Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Bamer, über die Revision des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft in 1010 Wien, Stubenring 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 12. November 2021, Zl. LVwG AV 19/001 2020, betreffend einen wasserpolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: Gemeinde S in S, vertreten durch die Onz Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) vom 2. Dezember 2019 wurde der Gemeinde S. (im Folgenden: mitbeteiligte Partei) gemäß § 138 Abs. 2 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) aufgetragen, entweder bis spätestens 31. Dezember 2020 um die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für die Anlagen der sogenannten „S. leitung“, bestehend aus A. quelle (= D. quelle) auf Grst.Nr. 1091, KG K., B. quelle auf Grst.Nr. 956/1, KG K., R. quelle auf Grst.Nr. 956/1, KG K., H. quellen auf Grst.Nr. 1094, KG K. samt den für den Betrieb erforderlichen Hochbehältern und Transportleitungen, sowie für die Anlagen der sogenannten „O. quellen“, bestehend aus Quellsammelschächten 1 und 2 auf Grst.Nr. 1094, KG K. mit unbekannter Anzahl an Quellsammelsträngen samt Zuleitung zur Transportleitung, anzusuchen oder binnen gleicher Frist (31. Dezember 2020) die Einleitung der genannten Quellen in das kommunale Netz nachweislich und dauerhaft einzustellen.
2 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) mit Erkenntnis vom 12. November 2021 statt und hob den Bescheid ersatzlos auf (Spruchpunkt 1.). Eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG sei nicht zulässig (Spruchpunkt 2.).
3 In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die hier mit dem Oberbegriff der O. quellgruppe bezeichneten Quellen der A. Quelle, der H.-Quellen und der Quellsammelschächte 1 und 2 der O.-Quellen unterirdisch in Quellschächten gefasst und das Wasser unterirdisch über Leitungen weitergeleitet werde. Die R.- und die B.-Quelle entsprängen auf einem näher über Anführung der Grundstücksnummer bezeichneten Grundstück.
4 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst wie folgt aus: Für die Vorschreibung eines Alternativauftrages nach § 138 Abs. 2 WRG 1959 bedürfe es einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung oder einer unterlassenen Arbeit. Eine eigenmächtig vorgenommene Neuerung setze wiederum voraus, dass die gesetzten Maßnahmen bewilligungsfähig (gemeint wohl: bewilligungspflichtig) seien. So sei fallgegenständlich zu prüfen, ob die Nutzung der O. Quellgruppe sowie der R. und der B.-Quelle nach der „damals gültigen“ Rechtslage einer Bewilligung bedurft hätten. Da § 4 lit. a des Gesetzes vom 28. August 1870, über Benützung, Leitung und Abwehr der Gewässer, Landes-Gesetz- und Verordnungsblatt für das Erzherzogthum Österreich unter der Enns Nr. 56/1870 (im Folgenden: Niederösterreichisches LWRG 1870), als Privatgewässer lediglich die auf dem Grundstück enthaltenen unterirdischen und aus demselben zu Tage quellenden Wässer nenne, sei die (bloß unterirdisch gefasste) O. Quellgruppe vom Anwendungsbereich des genannten Gesetzes nicht erfasst. Einer wasserrechtlichen Bewilligung habe es daher nicht bedurft. Nach § 125 Wasserrechtsgesetz 1934 (WRG 1934) könnten diese Wasserbenutzungen, welche nicht bewilligungspflichtig gewesen seien, weiterhin ohne Bewilligung ausgeübt werden. Auch § 142 Abs. 1 WRG 1959 sehe derartiges vor; diese Bestimmung fordere jedoch zusätzlich eine Eintragung im Wasserbuch binnen Jahresfrist ab Inkraftreten des WRG 1959. Die O. Quellgruppe sei bereits vor Inkrafttreten des WRG 1934 (Verweis auf eine Aufnahmeschrift der Bezirkshauptmannschaft N. vom 28. April 1913) unter einer näher angeführten Zahl im Wasserbuch eingetragen worden. Hinsichtlich der R. und der B. Quelle, die zutage getreten seien, ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass es sich bei diesen Quellwässern um Privatgewässer im Sinne des § 4 lit. a des Niederösterreichischen LWRG 1870 handle. Einer Bewilligung nach § 16 Abs. 2 des Niederösterreichischen LWRG 1870 habe es aber für die Nutzung dieser Quellen nicht bedurft, weil keine Einwirkung auf fremde Rechte oder öffentliche Gewässer vorgelegen sei. Eine Beeinträchtigung des Grundeigentümers der Quellgrundstücke sei aufgrund dessen Zustimmung nicht gegeben. Auch hinsichtlich der R. und der B.-Quelle läge eine Eintragung im Wasserbuch bereits vor Inkrafttretens des WRG 1934 vor (Verweis ua. auf ein Dekret vom 7. Dezember 1894 und eine Aufnahmeschrift der Bezirkshauptmannschaft N. vom 28. April 1913), weshalb die Quellnutzung weiterhin ohne wasserrechtliche Bewilligung zulässig sei.
