Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Bamer, über die Revision des M B in R (Italien), vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in 1230 Wien, Dr. Neumann Gasse 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 9. März 2022, Zl. LVwG 2022/44/0303 6, betreffend Übertretung des Immissionsschutzgesetzes Luft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kufstein), zu Recht erkannt:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 14. Dezember 2021 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, zwei Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, nämlich
1. am Tatort zur Tatzeit mit einem näher bezeichneten Fahrzeug als Lenker dieses Fahrzeuges (mit diesem gezogenen Anhänger), bei dem das höchste zulässige Gesamtgewicht des LKW oder Sattelkraftfahrzeuges mehr als 7,5 t und bei LKW mit Anhängern, bei denen die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte beider Fahrzeuge mehr als 7,5 t beträgt, die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 27. Oktober 2010, LGBl. Nr. 64/2010, geändert durch die Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 11. November 2020, LGBl. Nr. 121/2020, missachtet zu haben, weil in der Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober eines jeden Jahres an Werktagen von 22:00 Uhr bis 05:00 Uhr sowie an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 23:00 Uhr bis 05:00 Uhr auf der A 12 Inntalautobahn zwischen bestimmten Streckenkilometern das Fahren mit näher bezeichneten Fahrzeugen verboten sei. Die Fahrt sei nicht unter die Ausnahmebestimmungen der zitierten Verordnung gefallen und der Revisionswerber sei nicht im Besitz einer Ausnahmegenehmigung gewesen; das Fahrzeug sei nicht mit bestimmten Technologien ausgestattet gewesen; sowie
2. am Tatort zur Tatzeit mit einem näher bezeichneten Fahrzeug als Lenker dieses Fahrzeuges den Zulassungsschein oder Heereszulassungsschein des Sattelanhängers sowie die bei der Genehmigung oder Zulassung vorgeschriebenen Beiblätter zum Zulassungsschein nicht mitgeführt zu haben.
2 Er habe dadurch zu 1. gegen § 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 27. Oktober 2010, LGBl. Nr. 64/2010, in der Fassung LGBl. Nr. 121/2020, sowie zu 2. gegen § 102 Abs. 5 lit. b Kraftfahrgesetzes (KFG) verstoßen und sei zu 1. gemäß § 30 Abs. 1 Z 4 Immissionsschutzgesetzes Luft (IG L) mit einer Geldstrafe in der Höhe von € 500, (im Falle der Uneinbringlichkeit einer Ersatzfreiheitsstrafe) und zu 2. gemäß § 134 Abs. 1 KFG mit einer Geldstrafe in der Höhe von € 50, (im Falle der Uneinbringlichkeit einer Ersatzfreiheitsstrafe) zu bestrafen. Überdies habe er gemäß § 64 VStG näher bestimmte Verfahrenskosten zu tragen.
3 Mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (Verwaltungsgericht) vom 9. März 2022 wurde die vom Revisionswerber erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit einer hier nicht relevanten Maßgabe als unbegründet abgewiesen. Im 2. Spruchpunkt wurde dem Revisionswerber ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren vorgeschrieben. Eine ordentliche Revision wurde im 3. Spruchpunkt für zulässig erklärt.
4 Das Verwaltungsgericht stellte in seiner Begründung soweit für das nachstehende Revisionsvorbringen wesentlich fest, dass der vom Revisionswerber gelenkte Sattelanhänger 20,7 t Mozzarella von D 83527 Haag in Oberbayern (Landkreis Mühldorf am Inn) in die italienische Provinz Caserta (Region Kampanien) sowie eine 25 kg schwere Europalette als Leergutretournierung von D 83544 Albaching (Landkreis Rosenheim) nach I 39049 Sterzing (Südtirol, Bezirksgemeinschaft Wipptal) transportiert habe.
