Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des J S M in M, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 22. Juni 2022, LVwG 2022/22/0257 9, betreffend Übertretung der Tiroler Bauordnung 2018 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Schwaz),
I. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt 1., soweit es den Ausspruch über die mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 27. Dezember 2021 gegen den Revisionswerber verhängte Strafe und über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens bestätigt, sowie in seinem Spruchpunkt 2. über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 27. Dezember 2021 wurde dem Revisionswerber als handelsrechtlichem Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft eine Übertretung der Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018) zur Last gelegt, über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von € 4.000, (Ersatzfreiheitsstrafe von 37 Stunden) verhängt, und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen, mit der Maßgabe, dass der Spruch bei der als erwiesen angenommenen Tat (§ 44a Z 1 VStG) nunmehr zu lauten habe, dass es der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Bauherrin zu verantworten habe, dass zumindest am 18. Mai 2021 auf näher bezeichneten Grundstücken baubewilligungspflichtige Maßnahmen, nämlich ein Badeteich und ein sogenanntes „Duschhaus“, ohne die erforderliche Baubewilligung errichtet worden seien. Der Badeteich sei in weiterer Folge mit Bescheid der Bürgermeisterin der Marktgemeinde M. vom 15. Juni 2021 und das Badehaus mit Bescheid der Bürgermeisterin der Marktgemeinde M. vom 18. Juni 2021 baubewilligt worden (Spruchpunkt 1.). Darüber hinaus wurde dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 800, auferlegt (Spruchpunkt 2.) und ausgesprochen, dass die Erhebung einer ordentlichen Revision nicht zulässig sei (Spruchpunkt 3.).
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, am 18. Mai 2021 sei festgestellt worden, dass sich der Badeteich und das sogenannte „Duschhaus“ abweichend von der erteilten Baubewilligung in Bau befänden. Am 18. Mai 2021 sei ein Baueinstellungsbescheid ergangen. Für das „Duschhaus“ sei die Baubewilligung mit Bescheid vom 18. Juni 2021, für den Badeteich mit Bescheid vom 15. Juni 2021 erteilt worden. Als Tatzeit habe bei einem Dauerdelikt jener Zeitpunkt herangezogen werden können, an dem die Tat entdeckt worden sei. Zur Strafzumessung führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe im vollen Bewusstsein des Fehlens der Baubewilligung mit dem Bau beider Anlagen begonnen. Ihm sei es darauf angekommen, das Vorhaben so rasch wie möglich in die Tat umzusetzen. Die konsenslose Errichtung baulicher Anlagen widerspreche massiv dem öffentlichen Interesse. Nur über einen baulichen Konsens könne sichergestellt werden, dass Anlagen auch den einschlägigen, verbindlichen technischen Normen entsprechen würden und auch sicher benutzt werden könnten. Mildernd sei die bisherige Unbescholtenheit zu werten. Unter Bezugnahme auf diese Strafzumessungsgründe komme das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass selbst bei Annahme bloß durchschnittlicher wirtschaftlicher Verhältnisse die verhängte Strafe angesichts des hohen Unrechtsgehaltes der Tat sowie der vorsätzlichen Begehungsform in Anbetracht des Strafrahmens keinesfalls als überhöht anzusehen sei.
4 In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Vorauszuschicken ist, dass der vom Verwaltungsgericht inhaltlich bestätigte Abspruch der belangten Behörde hinsichtlich des dortigen Ausspruches über Schuld und Strafe voneinander trennbar sind (vgl. zu den Kriterien der Trennbarkeit etwa VwGH 20.1.2021, Ra 2019/09/0137, mwN). Liegen trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 9.6.2022, Ra 2021/05/0109, mwN).
6 Zur Zurückweisung der Revision:
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen behauptet die Revision, das Verwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es eine Bauführung ohne die oder abweichend von der dafür erforderlichen Bewilligung als Dauerdelikt qualifiziere. Es könne nicht auf den Zeitpunkt der Entdeckung abgestellt werden und das Verwaltungsgericht hätte sich damit auseinandersetzen müssen, ob am 18. Mai 2021 überhaupt noch Ausführungshandlungen gesetzt worden seien.
11 Dazu ist darauf hinzuweisen, dass es sich entgegen den Revisionsausführungen bei der unbefugten Bauführung nach § 67 Abs. 1 lit. a TBO 2018 um ein Dauerdelikt handelt, bei dem das strafbare Verhalten erst mit der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes endet (vgl. § 67 Abs. 3 TBO 2018), somit erst mit Erwirkung einer rechtskräftigen Baubewilligung (vgl. VwGH 28.6.2021, Ra 2021/06/0087, mwN).