5 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit den verba legalia des Art. 133 Abs. 4 B VG.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, nach § 116 Abs. 2 WRG 1959 erhobene außerordentliche Revision, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.
7 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstattete die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung, in der die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision unter Zuspruch von Aufwandersatz beantragt wird. Im Besonderen bringt die mitbeteiligte Partei vor, es sei aufgrund von näher angeführter Rechtsprechung nicht von einem Fehlen von Rechtsprechung auszugehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 In der Zulässigkeitsbegründung wendet sich der Revisionswerber ua. gegen die Begründung des Verwaltungsgerichtes, die Nutzung der O.-Quellgruppe wäre, weil die Quellen weder als öffentliches Gewässer noch als Privatgewässer zu qualifizieren seien und so deren Nutzung vom Anwendungsbereich des Niederösterreichischen LWRG 1870 nicht erfasst sei, nicht bewilligungspflichtig. Unter Verweis auf Peyrer wird vorgebracht, dass es sich bei den Quellen der O.-Quellgruppe um Privatgewässer handle, ungeachtet dessen, ob sie zu Tage treten. Davon ausgehend sei die Bewilligungspflicht nach § 16 des Reichswassergesetzes (gemeint wohl des Niederösterreichischen LWRG 1870) zu beurteilen gewesen. Es fehle Rechtsprechung zu drei näher formulierten Rechtsfragen, die im Kern zusammengefasst alle die Frage der Einordnung einer unterirdisch gefassten Quelle unter das Regime des Niederösterreichischen LWRG 1870 und in der Folge die Frage nach der Bewilligungspflicht der Nutzung einer solchen Quelle betreffen.
9 Die wesentlichen Bestimmungen des Niederösterreichischen LWRG 1870 lauteten auszugsweise:
„§. 3. Auch die nicht zur Fahrt mit Schiffen oder gebundenen Flößen dienenden Strecken der Ströme und Flüsse, sowie Bäche und Seen und andere fließende oder stehende Gewässer sind öffentliches Gut, in soweit sie nicht in Folge gesetzlicher Bestimmungen oder besonderer Privatrechtstitel Jemandem zugehören. Die den Besitz schützenden Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechtes werden hiedurch nicht berührt (§. 3 des Reichsgesetzes)
§. 4. Nachstehende Gewässer gehören, wenn nicht von Anderen erworbene Rechte entgegenstehen, dem Grundbesitzer:
a) Das in seinen Grundstücken enthaltene unterirdische und aus denselben zu Tage quellende Wasser, mit Ausnahme der dem Salzmonopole unterliegenden Salzquellen und der zum Bergregale gehörigen Zementwässer.
b) Die sich auf seinen Grundstücken aus atmosphärischen Niederschlägen ansammelnden Wässer.
c) Das in Brunnen, Teichen, Zisternen oder anderen auf Grund und Boden des Grundbesitzers befindlichen Behältern oder in von demselben zu seinen Privatzwecken angelegten Kanälen, Röhren u. eingeschlossene Wasser.
d) Die Abflüsse aus den vorgenannten Gewässern, so lange sich erstere in ein fremdes Privat- oder in ein öffentliches Gewässer nicht ergossen und das Eigenthum des Grundbesitzers nicht verlassen haben (§. 4 des Reichsgesetzes).
