Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Bamer, über die Revision der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie in 1010 Wien, Stubenbastei 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 25. August 2022, Zl. LVwG 80.23 6640/2022 2, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach § 69 Abs. 2 Z 1 AWG 2002 (mitbeteiligte Partei: G GmbH in T, vertreten durch die Niederhuber Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Reisnerstraße 53), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Eingabe vom 4. November 2021 stellte die mitbeteiligte Partei einen Notifizierungsantrag betreffend die beabsichtigte grenzüberschreitende Verbringung von 1.500 Tonnen Kabelabfällen von Österreich zur Verwertung nach Deutschland für den Zeitraum vom 16. November 2021 bis zum 15. November 2022.
2 Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Revisionswerberin vom 7. Februar 2022 gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen (EG VerbringungsV) in Verbindung mit den §§ 66 ff Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) abgewiesen.
3 Der dagegen von der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 29. März 2022 Folge und behob den Bescheid vom 7. Februar 2022 ersatzlos.
4 Nach Mitteilung der Rechtsansicht der Revisionswerberin mit den Schreiben vom 11. April 2022 und 17. Juni 2022, dass keine neuerliche Entscheidung in der Sache mehr getroffen werden könne, erhob die mitbeteiligte Partei mit Schriftsatz vom 11. Juli 2022 Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht und beantragte, das Verwaltungsgericht möge über den Notifizierungsantrag gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG in der Sache selbst entscheiden.
5 Das Verwaltungsgericht gab der Säumnisbeschwerde mit Erkenntnis vom 25. August 2022 statt und trug der Revisionswerberin auf, den versäumten Bescheid binnen vier Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung unter Zugrundelegung der Rechtsanschauung zu erlassen, dass die Revisionswerberin gemäß § 69 AWG 2002 über jede von der EG VerbringungsV erfasste notifizierungspflichtige Verbringung von Abfällen nach, aus oder durch Österreich binnen konkret definierter Frist bescheidmäßig abzusprechen habe (Spruchpunkt I.). Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG sei unzulässig (Spruchpunkt II.).
6 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe gemäß § 69 AWG 2002 über die gegenständliche von der EG VerbringungsV erfasste notifizierungspflichtige Verbringung von Abfällen von Österreich nach Deutschland innerhalb einer bestimmten Frist bescheidmäßig abzusprechen. Eine stillschweigende Zustimmung komme nur im Falle einer Durchfuhr in Betracht und wäre im vorliegenden Fall eine zwingende bescheidmäßige Erledigung erforderlich gewesen. Aufgrund der schon bei der Erlassung des Erkenntnisses vom 29. März 2022 vorgelegenen - Überschreitung der 30 tägigen Frist zur Bescheiderlassung komme der Revisionswerberin keine Kompetenz mehr zur Antragsabweisung und zur Erhebung von Einwänden im Sinne der Art. 11 und 12 EG VerbringungsVO zu.
7 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit den verba legalia des Art. 133 Abs. 4 B VG.
8 Sodann erließ die Revisionswerberin den Bescheid vom 19. September 2022, indem sie gemäß Art. 9 f der EG VerbringungsV in Verbindung mit den §§ 66 ff AWG 2002 die Zustimmung zur grenzüberschreitenden Verbringung von 1.500 Tonnen „neue Kabelabfälle (Produktionsabfall, Baustelle) und Kabelabfälle von Umbau , Abbruch oder Demontagearbeiten“ über näher bezeichnete Grenzübergänge nach Deutschland zur Verwertung bei der L. GmbH in E. bis 15. November 2022 (Abgang der letzten Verbringung) im Rahmen der Notifizierung, die integrierter Bestandteil dieser Zustimmung sei, unter dem Vorbehalt des Widerrufs gemäß Art. 9 Abs. 8 EG VerbringungsV sowie unter Einhaltung näher dargestellter Bedingungen und Auflagen erteilte. Dieser Bescheid wurde der mitbeteiligten Partei am 20. September 2022 zugestellt und blieb unbekämpft.
9 In der Folge wurde gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 25. August 2022 die vorliegende außerordentliche Revision, welche am 10. Oktober 2022 zur Post gegeben wurde und am 12. Oktober 2022 beim Verwaltungsgericht einlangte, erhoben. In der Revision werden Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
10 Nach Vorlage der Revision samt den Verfahrensakten durch das Verwaltungsgericht hat der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren eingeleitet. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
11 Nach Auskunft der Revisionswerberin vom 29. Juni 2023 wurde der Bescheid vom 19. September 2022 bereits vollzogen und wurden im Rahmen von 31 Transporten bereits 688,86 Tonnen Kabelabfälle nach Deutschland verbracht.