5 In seiner rechtlichen Beurteilung folgerte das Verwaltungsgericht, dass sich der Revisionswerber nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 4 Abs. 1 lit h der Verordnung des Landeshauptmannes vom 27. Oktober 2010, mit der auf der A 12 Inntal Autobahn ein Nachtfahrverbot für Schwerfahrzeuge erlassen wird (Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A 12 Inntalautobahn), berufen könne. Zwar lägen gemäß § 4 Abs. 2 der Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A 12 Inntalautobahn sowohl der Landkreis Rosenheim als auch die Bezirksgemeinschaft Wipptal in der Kernzone, sodass Transporte zur dortigen Be oder Entladung mit Kraftfahrzeugen der Euroklasse VI vom Nachtfahrverbot ausgenommen seien. Der Verordnungsgeber habe aber mit der (nach dem Tatzeitpunkt in Kraft getretenen) Novelle LGBl. Nr. 141/2021 klargestellt, dass dabei zumindest der überwiegende Teil der Ladung in der Kernzone auf oder abgeladen werden müsse. Von der Erfüllung dieses Erfordernisses könne angesichts der übrigen 20,7 t Mozzarella jedenfalls nicht gesprochen werden. Aber auch unabhängig von diesem Verhältnis der unterschiedlichen Beladungsanteile könne von einer Be- oder Entladung in der Kernzone nur gesprochen werden, wenn dort eine Ladung auf oder abgeladen werde, deren Ausmaß und Gewicht nicht bloß geringfügig sei (Verweis auf VwGH 27.6.2014, 2012/02/0129). Für das Vorliegen der Ausnahme sei nicht nur entscheidend, dass der überwiegende Teil der Ladung in der Kernzone be oder entladen werde, sondern auch, dass die dortige Be oder Entladung nicht bloß geringfügig sei. Die Nachtfahrverbotsverordnung könne nicht so ausgelegt werden, dass bereits jede geringfügige Be oder Entladung in der Kernzone zu einer Ausnahme vom Fahrverbot führe. Die in der Kernzone vorgenommene Be und Entladung eines Sattelkraftfahrzeuges mit bloß einer leeren, 25 kg schweren Europalette lasse vielmehr auf eine Umgehungsabsicht schließen.
6 Die Zulässigkeit einer Revision nahm das Verwaltungsgericht aufgrund des Fehlens von Rechtsprechung zur Frage, ab wann von einer Be bzw. Entladung in der Kernzone gesprochen werden könne, die zu einer Ausnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. h der Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A 12 Inntalautobahn führe, an.
7 Eine gegen dieses Erkenntnis hinsichtlich der Übertretung des KFG erhobene und zu Ro 2022/02/0010 protokollierte Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juni 2022 mangels Rechtsfrage, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukomme, als unzulässig zurückgewiesen.
8 Hinsichtlich der durch das angefochtene Erkenntnis bestätigten Übertretung des IG L in Verbindung mit der Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A 12 Inntalautobahn macht die gegenständliche Revision Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.
9 Von der belangten Behörde wurde auf die Einbringung einer Revisionsbeantwortung verzichtet.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird auf die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage Bezug genommen, weshalb sie sich als zulässig erweist. Sie ist aber aus nachfolgenden Erwägungen nicht begründet.