§. 5. Privatbäche und sonstige fließende Privatgewässer sind, in soferne nichts Anderes nachgewiesen wird, als Zugehör derjenigen Grundstücke zu betrachten, über welche oder zwischen welchen sie fließen, und zwar nach Maßgabe der Uferlänge eines jeden Grundstückes (§. 4 des Reichsgesetzes).
(...)
§. 10. Derjenige, welchem ein Privatgewässer zugehört, kann dasselbe, unbeschadet der durch besondere Rechtstitel begründeten Ausnahmen, für sich und für Andere nach Belieben gebrauchen und verbrauchen.
Bei fließenden Wässern ist die Benützung durch die Rechte der übrigen Wasserberechtigten, sowie durch die aus dem Zusammenhange und der Unentbehrlichkeit des Wassers hervorgehenden öffentlichen Rücksichten nach Maßgabe der Gesetze beschränkt.
Insbesondere darf durch die Benützung des Wassers von Seite des Privateigentümers keine das Recht eines Anderen beeinträchtigende Verunreinigung des Wassers, kein solcher Rückstau und keine Ueberschwemmung oder Versumpfung fremder Grundstücke verursacht werden (§. 10 des Reichsgesetzes).
(...)
§. 15. In öffentlichen Gewässern ist der gewöhnliche, ohne besondere Vorrichtungen vorgenommene, die gleiche Benützung durch Andere nicht ausschließende Gebrauch des Wassers zum Baden, Waschen, Tränken, Schwemmen und Schöpfen, dann die Gewinnung von Pflanzen, Schlamm, Erde, Sand, Schotter, Steinen und Eis, soweit dadurch weder die Beschaffenheit des Wassers verändert, noch der Wasserverlauf und das Ufer gefährdet, noch ein fremdes Recht verletzt, noch Jemanden ein Schade zugefügt wird, gegen Beobachtung der Polizeivorschriften, an den durch dieselben von dieser Benützung oder Gewinnung nicht ausgeschlossenen Plätzen Jedermann gestattet.
§. 16. Jede andere, als die im §. 15 angegebene Benützung der öffentlichen Gewässer, sowie die Errichtung oder Aenderung der hiezu erforderlichen Vorrichtungen und Anlagen, welche auf die Beschaffenheit des Wassers, auf den Lauf desselben, oder auf die Höhe des Wasserstandes Einfluss nehmen oder die Ufer gefährden kann, bedarf der vorläufigen Bewilligung der zuständigen Behörden.
Diese Bewilligung ist auch bei Privatgewässern erforderlich, wenn durch deren Benützung auf fremde Rechte oder auf die Beschaffenheit, den Lauf oder die Höhe des Wassers in öffentlichen Gewässern eine Einwirkung entsteht.“
10 § 125 WRG 1934 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 144/1947 hatte folgenden Wortlaut:
„§ 125. (1) Bereits bestehende Wassernutzungen, die nach den bisher geltenden Gesetzen einer Bewilligung nicht bedurften, nach den Bestimmungen des zweiten Abschnittes dieses Gesetzes jedoch bewilligungspflichtig wären, können auch weiterhin ohne Einholung einer Bewilligung ausgeübt werden. Die nach den früheren Gesetzen erworbenen Wasserbenutzungs- oder sonstigen auf Gewässer sich beziehenden Rechte sowie die hiemit verbundenen Verpflichtungen bleiben aufrecht; Ausübung und Erlöschen richten sich nach diesem Gesetze.
(2) Besteht eine der behördlichen Bewilligung unterliegende Wasserbenutzungsanlage aus der Zeit vor Inkrafttreten der bisher geltenden Landeswasserrechtsgesetze, so ist diese Anlage, auch wenn die Erwerbung des mit ihr verbundenen Wasserrechtes nicht nachgewiesen werden kann, als rechtmäßig bestehend anzunehmen, sofern nicht die Unrechtmäßigkeit erwiesen wird. Änderungen einer solchen Anlage, die nach dem oben bezeichneten Zeitpunkte ohne nachweisliche behördliche Bewilligung vorgenommen wurden, unterliegen der wasserrechtlichen Bewilligung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes.