12 Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde, die Revision nach Anhörung des Revisionswerbers in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
13 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist, Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen oder denen die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
15 In der Revision wird die Rechtsauffassung vertreten, dass die Revisionswerberin aufgrund der vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis auferlegten Frist von vier Wochen ab Zustellung, sohin vor Ablauf der gemäß § 26 Abs. 1 VwGG sechswöchigen Frist zur Erhebung einer Revision und somit vor Einbringung der gegenständlichen Revision, den Zustimmungsbescheid vom 19. September 2022 (siehe Rn. 8) erlassen habe müssen, um nicht den ihr verfassungsrechtlich gesetzten Rahmen zu überschreiten und die Bindungswirkung eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses rechtswidrigerweise zu ignorieren.
16 Dieser Rechtsanschauung stehen folgende Erwägungen, die die Unzulässigkeit der Revision zur Folge haben, entgegen:
17 Nach der hg. Rechtsprechung ist ein beim Verwaltungsgerichtshof anhängiges Verfahren auch im Falle einer Amtsrevision der belangten Behörde gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B VG bei Wegfall des rechtlichen Interesses an einer meritorischen Erledigung in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen (vgl. VwGH 1.12.2022, Ra 2021/07/0036, mwN).
18 Aus § 33 Abs. 1 VwGG lässt sich auch entnehmen, dass der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof als Prozessvoraussetzung versteht. Führt nämlich die Klaglosstellung einer revisionswerbenden Partei in jeder Lage des Verfahrens zu dessen Einstellung, so ist anzunehmen, dass eine Revision von vornherein als unzulässig betrachtet werden muss, wenn eine der Klaglosstellung vergleichbare Situation bereits bei Einbringung der Revision vorliegt. Eine derartige Revision ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses zurückzuweisen (vgl. VwGH 12.9.2022, Ra 2021/10/0153, mwN).
19 § 28 Abs. 7 VwGVG stellt es in Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B VG ins Ermessen des Verwaltungsgerichts, entweder in der Sache selbst zu entscheiden oder sich auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen zu beschränken und gleichzeitig das Verfahren an die Behörde mit dem Auftrag zurückzuverweisen, den ausstehenden Bescheid unter Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts innerhalb einer Frist von höchstens acht Wochen nachzuholen (vgl. VwGH 28.5.2019, Ra 2018/22/0060, mwN).
20 Nach § 28 Abs. 7 VwGVG kann das Verwaltungsgericht somit im Falle einer zulässigen Säumnisbeschwerde die Zuständigkeit in der Angelegenheit unter den näher bestimmten Voraussetzungen wieder auf die Behörde übertragen. Eine maßgebliche Voraussetzung für eine solche Entscheidung besteht darin, dass das Verwaltungsgericht darin über einzelne maßgebliche Rechtsfragen der Angelegenheit entscheidet, wobei diese Entscheidung im Spruch des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts zu erfolgen hat (vgl. VwGH 10.3.2022, Ra 2020/15/0103, mwN).
21 Fallgegenständlich befasste sich das Verwaltungsgericht zuerst mit der Frage, ob über den verfahrensgegenständlichen Antrag angesichts der ersatzlosen Behebung des Bescheides der Revisionswerberin vom 7. Februar 2022 durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 29. März 2022 überhaupt noch zu entscheiden sei. Es gelangte zur Ansicht, dass vor dem Hintergrund des § 69 AWG 2002 eine solche Entscheidungspflicht bestehe. Nur diese Rechtsansicht wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis nach § 28 Abs. 7 VwGVG der Revisionswerberin überbunden.
22 Wäre das Verwaltungsgericht zu einer anderen Ansicht gelangt, wäre die Säumnisbeschwerde abzuweisen gewesen. Jede Vorgangsweise nach § 28 Abs. 7 VwGVG setzt eine zulässige Säumnisbeschwerde und daher voraus, dass die säumige Behörde zur Erlassung des ausstehenden Bescheides zuständig war.
23 Die im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses geäußerte Rechtsansicht stellt daher nichts anderes dar als den in § 28 Abs. 7 VwGVG vorgesehenen Auftrag, den versäumten Bescheid (binnen einer konkreten Frist) zu erlassen. Diese Vorgehensweise ist aber nach der oben dargestellten Rechtsprechung nur zulässig, wenn das Verwaltungsgericht im Spruch seiner Entscheidung die Entscheidung über maßgebliche Rechtsfragen der Angelegenheit trifft. Eine derartige Entscheidung über maßgebliche Rechtsfragen erfolgte im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses nicht; lediglich in der Begründung des Erkenntnisses findet sich der Hinweis, dass für eine Abweisung des Antrags kein Platz mehr sei, aber dass die Revisionswerberin für eine positive Erledigung, welche für die Durchführung der geplanten Abfallverbringung unbedingt erforderlich sei, zuständig (wenn auch säumig) wäre.