12 Der maßgebliche Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 1 lit. h der Verordnung des Landeshauptmannes vom 27. Oktober 2010, mit der auf der A 12 Inntal Autobahn ein Nachtfahrverbot für Schwerfahrzeuge erlassen wird, LGBl. Nr. 64/2010, in der Fassung LGBl. Nr. 121/2020, lautet wie folgt:
„ § 4 Ausnahmen
(1) Vom Verbot nach § 3 sind unbeschadet der Ausnahmen gemäß § 16 Abs. 2 IG L ausgenommen:
h) bis zum 31. Dezember 2020 Fahrten mit Kraftfahrzeugen der Euroklasse VI (NOx Emission nicht mehr als 0,4 g/kWh), sofern dies durch eine entsprechende Kennzeichnung des Fahrzeuges nach der IG L Abgasklassen Kennzeichnungsverordnung, BGBl. II Nr. 120/2012, zuletzt geändert durch die Verordnung BGBl. II Nr. 272/2014, oder bei selbstfahrenden Arbeitsmaschinen durch ein im Fahrzeug mitgeführtes Dokument nachgewiesen ist, ab 1. Jänner 2021 jedoch nur unter der weiteren Voraussetzung, dass die Kraftfahrzeuge in der Kernzone gemäß Abs. 2 erster Satz be oder entladen (Quelle oder Ziel in der Kernzone) oder in der erweiterten Zone gemäß Abs. 2 zweiter Satz be und entladen werden (Quelle und Ziel in der erweiterten Zone) oder lediglich der Abschnitt der A 12 Inntal Autobahn zwischen Straßenkilometer 72,00 im Gemeindegebiet von Ampass und Straßenkilometer 90,00 im Gemeindegebiet von Zirl zum Zweck des Gütertransports befahren wird,
(...)“
13 Gemäß § 4 Abs. 2 dieser Verordnung des Landeshauptmannes zählen zur Kernzone die politischen Bezirke Imst, Innsbruck Land, Innsbruck Stadt, Kufstein und Schwaz. Zur erweiterten Zone zählen in
a) Österreich: die politischen Bezirke Kitzbühel, Landeck, Lienz, Reutte und Zell am See,
b) Deutschland: die Landkreise Bad Tölz Wolfratshausen, Garmisch Partenkirchen, Miesbach, Rosenheim (inkl. Stadt) und Traunstein,
c) Italien: die Bezirksgemeinschaften Eisacktal, Pustertal und Wipptal.
14 In der zum Tatzeitpunkt am 8. September 2021 noch nicht in Kraft stehenden Fassung der Novelle des LGBl. Nr. 141/2021 lautet § 4 Abs. 1 lit. h der Verordnung des Landeshauptmannes vom 27. Oktober 2010, mit der auf der A 12 Inntal Autobahn ein Nachtfahrverbot für Schwerfahrzeuge erlassen wird, folgendermaßen:
„ § 4 Ausnahmen
(1) Vom Verbot nach § 3 sind unbeschadet der Ausnahmen gemäß § 16 Abs. 2 IG L ausgenommen:
(...)
h) Fahrten mit Kraftfahrzeugen der Euroklasse VI (NOx Emission nicht mehr als 0,4 g/kWh), sofern dies durch eine entsprechende Kennzeichnung des Fahrzeuges nach der IG L Abgasklassen-Kennzeichnungsverordnung, BGBl. II Nr. 120/2012, zuletzt geändert durch die Verordnung BGBl. II Nr. 272/2014, nachgewiesen ist und
1. zumindest der überwiegende Teil der Ladung in der Kernzone gemäß Abs. 2 auf oder abgeladen wird (Quelle oder Ziel in der Kernzone),
2. zumindest der überwiegende Teil der Ladung in der erweiterten Zone gemäß Abs. 2 auf und auch wieder abgeladen wird (Quelle und Ziel in der erweiterten Zone) oder
3. lediglich der Abschnitt der A 12 Inntal Autobahn zwischen Straßenkilometer 72,00 im Gemeindegebiet von Ampass und Straßenkilometer 90,00 im Gemeindegebiet von Zirl zum Zweck des Gütertransports befahren wird,
(...)“
15 Das Verwaltungsgericht zog in seiner Begründung selbst die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 2014, 2012/02/0129, heran. Dort führte der Verwaltungsgerichtshof zur Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 1. Dezember 2009, mit der auf der B 179 Fernpass Straße ein Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge erlassen wird, LGBl. Nr. 95/2009, aus, dass ausgehend von dem nach den entsprechenden Gesetzesmaterialen erweiterten Verständnis des Begriffs „Quellverkehr“ von einer „Beladung“ in diesem Sinne jedenfalls nur ausgegangen werden kann, wenn eine Last oder Ladung aufgenommen wird, deren Ausmaß und Gewicht nicht bloß geringfügig ist. Die Verordnung bezieht sich auf Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t, was bei der Beurteilung der Geringfügigkeit einer Beladung zu berücksichtigen ist.