(3) Der Fortbestand der nach Abs. 1 und 2 anerkannten Berechtigungen ist jedoch davon abhängig, dass ihre Eintragung im Wasserbuch, sofern sie nicht schon erfolgt ist, innerhalb einer vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft durch Verordnung mit wenigstens einem Jahr zu bestimmenden Frist bei der Wasserbuchbehörde beantragt wird.“
11 Die maßgeblichen Bestimmungen des WRG 1959 in der geltenden Fassung lauten auszugsweise:
„ Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes.
§ 138. (1) Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten
a) eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,
b) Ablagerungen oder Bodenverunreinigungen durch geeignete Maßnahmen zu sichern, wenn die Beseitigung gemäß lit. a nicht oder im Vergleich zur Sicherung an Ort und Stelle nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten (Aufwand) möglich ist,
c) die durch eine Gewässerverunreinigung verursachten Mißstände zu beheben,
d) für die sofortige Wiederherstellung beschädigter gewässerkundlicher Einrichtungen zu sorgen.
(2) In allen anderen Fällen einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung oder unterlassenen Arbeit hat die Wasserrechtsbehörde eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb deren entweder um die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nachträglich anzusuchen, die Neuerung zu beseitigen oder die unterlassene Arbeit nachzuholen ist.
(...)
Fortbestand älterer Rechte.
§ 142. (1) Bereits bestehende Wasserbenutzungen, die nach den bisher geltenden Gesetzen einer Bewilligung nicht bedurften, nach den Bestimmungen des zweiten oder dritten Abschnittes dieses Bundesgesetzes jedoch bewilligungspflichtig wären, können auch weiterhin ohne Einholung einer Bewilligung ausgeübt werden. Der Fortbestand dieser Berechtigungen ist jedoch davon abhängig, daß ihre Eintragung im Wasserbuch, sofern sie nicht schon erfolgt ist, binnen Jahresfrist beantragt wird.
(2) Die nach den früheren Gesetzen erworbenen Wasserbenutzungs- oder sonstigen auf Gewässer sich beziehenden Rechte sowie die hiemit verbundenen Verpflichtungen bleiben aufrecht; Ausübung und Erlöschen richten sich nach diesem Bundesgesetz.
(3) Einwirkungen auf die Beschaffenheit von Gewässern, die auf einer behördlichen Bewilligung aus der Zeit vor dem 1. Mai 1945 beruhen, das bewilligte Ausmaß der Einwirkung aber überschritten haben, sind nach dem Stande vom 30. Juni 1958 von der Wasserrechtsbehörde mit Bescheid als zulässig anzuerkennen, wenn sie binnen Jahresfrist in vollem Umfange bei ihr angemeldet werden, keine schwerwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstehen, die in Aussicht genommenen Sanierungsmaßnahmen (§ 33 Abs. 2) befriedigend dargestellt werden und den durch die Gewässerverunreinigung Betroffenen eine angemessene Entschädigung (§ 117) geleistet wird.“
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 21. März 1903, Zl. 1833, Slg. Budw. 1642/A, (und diese Aussage bestätigend etwa in seinen Entscheidungen vom 3. November 1909, Zl. 9663, Slg. Budw. 6965/A, ebenso zum Niederösterreichischen LWRG 1870, sowie vom 24. September 1904, Zl. 9981, Slg. Budw. 2892/A, zum insoweit vergleichbaren, Gesetz vom 28. August 1870, über Benützung, Leitung und Abwehr der Gewässer, Landes-Gesetz- und Verordnungsblatt für Böhmen Nr. 71/1870 [im Folgenden: Böhmisches LWRG 1870]) zur rechtlichen Natur des Grundwassers unter Heranziehung des - auch vorliegend gegenständlichen - Niederösterreichischen LWRG 1870 (zusammengefasst) ausgesprochen, dass nach den den Begriff eines Gewässers umschreibenden Bestimmungen der §§ 1 bis 5 die Grundwässer in die Disposition dieses Gesetzes überhaupt nicht einbezogen erscheinen. Das Wasserrechtsgesetz definiert den Begriff eines Gewässers durch die Aufstellung von zwei Kategorien, nämlich der öffentlichen und der Privatgewässer. Nach den hierfür aufgestellten gesetzlichen Merkmalen kann aber das Grundwasser weder der einen noch der anderen Kategorie der Gewässer im Sinne des Wasserrechtsgesetzes beigezählt werden.
