsärztlichen Untersuchung unterzogen und ihm sei an diesem Tag eine Haarprobe entnommen worden, deren forensisch toxikologischer Kontrollbefund dem amtsärztlichen Gutachten iSd. § 8 Abs. 2 FSG zu Grunde gelegt wurde, nicht entgegengetreten.
21 Es ist demnach im Revisionsverfahren davon auszugehen, dass der Revisionswerber den Anordnungen des Bescheides der belangten Behörde vom 20. August 2021, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zur Überprüfung der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen sowie einer für die Erstellung dieses Gutachtens erforderlichen Haaranalyse zu unterziehen, noch vor Erlassung des angefochtenen Beschlusses (am 10. März 2022) nachgekommen ist. Eine „Formalentziehung“ seiner (befristeten) Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs. 4 letzter Satz FSG war damit ausgeschlossen (vgl. VwGH 23.4.2018, Ra 2018/11/0029, zur Rechtslage vor der 5. Führerscheingesetz Novelle; vgl. auch VwGH 2.10.2015, Ra 2015/11/0041).
22 Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Beschlusses durch das Verwaltungsgericht hätte demnach keine Notwendigkeit und auch keine gesetzliche Grundlage dafür bestanden, dass sich der Revisionswerber wegen derselben Bedenken (neuerlich) der amtsärztlichen Untersuchung und einer Haaranalyse unterzieht. Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 26. November 2020, Ra 2020/11/0011, ausgeführt hat, ist in einem Fall wie dem Vorliegenden das Beschwerdeverfahren wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen.
23 Vor diesem Hintergrund zeigt die Revision nicht auf, dass die Revision gegen den angefochtenen Beschluss, mit welchem das Beschwerdeverfahren als gegenstandslos geworden erklärt und eingestellt wurde, von den in ihrer Zulässigkeitsbegründung aufgeworfenen Rechtsfragen abhinge.
24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher schon aus diesen Gründen gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 24. Mai 2023
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