16 Der Wortlaut der fallgegenständlich relevanten Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A 12 Inntalautobahn ist mit dem Wortlaut der der Entscheidung zu 2012/02/0129 zugrundeliegenden Verordnung und deren Gesetzesmaterialen hinreichend vergleichbar, denn auch in der Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A 12 Inntalautobahn wird eine Ausnahme zur Be und/oder Entladung für näher bestimmten Ziel und Quellverkehr normiert.
17 Aus diesem Grund kann die in 2012/02/0129 zum Ausdruck kommende Judikaturlinie, wonach von einer „Beladung“ jedenfalls nur ausgegangen werden kann, wenn eine Last oder Ladung aufgenommen wird, deren Ausmaß und Gewicht nicht bloß geringfügig ist, auch wie schon vom Verwaltungsgericht zur Beurteilung der vorliegenden Ausnahme zum Nachtfahrverbot nach § 4 Abs. 1 lit. h der Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A 12 Inntalautobahn herangezogen werden.
18 Der in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Beurteilung, dass die in der Kernzone durchgeführte Be und Entladung eines Sattelkraftfahrzeuges mit einer leeren, 25 kg schweren Europalette (Sattelzugfahrzeug samt Sattelanhänger mit einer Summe der höchst zulässigen Gesamtmassen von mehr als 7,5 t zuzüglich der geladenen Fracht von 20,7 t Mozzarella) als bloß geringfügig einzustufen sei, ist nicht entgegenzutreten (vgl. dazu nochmals VwGH 27.6.2014, 2012/02/0129, mwN).
19 An diesem Ergebnis vermag auch die vom Verwaltungsgericht entgegen dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 der fallgegenständlich relevanten Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A 12 Inntalautobahn vorgenommene Beurteilung, dass die Be und Entladung der Europalette in der Kernzone vorgenommen worden sei, nichts zu ändern. Diese erfolgte vielmehr im Landkreis Rosenheim (Beladung) und in der Bezirksgemeinschaft Wipptal (Entladung), also in der erweiterten Zone. Dieser Be und Entladevorgang in der erweiterten Zone führt indessen nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 lit. h der fallgegenständlich relevanten Nachtfahrverbotsverordnung zu keiner anderen Beurteilung.
20 Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes kann aber das Kriterium der Be und/oder Entladung des „überwiegenden Teiles der Ladung“ in der Kernzone bzw. der erweiterten Zone, welches durch die Novelle des LGBl. 141/2021 festgelegt wurde, neben der nicht bloß geringfügigen Beladung vorliegend nicht als zusätzliches Erfordernis für das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes des § 4 Abs. 1 lit. h der Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A 12 Inntalautobahn herangezogen werden, denn die genannte Novelle trat erst nach dem Tatzeitpunkt der vorliegenden Verwaltungsübertretung in Kraft.
21 Entsprechend dem im Strafrecht allgemein geltenden, im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes aus § 1 Abs 1 VStG ableitbaren Grundsatz „nullum crimen sine lege“ ist Voraussetzung für die Verhängung einer Strafe, dass die Tat zur Zeit ihrer Begehung ausdrücklich für strafbar erklärt war (vgl. VwGH 12.10.2021, Ra 2019/11/0015, 0016, mwN). Im Verwaltungsstrafrecht bildet der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze belastender Strafrechtsgewinnung. Strafrechtsquelle ist ausschließlich das geschriebene Gesetz; eine Ergänzung desselben durch Analogie oder jede andere Art von Lückenschließung (etwa durch Größenschluss) zum Nachteil des Täters ist untersagt. Dies schließt zwar eine Auslegung des Gesetzes nach Inhalt, Sinn und Tragweite nicht aus, doch muss die Auslegung jedenfalls ihre äußerste Grenze stets im möglichen Wortsinn der auszulegenden Norm haben; sie muss immer noch im Wortlaut des Gesetzes eine Stütze finden (vgl. VwGH 26.1.2023, Ro 2020/01/0002, mwN).