12 Nach den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde eine Baubewilligung hinsichtlich des Badeteichs am 15. Juni 2021 und hinsichtlich des „Duschhauses“ am 18. Juni 2021 erteilt, insoweit hat zum Zeitpunkt der Feststellung durch die belangte Behörde keine Baubewilligung vorgelegen. Im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses wird die Tatzeit mit dem Zeitpunkt der Entdeckung festgelegt, was nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Dauerdelikten nicht zu beanstanden ist (vgl. etwa VwGH 29.10.2015, Ra 2015/07/0097, mwN).
13 Vor dem Hintergrund dieser hg. Rechtsprechung ist es somit unerheblich, ob am 18. Mai 2021 selbst Ausführungshandlungen gesetzt wurden, sodass die Revision insofern keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung aufzeigt. Die in diesem Zusammenhang vom Revisionswerber zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bezieht sich auf Materiengesetze anderer Bundesländer, die abweichende Regelungen treffen, und ist insofern nicht einschlägig.
14 Es werden in dieser Hinsicht somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher, soweit das angefochtene Erkenntnis den Ausspruch über die Schuld bestätigte, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
15 Zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses:
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
16 Die Revision erweist sich aber im Hinblick auf ihr Zulässigkeitsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe entgegen der hg. Rechtsprechung den Erfolgsunwert nicht anhand der Beeinträchtigung der durch die Verbotsnorm geschützten Interessen im konkreten Fall festgestellt, als zulässig.
17 Nach § 19 Abs 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Entscheidend für die Beurteilung des Unrechtsgehalts der Tat im Sinne des § 19 Abs. 1 VStG ist nicht die abstrakte Wertigkeit des durch die verletzte Norm geschützten Rechtsguts diese findet ihren Ausdruck bereits in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens sondern das Ausmaß, in dem dieses Rechtsgut durch die in Rede stehende Tat konkret beeinträchtigt wurde. Die in § 19 Abs. 1 VStG geforderte Beurteilung verlangt daher entsprechende konkrete Sachverhaltsfeststellungen (vgl. etwa VwGH 3.5.2017, Ra 2016/03/0108, mwN).
18 Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall im angefochtenen Erkenntnis zur Strafbemessung unter anderem als erschwerend die konsenslose Errichtung der baulichen Anlagen gewertet, die massiv dem öffentlichen Interesse widerspreche, weil nur durch einen baurechtlichen Konsens sichergestellt werden könne, dass die Anlagen auch den verbindlichen technischen Normen entsprechen. Diese Begründung des Verwaltungsgerichts ist nicht geeignet, die Höhe der verhängten Strafe nachvollziehbar zu begründen. Die hohe ordnungspolitische Relevanz als abstrakte Wertigkeit des durch die verletzte Norm geschützten Rechtsguts findet ihren Ausdruck bereits in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens und ist daher kein geeignetes Kriterium zur Strafausmessung innerhalb dieses im konkreten Einzelfall (vgl. VwGH 29.1.2020, Ra 2019/09/0079, mwN).
19 Aus den dargelegten Erwägungen belastete das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis im Hinblick auf den Strafausspruch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
20 Soweit die Revision vorbringt, das Verwaltungsgericht habe den Tatzeitraum eingeschränkt, die Strafhöhe jedoch nicht herabgesetzt, ist darauf hinzuweisen, dass bei einem Dauerdelikt nicht nur die Herbeiführung des rechtswidrigen Zustandes, sondern auch dessen Aufrechterhaltung pönalisiert ist; die Tat wird so lange begangen, als der verpönte Zustand dauert (vgl. VwGH 31.7.2009, 2006/10/0027, mwN). Wie bereits ausgeführt, ist die Festlegung der Tatzeit mit dem Zeitpunkt der Entdeckung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Dauerdelikten nicht zu beanstanden (vgl. neuerlich VwGH 29.10.2015, Ra 2015/07/0097, mwN). Das Vorbringen des Revisionswerbers, das nicht vom Vorliegen eines Dauerdelikts ausgeht, geht somit ins Leere.
21 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang des Ausspruchs über die verhängte Strafe sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruchs über die Kosten des behördlichen Strafverfahrens und die Kosten des Beschwerdeverfahrens (vgl. dazu etwa VwGH 15.9.2021, Ra 2019/17/0118, mwN) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
22 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 22. November 2022
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