Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision der Niederösterreichischen Landesregierung, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 11. Jänner 2022, Zl. LVwG AV 8/001 2021, betreffend Leistungen nach dem NÖ Sozialhilfe Ausführungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Melk; mitbeteiligte Partei: A H in P), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. November 2020 wurde der Antrag des Mitbeteiligten vom 16. Oktober 2020 auf Zuerkennung von Leistungen nach dem NÖ Sozialhilfe Ausführungsgesetz (NÖ SAG) u.a. zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Mitbeteiligte habe verlangte Unterlagen hinsichtlich seiner Einkommens und Vermögensverhältnisse nicht zur Gänze vorgelegt sowie Auskünfte dazu nicht erteilt, weshalb er seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 11. Jänner 2022 wurde der dagegen erhobenen Beschwerde in Spruchpunkt I. Folge gegeben und es wurden dem Mitbeteiligten Leistungen zur Deckung des allgemeinen Lebensunterhalts sowie zur Befriedigung des Wohnbedarfs wie folgt bewilligt: „a) vom 01.09.2020 bis 31.01.2021: € 688,01 monatlich, b) vom 01.02.2021 bis 17.02.2021: € 389,87, c) vom 18.02.2021 bis 28.02.2021: € 397,52, d) vom 01.03.2021 bis 31.08.2021: € 917, 35 monatlich“. Unter Spruchpunkt II. wurde zudem ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Mitbeteiligte die notwendigen Unterlagen übermittelt sowie die geforderten Auskünfte erteilt habe. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe von Bestimmungen der NÖ Mindeststandardverordnung (NÖ MSV) aus, dass monatliche Leistungen zur Deckung des allgemeinen Lebensunterhalts für volljährige Personen, die mit einer volljährigen Person im gemeinsamen Haushalt leben, € 516,01 und für Alleinstehende € 688,01 betragen würden. Monatliche Leistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfs würden für volljährige Personen, die mit einer volljährigen Person im gemeinsamen Haushalt leben, bis zu € 172, und für Alleinstehende bis zu € 229,34 betragen. Dem Mitbeteiligten stünden demnach für den Zeitraum vom 1. September 2020 bis 31. Jänner 2021 monatlich € 688,01 zu, da er in diesem Zeitraum mit seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt gelebt habe.
4 Für den Monat Februar 2021 nahm das Verwaltungsgericht eine Differenzierung vor, da der Mitbeteiligte nur bis zum 17. Februar 2021 mit seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Für diesen Zeitraum stünden ihm demnach € 389,87 und für den Zeitraum von 18. Februar 2021 bis zum 28. Februar 2021 € 397,52 zu. Für die Monate März bis August 2021 gebühre ein monatlicher Betrag von € 917,35.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf § 42 NÖ SAG gestützte, außerordentliche Amtsrevision der Niederösterreichischen Landesregierung.
6 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.
7 Die belangte Behörde schloss sich in ihrer „Revisionsbeantwortung“ der Amtsrevision an.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Die Amtsrevision begründet ihre Zulässigkeit damit, dass Rechtsprechung dazu fehle, ob Leistungen zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs einer monatlichen Betrachtungsweise unterliegen würden oder ob die Berechnung von Tagessätzen zulässig sei. Zudem fehle Rechtsprechung zur Frage, wie bei der Bemessung der monatlichen Sozialhilfeleistungen mit nicht monatlich anfallenden Wohnaufwänden umzugehen sei und es seien entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Feststellungen dazu getroffen worden, ob die Leistungen der Sozialhilfe als Geld oder als Sachleistungen zu gewähren seien.
10 Die Revision erweist sich als zulässig und schon aus den nachstehenden Erwägungen auch berechtigt:
11 Die in der Revision unter anderem angesprochene Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen die Leistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfs nach dem NÖ SAG als Geld statt als Sachleistung zu gewähren seien, wurde vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 5. Oktober 2021, Ra 2020/10/0134, beantwortet. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen. Demnach sind nach § 12 Abs. 4 zweiter Satz NÖ SAG Leistungen für den Wohnbedarf, sofern dies nicht unwirtschaftlich oder unzweckmäßig ist, in Form von Sachleistungen zu gewähren. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ist daher zunächst davon auszugehen, dass Leistungen zur Deckung des Wohnbedarfs als Sachleistungen zugesprochen werden müssen. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn Umstände hervorkommen, die zur Beurteilung führen, dass Sachleistungen unwirtschaftlich oder unzweckmäßig sind. Die Abweichung vom Grundsatz des Vorrangs von Sachleistungen ist daher vom Verwaltungsgericht nachvollziehbar zu begründen.
12 Letzterem wurde durch die Begründung des Verwaltungsgerichtes allerdings nicht entsprochen, weil diese keinerlei Ausführungen dazu enthält, weshalb im vorliegenden Fall die Leistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfs als Geld und nicht als Sachleistungen zugesprochen wurden.
13 Das Verwaltungsgericht nahm im Spruch des Erkenntnisses keine Differenzierung zwischen Leistungen zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und Leistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfs vor. Die zugesprochenen Leistungen wurden lediglich als Summe zusammengefasst angeführt, weshalb diesbezüglich keine Teilbarkeit des Spruches des angefochtenen Erkenntnisses vorliegt.
14 Daher war das gesamte Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben; ohne dass auf die übrigen Revisionsgründe einzugehen war.
Wien, am 30. April 2025
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