22 Der Wortlaut und die entsprechenden Gesetzesmaterialen der zum Tatzeitpunkt in Kraft stehenden Bestimmung des § 4 Abs. 1 lit. h der Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A 12 Inntalautobahn, LGBl. Nr. 64/2010, in der Fassung LGBl. Nr. 121/2020, enthalten keine Hinweise, dass die Be und/oder Entladung des überwiegenden Teiles der Ladung Erfordernis für das Vorliegen des fraglichen Ausnahmetatbestandes wäre (vgl. in diesem Sinne zur Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 23. Juni 2009, mit der auf der A 12 Inntal Autobahn der Transport bestimmter Güter im Fernverkehr verboten wird [Sektorales Fahrverbot Verordnung], LGBl. Nr. 49/2009, VwGH 26.7.2012, 2010/07/0094).
23 Gleichwohl es sich vorliegend um einen die Strafbarkeit ausschließenden Ausnahmetatbestand handelt, würde eine Interpretation dieses Ausnahmetatbestandes im Lichte der durch die Novelle des LGBl. Nr. 141/2021 geänderten, die Strafbarkeit durch die Normierung zusätzlicher Erfordernisse für das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes erweiternden Fassung zu einer rückwirkenden Strafbarkeitsausdehnung führen. Eine derartige, wie vom Verwaltungsgericht vorgenommene, einschränkende Interpretation eines Ausnahmetatbestandes ist nicht mit Art. 7 EMRK vereinbar (vgl. in diesem Sinn Lewisch in Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill Schäffer Kommentar Bundesverfassungsrecht 4. Lfg [2006], Rz 16b) und einer erweiternden Auslegung eines Straftatbestandes gleichzuhalten, die unzulässig ist (vgl. VwGH 25.1.2022, Ra 2020/11/0132, mwN, wonach Straftatbestände nicht erweiternd auszulegen sind).
24 Obwohl das Verwaltungsgericht fälschlicherweise annahm, dass für das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes des § 4 Abs. 1 lit. h der Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A 12 Inntalautobahn, LGBl. Nr. 64/2010, in der Fassung LGBl. Nr. 121/2020, kumulativ sowohl das Erfordernis einer nicht bloß geringfügigen Beladung als auch einer Be und/oder Entladung mit dem überwiegenden Teil der Ladung in der Kernzone bzw. der erweiterten Zone vorliegen müsse, ändert dies im vorliegenden Fall nichts am Ergebnis, weil die nach der (übertragbaren) Rechtsprechung (siehe Rn. 16f) zu erfüllende Voraussetzung einer nicht bloß geringfügigen Beladung in Bezug auf die Europalette nach vertretbarer und unbeanstandet gelassener Beurteilung durch das Verwaltungsgericht (siehe Rn. 18) jedenfalls nicht gegeben war.
25 Der Revisionswerber behauptet auch die Unionsrechtswidrigkeit der Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A 12 Inntalautobahn und stützt sich dabei auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 21. Dezember 2011, Kommission gegen Österreich ( Sektorales Fahrverbot II ), C 28/09.