13 So folgerte der Verwaltungsgerichtshof in der selben Entscheidung, dass das Grundwasser keinen Gegenstand des Wasserrechtsgesetzes bildet und dass die „Grundwasserfrage“ einer gesetzlichen Regelung bedürftig sei.
14 Unter Grundwasser (unterirdischem Wasser) verstand der Verwaltungsgerichtshof damals im Gegensatz zum Tagwasser (oberirdischem Wasser), jenes und jedes Wasser, welches in die Erdoberfläche eindringt, in die Erde einsickert, um dann entweder unter der Erdoberfläche fortzufließen (Grundwasser im engeren Sinne) oder aber in wasserhaltenden Schichten zu stagnieren, wobei nicht weiter in Betracht kommt, ob dieses Wasser durch die Erdschichten langsam durchsickert, oder aber in größerer Menge durch zerklüftetes Terrain (Felsspalten) eindringt (vgl. VwGH 13.12.1906, Zl. 13.261, Slg. Budw. 4837/A, und den Verweis darauf in VwGH 4.7.1930, Zl. A 676/29, Slg. Budw. 16.257/A).
15 In Anbetracht der eben dargestellten Judikate des Verwaltungsgerichtshofes ist dem Vorbringen der mitbeteiligten Partei in ihrer Revisionsbeantwortung, in der auch schon die Entscheidung vom 21. März 1903, Zl. 1833, Slg. Budw. 1642/A, angeführt wird, zuzugestehen, dass von einem Fehlen von Rechtsprechung zur rechtlichen Qualifikation einer unterirdisch gefassten Quelle, wie vom Revisionswerber vorgebracht, nicht ausgegangen werden kann.
16 Die soeben dargestellte Judikatur betraf zwar auch unterirdisch gefasstes Grundwasser, wie es auch im Fall der O. Quellgruppe zu beurteilen ist. Der Verwaltungsgerichtshof unterschied aber in anderen Entscheidungen jenes Grundwasser nach der eben beschriebenen Definition von dem Grundwasser, welches beispielsweise in Brunnen gefasst oder durch Wasseranlagen oder in Röhren abgeleitet wird (vgl. VwGH 22.6.1909, Zl. 5776, Slg. Budw. 6827/A, zum insoweit vergleichbaren - Gesetz vom 28. August 1870, über Benützung, Leitung und Abwehr der Gewässer, Landes-Gesetz- und Verordnungsblatt für Mähren Nr. 65/1870 [im Folgenden: Mährisches LWRG 1870], VwGH 27.1.1909, Zl. 848, Slg. Budw. 6480/A, zum Böhmischen LWRG 1870 oder erneut VwGH 4.7.1930, Zl. A 676/29, Slg. Budw. 16.257/A, zum Niederösterreichischen LWRG 1870).
17 Der Verwaltungsgerichtshof sah in diesen Fällen das in Brunnen, Röhren oder dergleichen gefasste Grundwasser als durch diese Okkupation der physischen Herrschaft des Okkupanten unterworfen und damit als zum Privatgewässer geworden an (vgl. erneut VwGH 27.1.1909, Zl. 848, Slg. Budw. 6480/A, VwGH 22.6.1909, Zl. 5776, Slg. Budw. 6827/A, VwGH 4.7.1930, Zl. A 676/29, Slg. Budw. 16.257/A, sowie zum Niederösterreichischen LWRG 1870 VwGH 5.7.1901, Zl. 5296, Slg. Budw. 448/A).