24 Damit ging zwar die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Notifizierungsantrag der mitbeteiligten Partei wieder auf die Revisionswerberin über, eine Bindung an diese in der Begründung enthaltene Ausführungen ist aber mangels Entscheidung maßgeblicher Rechtsfragen im Spruch nicht eingetreten. Dies folgt insbesondere daraus, dass die Begründung einer Entscheidung zwar zur Auslegung, nicht aber zur Ergänzung, auch eines in sich unklaren Spruches herangezogen werden darf (vgl. VwGH 3.10.2018, Ra 2018/12/0034, mwN).
25 Im Ergebnis war die Revisionswerberin nicht an die lediglich in der Begründung zum Ausdruck kommende Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts (über eine positive Entscheidung) gebunden (und sohin nicht verpflichtet, dieser Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts im Rahmen der Bescheiderlassung im fortgesetzten Verfahren vor der revisionswerbenden Behörde Rechnung zu tragen), weil das Verwaltungsgericht in Abweichung zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Entscheidung über die maßgeblichen inhaltlichen Rechtsfragen im Spruch unterließ.
26 Anders als in der Revision argumentiert wird, hat die Revisionswerberin dem Notifizierungsantrag mit Bescheid vom 19. September 2022 sohin zugestimmt, obwohl sie keine Bindungswirkung des hier angefochtenen Grundsatzerkenntnisses nach § 28 Abs. 7 VwGVG zu dieser inhaltlich positiven Erledigung verpflichtet hat.
27 Aufgrund der Erlassung dieses Zustimmungsbescheides vor Einbringung der gegenständlichen Revision ist kein Rechtsschutzbedürfnis der Revisionswerberin erkennbar (vgl. zur vorliegenden Konstellation VwGH 17.2.2021, Ra 2020/13/0088, mwN, wonach die Revision zurückzuweisen ist, wenn die Entscheidung der Verwaltungsbehörde bereits vor Einbringung der Revision erfolgte). Auch eine Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts würde nichts an dem Umstand ändern, dass der Zustimmungsbescheid vom 19. September 2022 schon vor Einbringung der Revision dem Rechtsbestand angehörte. Der Rechtsposition der Revisionswerberin könnte auf diesem Weg nicht zum Durchbruch verholfen werden.
28 Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, in einer Revisionssache zu entscheiden, wenn der Entscheidung nach der Sachlage praktisch überhaupt keine Bedeutung mehr zukommt und letztlich bloß eine Entscheidung über theoretische Rechtsfragen ergehen könnte. Dies gilt selbst dann, wenn die einem Revisionsfall zugrunde liegende Rechtsfrage für künftige Verwaltungsverfahren bzw. verwaltungsgerichtliche Verfahren von Interesse ist (vgl. VwGH 24.9.2020, Ra 2020/07/0023 bis 0024, mwN).
29 Dies, nämlich die Entscheidung über theoretische Rechtsfragen, wäre aber gegenständlich der Fall, denn einer meritorischen Entscheidung käme nach dem oben Gesagten keine praktische Bedeutung mehr zu.
30 Insoweit die Revisionswerberin unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 2021, Ra 2020/13/0088, vermeint, dass die Erlassung des Zustimmungsbescheides vom 19. September 2022 nicht zur Gegenstandslosigkeit der Revision führe, ist darauf hinzuweisen, dass sich der vorliegende Verfahrensgang maßgeblich von jenem der Entscheidung zu Ra 2020/13/0088 zugrundeliegenden Sachverhalt unterscheidet, weil die Revision zu Ra 2020/13/0088 noch vor Erlassung des dortigen in Entsprechung des Grundsatzerkenntnisses nach § 28 Abs. 7 VwGVG ergangenen Bescheides eingebracht wurde. Sohin entschied die Verwaltungsbehörde im Fall zu Ra 2020/13/0088 während eines Verfahrens über die Revision gegen eine Entscheidung, mit der einer Säumnisbeschwerde stattgegeben wurde, und nicht wie hier vor Anhängigkeit einer solchen Revision. Dieser Bescheid ist im vorliegenden Fall im Unterschied zur dortigen Fallgestaltung zudem bereits rechtskräftig.
31 Die Revision war im Ergebnis gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
32 Vor dem Hintergrund dieses Verfahrensergebnisses erübrigte sich auch ein Eingehen auf die Anregung zur Vorlage zur Vorabentscheidung an den EuGH.
Wien, am11. Juli 2023
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