26 Diese Entscheidung behandelt, wie das Urteil des EuGH vom 15. November 2005, Kommission gegen Österreich , C 320/03 ( Sektorales Fahrverbot I ), in dem der EuGH entschieden hat, dass Österreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 28 und 29 EG verstoßen hat, dass mit der Verordnung des Landeshauptmanns von Tirol vom 27. Mai 2003, BGBl. II Nr. 279, mit der auf der A 12 Inntalautobahn verkehrsbeschränkende Maßnahmen erlassen wurden (sektorales Fahrverbot), ein Fahrverbot für bestimmte Güter befördernde Lastkraftwagen mit einer Gesamtmasse von mehr als 7,5 t auf einem Teilstück der A 12 Inntalautobahn verhängt worden ist, ein sektorales Fahrverbot.
27 Im gegenständlichen Revisionsfall geht es aber nicht um ein sektorales Fahrverbot im Sinne jener Verordnungen, die diesen Urteilen des Europäischen Gerichtshofes zu Grunde lagen, sondern um das Nachtfahrverbot nach der Verordnung des Landeshauptmannes vom 27. Oktober 2010, mit der auf der A 12 Inntal Autobahn ein Nachtfahrverbot für Schwerfahrzeuge erlassen wird, LGBl. Nr. 64/2010, in der Fassung LGBl. Nr. 121/2020.
28 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinen Entscheidungen vom 9. November 2006, 2006/07/0034, und 17. Oktober 2007, 2006/07/0007, zu den Nachtfahrverboten nach den Verordnungen des Landeshauptmannes von Tirol LGBl. Nr. 79/2004 und BGBl. II Nr. 278/2003 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH und die entsprechenden Schlussanträge des Generalanwalts ausgeführt, dass es sich bei der Maßnahme eines Nachtfahrverbotes um eine Maßnahme, welche den freien Verkehr von Waren und Transportdienstleistungen weniger behindere als ein sektorales Fahrverbot, handle. Die Europäische Kommission habe im Verfahren zur Rechtssache C 320/03 ein Nachtfahrverbot ausdrücklich als gelindere Maßnahme angeführt und erachte sie als mit dem Unionsrecht vereinbar. Ein Hinweis, dass der EuGH diese Auffassung nicht teile, finde sich im zur Rechtssache C 320/03 ergangenen Urteil nicht.
29 Vor diesem Hintergrund sah sich der Verwaltungsgerichtshof in den damaligen Verfahren nicht zu einem Vorabentscheidungsersuchen veranlasst.
30 Diese Rechtsprechung ist aufgrund der hinreichend vergleichbaren Wortlaute der diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Verordnungen (siehe Rn. 28) und der hier anwendbaren Verordnung (siehe Rn. 27) auf den vorliegenden Fall übertragbar.
31 Auch das in der Zwischenzeit ergangene Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2011, Kommission gegen Österreich ( Sektorales Fahrverbot II ), C 28/09, das wie bereits dargestellt ebenso zu einem sektoralen Fahrverbot ergangen ist, vermag an der Beurteilung nichts zu ändern, denn auch in dieser Entscheidung finden sich keine Anhaltspunkte, dass der EuGH Zweifel an der Unionskonformität eines Nachtfahrverbotes hätte.
32 Insbesondere ist auch hervorzuheben, dass sich der EuGH in der Rechtssache C 28/09 auch zur Ausnahmeregelung der dem Urteil zugrundeliegenden Verordnung für jene LKW, die in der „Kernzone“ bzw. in der „erweiterten Zone“ be und entladen werden, geäußert hat, die mit dem gegenständlichen Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 1 lit. h der Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A 12 Inntalautobahn insoweit übereinstimmend ist (vgl. EuGH 21.12.2011, Kommission gegen Österreich ( Sektorales Fahrverbot II ), C 28/09, Rn. 134ff):
„134 In Bezug auf den Ausschluss des lokalen und regionalen Verkehrs vom Anwendungsbereich des sektoralen Fahrverbots ist darauf hinzuweisen, dass nationale Maßnahmen zur Kanalisierung von Verkehrsströmen oder zur Beeinflussung von Verkehrsträgern ua dadurch gekennzeichnet sind, dass sie in der Regel Ausnahmen für Verkehr mit Ziel oder Ausgangspunkt im betroffenen Gebiet vorsehen. Wie die Republik Österreich zu Recht vorträgt, könnte nämlich die Verlagerung dieser Art von Verkehr auf die Schiene eine Verlängerung der Strecken mit sich bringen, da zu den ursprünglichen Strecken noch die Fahrten zu den Bahnterminals hinzukämen; dies hätte eine Wirkung, die dem mit dem sektoralen Fahrverbot verfolgten Zweck zuwiderliefe. Außerdem ist unstreitig, dass der Schienenverkehr nur für Fahrten von einer gewissen Entfernung eine rentable Alternative zum Straßenverkehr darstellt.