18 Nach dieser Rechtsprechungslinie ändert das Grundwasser mit dem Moment seiner Okkupation seinen rechtlichen Charakter (vgl. erneut VwGH 22.6.1909, Zl. 5776, Slg. Budw. 6827/A) und erlangt beispielsweise durch den Einschluss oder die Fassung in Röhren den Charakter eines nach dem Wasserrechtsgesetz zu beurteilenden Privatgewässers (vgl. VwGH 4.4.1905, Zl. 3771, Slg. Budw. 3439/A, oder VwGH 5.7.1901, Zl. 5296, Slg. Budw. 448/A). Damit unterliegt das zum Privatgewässer gewordene Grundwasser allen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes, daher auch dem § 16 Abs. 2 des Niederösterreichischen LWRG 1870 bzw. Mährischen LWRG 1870 oder dem insoweit wortidenten § 17 Abs. 2 des Böhmischen LWRG 1870 (vgl. zum Mährischen LWRG 1870 erneut VwGH 27.1.1909, Zl. 848, Slg. Budw. 6480/A, oder zum Böhmischen LWRG 1870 VwGH 22.6.1909, Zl. 5776, Slg. Budw. 6827/A, oder in diesem Sinne auch zum Niederösterreichischen LWRG 1870 VwGH 5.7.1901, Zl. 5296, Slg. Budw. 448/A bzw. VwGH 4.7.1930, Zl. A 676/29, Slg. Budw. 16.257/A, oder in diesem Sinne zum Böhmischen LWRG 1870 auch VwGH 3.6.1914, Zl. 5962, Slg. Budw. 10.313/A).
19 Auch im vorliegenden Fall handelt es sich nach den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes jedenfalls um in Leitungen gefasstes unterirdisches Wasser, was dieses nach der gerade angeführten Rechtsprechungslinie zu einem Privatgewässer machen würde, für deren Benutzung nach § 16 Abs. 2 des Niederösterreichischen LWRG 1870 eine Bewilligung erforderlich gewesen wäre, wenn dadurch auf fremde Rechte oder auf die Beschaffenheit, den Lauf oder die Höhe des Wassers in öffentlichen Gewässern eine Einwirkung entstanden wäre.
20 Damit wird vom Revisionswerber mit seinem Vorbringen zur rechtlichen Einordnung einer Grundwasserquelle, die unterirdisch gefasst wird, ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von dieser Rechtsprechungslinie aufgezeigt, weshalb sich die Revision als zulässig erweist.
21 Auf „diese Schwankungen in der wasserrechtlichen Behandlung des Grundwassers“ durch den Verwaltungsgerichtshof (siehe dazu auch Haager/Vanderhaag , Kommentar zum Wasserrechtsgesetz [1936], 97f) muss im gegenwärtigen Verfahrensstadium jedoch aufgrund der zunächst zu klärenden und nachfolgend behandelten Frage nicht eingegangen werden.
22 Denn hat eine außerordentliche Revision die Zulässigkeitsschwelle überschritten, weil sie eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzeigt, prüft der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung des Verwaltungsgerichts inhaltlich (im Rahmen des erklärten Umfangs der Anfechtung: § 28 Abs. 1 Z 4 iVm Abs. 2 VwGG) auf Grund des gesamten Vorbringens in den Revisionsgründen nach § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG (vgl. VwGH 19.6.2023, Ra 2023/09/0023, mwN).
23 In den Revisionsgründen macht der Revisionswerber geltend, dass Gegenstand einer Überleitung älterer Rechte nach § 125 WRG 1934 nur zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung rechtskonform ausgeübte Wasserbenutzungsrechte einschließlich der dazu dienenden Anlagen gewesen seien. Sofern in der Zwischenzeit an der Wasserversorgungsanlage Änderungen vorgenommen worden wären, wären diese ihrerseits wasserrechtlich bewilligungspflichtig gewesen. Vom Verwaltungsgericht wäre daher festzustellen gewesen, ob sich angesichts des bereits jahrzehntelangen Betriebs der Wasserversorgungsanlage zwischenzeitlich Änderungen ergeben hätten, die ihrerseits nicht von den „alten“ Rechten umfasst waren und somit einer Bewilligung im Lichte des WRG 1934 bzw. des WRG 1959 bedurft hätten.
24 Aus diesem Grund erweist sich die Revision als begründet.
25 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter einer eigenmächtigen Neuerung im Sinne des § 138 WRG 1959 die Errichtung von Anlagen oder die Setzung von Maßnahmen zu verstehen, für die eine wasserrechtliche Bewilligung einzuholen gewesen wäre, eine solche aber nicht erwirkt wurde. Hiebei kann es sich um völlig konsenslose, aber auch um konsensüberschreitende Veränderungen handeln (vgl. VwGH 30.3.2017, Ra 2015/07/0114, mwN).