135 Da die Ausnahme Lastkraftwagen betrifft, die in der ‚erweiterten Zone‘ be und entladen werden, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass diese Zone auch außerhalb des österreichischen Hoheitsgebiets gelegene Verwaltungsbezirke umfasst.
136 Darüber hinaus ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten, dass die Republik Österreich Maßnahmen getroffen hat, um gegen etwaige Umgehungen und Missbräuche bei der Anwendung dieser Ausnahme vorzugehen.
137 Unter diesen Umständen kann der Ausschluss des lokalen und regionalen Verkehrs vom Anwendungsbereich des sektoralen Fahrverbots den kohärenten und systematischen Charakter der streitigen Verordnung nicht in Frage stellen.“
33 Mit diesen Ausführungen gibt der EuGH zu erkennen, dass er derartige Ausnahmeregelungen für Verkehr mit Ziel und/oder Ausgangspunkt im betroffenen Gebiet, die unter der Einbeziehung von außerhalb des österreichischen Hoheitsgebiets gelegenen Verwaltungsbezirken auf Transportentfernung und Transportstrecke als ausschlaggebende Kriterien abstellen, als nicht diskriminierend erachtet (vgl. Ehlotzky , RdU UT 2012/2, 5). Vor diesem Hintergrund ist auch die Aussage des Revisionswerbers, der EuGH habe Ausnahmeregelungen für den Ziel und Quellverkehr (bloß) „zum Zweck der Anbindung an die Schiene“ für zulässig erachtet, unzutreffend.
34 Angesichts dieser Erwägungen konnte fallgegenständlich von der angeregten Vorlage zur Vorabentscheidung an den EuGH abgesehen werden.
35 Der Revisionswerber macht weiters geltend, das Verwaltungsgericht habe den Spruch im Straferkenntnis nicht ergänzt bzw. richtiggestellt. Die verletzte Verwaltungsvorschrift sei lediglich als „§ 3 Abs. 1 lit. a VO des Landeshauptmannes von Tirol vom 27.10.2010, LGBl. 64/2010 iVm der VO LH v. 11.11.2020 LGBl. 121/2020“ im Spruch angegeben. Die Abkürzung „iVm“ sei nicht geeignet, um auf die geltende Fassung einer Rechtsvorschrift hinzuweisen. Das Verwaltungsgericht habe es verabsäumt, die entsprechende Fundstelle der zum Tatzeitpunkt in Kraft stehenden Novelle der Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A 12 Inntalautobahn anzugeben.
36 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 27. Juni 2022, Ra 2021/03/0328, in einem verstärkten Senat ausgesprochen, der Grundgedanke der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 2 VStG ist, dass die Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift so präzise zu sein hat, dass in Verbindung mit der Tatumschreibung nach § 44a Z 1 VStG eine eindeutige Zuordnung der vorgeworfenen Tat zu einem bestimmten Straftatbestand möglich ist (vgl. VwGH 29.9.2022, Ra 2021/15/0095, mwN).
37 Bei der Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift und der Sanktionsnorm gemäß § 44a Z 2 und 3 VStG kommt es darauf an, dass die Norm (lediglich) unverwechselbar konkretisiert wird, damit die beschuldigte Person in die Lage versetzt wird, dem Vorwurf entsprechend zu reagieren und ihr Rechtsschutzinteresse zu wahren. Maßgeblich ist daher, dass die Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift (§ 44a Z 2 VStG) und der bei der Verhängung der Strafe angewendeten Gesetzesbestimmung (§ 44a Z 3 VStG) in einer Weise erfolgt, die den Beschuldigten in die Lage versetzt, sich gegen den Tatvorwurf verteidigen zu können und (im Hinblick auf § 44a Z 2 VStG) nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (vgl. VwGH 1.6.2023, Ra 2023/07/0089, mwN).
38 Eine Verletzung der Anforderungen des § 44a Z 2 und 3 VStG liegt daher sofern nicht aus besonderen Gründen (etwa aufgrund gestaffeltem, verzögertem oder später geändertem Inkrafttreten) für den Rechtsanwender Unsicherheit über die angewendete Fassung bestehen kann jedenfalls nicht vor, wenn die angewendete Rechtsvorschrift in ihrer Gesamtheit mit der zuletzt (vor dem Tatzeitpunkt) erfolgten Novellierung zitiert wird, oder wenn die zuletzt vor dem Tatzeitpunkt erfolgte Novellierung bezogen auf einzelne Paragraphen oder Artikel der Rechtsvorschrift zitiert wird, ohne dass mit den zitierten Änderungen zwingend auch die jeweils konkret anzuwendende Untergliederung der Rechtsvorschrift geändert wurde. Selbst ein Unterbleiben der Angabe der Fundstelle kann aber dann keine Verletzung in einem subjektiven Recht der beschuldigten Person bewirken, wenn die herangezogene Rechtsvorschrift für diese aus dem Zusammenhang nicht zweifelhaft sein konnte (vgl. VwGH 15.2.2023, Ra 2021/02/0179, mwN).
39 Betreffend das Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe die Fundstelle der gegenständlich anwendbaren Fassung der Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A 12 Inntalautobahn nicht angegeben, ist zu entgegnen, dass sich dieses Vorbringen als unzutreffend erweist, weil schon die Behörde im Straferkenntnis die Fundstelle der Stammfassung LGBl. Nr. 64/2010 und der zur Tatzeit geltenden Novelle LGBl. Nr. 121/2020 anführte; daher bestand kein Bedarf der Ergänzung der Fundstellen.
40 Trotz der Verwendung der zur Angabe der geltenden Fassung unüblichen Phrase „iVm“ zeigt der Revisionswerber fallgegenständlich nicht auf, dass er in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden wäre, dass er nicht in der Lage gewesen wäre, seine Rechtsschutzinteressen zu wahren, oder dass die Gefahr einer Doppelbestrafung bestünde. Denn er hat im bisherigen Verfahren weder in den Rechtfertigungen vor der Behörde noch in seiner Beschwerde vorgebracht, dass ihm die angewendete Strafnorm, insbesondere im Hinblick auf ihren zeitlichen Anwendungsbereich, unklar gewesen wäre. Eine Verletzung des § 44a Z 2 VStG liegt dadurch nicht vor.
41 Gleiches gilt aufgrund der Angabe der Fundstelle und der beinahe wörtlichen Wiedergabe der übertretenen Verwaltungsbestimmung im Rahmen der Tatumschreibung nach § 44a Z 1 VStG für den Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe die Formulierung der Behörde „VO LH“ nicht konkretisiert. Auch findet sich in der Tatumschreibung im Spruch eine ausgeschriebene Wiedergabe der hier beanstandeten Abkürzungen.
42 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
43 Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Im Hinblick darauf, dass angesichts eines unstrittigen Sachverhaltes ausschließlich nicht weiter erörterungsbedürfte Rechtsfragen zu klären waren, standen dem Entfall der Verhandlung auch weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen (vgl. VwGH 19.4.2023, Ro 2022/07/0018, mwN).
Wien, am 19. Oktober 2023
Rückverweise