26 Fehlt eine Bewilligungspflicht, kann nicht vom Vorliegen einer eigenmächtigen Neuerung ausgegangen werden (vgl. etwa VwGH 7.7.2005, 2004/07/0178).
27 Fallgegenständlich verneinte das Verwaltungsgericht seiner Begründung nach das Vorliegen einer Neuerung im Sinne des § 138 WRG 1959, weil es vom Fortbestand der (von ihm angenommenen) bewilligungsfreien Wasserbenutzungen nach § 125 Abs. 1 WRG 1934 und § 142 Abs. 1 WRG 1959 ausging.
28 § 125 Abs. 1 WRG 1934 und § 142 Abs. 1 WRG 1959 sehen einen Fortbestand für „bereits bestehende Wasserbenutzungen“ vor. Daraus ergibt sich, dass Wasserbenutzungen nur in der Art und Weise, wie sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 125 Abs. 1 WRG 1934 bzw. des § 142 Abs. 1 WRG 1959 ausgeübt wurden, von diesen Bestimmungen erfasst sind; bei einer wesentlichen Änderung, insbesondere in den zur Wasserbenutzung dienenden Anlagen, kann nicht mehr von einer „bereits bestehenden Wasserbenutzung“ im Sinne der angeführten Gesetzesbestimmungen gesprochen werden (vgl. VwGH 23.2.1993, 92/07/0153).
29 Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass bei der Frage der Bewilligungspflicht der Nutzung der gegenständlichen Quellen (dies betrifft neben den Quellen der O.-Quellgruppe auch die R. und der B.-Quelle) nicht wie vom Verwaltungsgericht alleine darauf abgestellt werden kann, ob die Wasserbenutzungen zu Beginn der Bewilligungspflicht unterlegen sind, sondern, dass vor allem aufgrund der langen Nutzungsdauer von mehreren Jahrzehnten auch Bedacht darauf zu nehmen ist, ob die gegenwärtigen Wasserbenutzungen noch in der Art und Weise, wie sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 125 Abs. 1 WRG 1934 bzw. des § 142 Abs. 1 WRG 1959 ausgeübt wurden, vorliegen oder ob es zu wesentlichen Änderungen, insbesondere in den zur Wasserbenutzung dienenden Anlagen, gekommen ist. Denn sollte letzteres der Fall sein, kann nicht mehr von einer „bereits bestehenden Wasserbenutzung“ im Sinne der angeführten Gesetzesbestimmungen gesprochen werden und wären die Wasserbenutzungsanlagen in ihrer Gesamtheit wasserrechtlich bewilligungspflichtig.
30 Feststellungen zu diesen Umständen, also ob es zu solchen Änderungen gekommen ist, finden sich im angefochtenen Erkenntnis nicht und werden solche deshalb vom Verwaltungsgericht nach entsprechenden Ermittlungen im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.
31 Solche nicht bewilligten Änderungen in der Wasserbenutzung würden sowohl dann zum Vorliegen einer eigenmächtigen Neuerung im Sinne des § 138 WRG 1959 führen, wenn die ursprüngliche Wassernutzung nicht in den Anwendungsbereich des Niederösterreichischen LWRG 1870 fiel, als auch dann, wenn sie nach diesem Gesetz bewilligungsfrei war. Nur für den Fall, dass keine solchen Änderungen vorgenommen wurden, wäre daher zu klären, ob für die Nutzung der O.-Quellgruppe nach dem Maßstab des § 16 Abs. 2 des Niederösterreichischen LWRG 1870 (wegen Einwirkungen auf fremde Rechte oder auf die Beschaffenheit, den Lauf oder die Höhe des Wassers in öffentlichen Gewässern) eine Bewilligungspflicht bestanden hätte (vgl. dazu auch Peyrer, Das Österreichische Wasserrecht, [1898], 240) . Erst wenn auch dies zu bejahen ist, käme es darauf an, ob unterirdisch gefasste Grundwässer als Privatgewässer im Sinne des Niederösterreichischen LWRG 1870 anzusehen waren oder von dessen Anwendungsbereich nicht erfasst waren.
32 Im Ergebnis war das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes daher aufgrund dieser sekundären Feststellungsmängel wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Auf das übrige Revisionsvorbringen musste nicht weiter eingegangen werden.
Wien, am 6. Mai 2024
Rückverweise